Orlando Cachaito Lopez: "Cachaito"
Fidel Castro ist kein besonders musikalischer Mensch - sagt er! Kein Wunder, Revolutionäre haben ja viel anderes um die Ohren. Fidel Castro singt auch nicht unter der Dusche - sagt er! Wie auch! Duscht er doch immer nur kalt, wie sich's halt für Revolutionäre so gehört.
Andererseits wiederum ist Fidel Castro nicht dumm, denn er hat sich nach dem Sieg der Revolution verstärkt um die afro-kubanische Bevölkerung gekümmert und Anstrengungen unternommen, ihre Traditionen, ihre Kultur zu bewahren.
Die Revolution ist mittlerweile ein wenig ins Alter gekommen und so sind die heutigen Kubaner mitunter schon ein wenig "angekränkelt" von allem, - von Coca-Cola, von Amerika, von ihrer eigenen, bevorzugten Musik, der Salsa, die ja auch schon das Ausland zur Genüge kennt.
Aber was ist mit den Wurzeln, mit den Ursprüngen der Salsa passiert? Warum nur hören die Kubaner unentwegt die Salsa und nicht ihre Mutter, den wesentlich vertrackteren, komplizierteren, aber gleichzeitig auch interessanteren Son, klagt auch Ibrahim Ferrer, der berühmte Sänger, der noch berühmteren Bueno-Vista-Social-Club-Produktion, die erst unlängst durch den berühmten Regisseur Wim Wenders mit einem eigenen Filmprojekt gewürdigt worden ist.
Jener legendäre Club, der
ursprünglich gar kein Club war, sondern eine Art soziales Integrationszentrum
für die arme, afro-kubanische Bevölkerung, wo man ihr z. B. kostenlos Schreiben
und Lesen beibrachte; und dann wurde da auch musiziert - und zwar mit viel Herz
und Leidenschaft. Die Musik dieses Clubs trat immer mehr in den Vordergrund, bald
so stark, dass man in späterer Zeit mit dem Buena-Vista-Social-Club eigentlich
nur mehr Musik verband - dafür aber nur das Feinste; die Creme de la Creme der
(schwarzen) kubanischen Musik spielte in diesem Club. Aber eines Tages wollte
man diese Musik nicht mehr so recht hören, und so wurde der Club 1964 geschlossen
- die wunderbaren Musiker dieses Clubs, die vorher nicht viel hatten und jetzt
auch nicht, wurden in eine ärmliche Pension entlassen. Dort verblieben sie, bis
sie von dem amerikanischen Musiker Ry Cooder wiederum "wachgeküsst" wurden. Cooder
versammelte die alte Garde, (eine der vielen Garden des Buena-Vista-Social-Clubs,
die letzte noch lebendige also!), und produzierte eine auch kommerziell durchschlagende
Platte mit Musik dieser alten Haudegen. Naturgemäß - wie so oft bei derartigen
Projekten - profitierte (und das nicht nur finanziell!) Ry Cooder am meisten von
diesem Erfolg. Dann wurde auch noch eben besagter Wim Wenders darauf aufmerksam,
und alles nahm seinen erfolgreichen Lauf - leider insgesamt gesehen erfolgreicher
für das Umfeld als die eigentlich ausführenden kubanischen Musiker!
Wie auch
immer!
Orlando Cachaito Lopez entstammt einer alten kubanischen Musikerfamilie und ist selbst Kontrabassist. Er war es auch, der auf allen Aufnahmen dieser neuen Buena-Vista-Social-Club Produktion Cooders mitspielte. Jetzt wagte er sich auch ein wenig selbstständig zu machen und produzierte diese ganz eigenartige Platte, die in letzter Zeit für Furore (bei seriöseren Musikmedien!) gesorgt hat. Und tatsächlich scheint dieses Werk eines der interessantesten der letzten Jahre in diesem Genre sein. - Fragt sich nur, in welchem Genre denn nun eigentlich? - In kubanischer Musik, im Jazz, im HipHop, Dub-Reggae?! Nun, und das ist das Seltsame und so Anziehende an dieser Platte: Da ist von all dem etwas vorhanden, und es ist nicht einfach nur so zusammen gepantscht, sondern wohl ausgewogen aufeinander abgestimmt. Es beginnt kraftvoll, leidenschaftlich - und man ist geneigt zu sagen, klassisch kubanisch - at it's best -sozusagen. Vor allem Nummer zwei und drei sind am besten mit dem Ausdruck "schöne, einfach 'unsterbliche' Melodien zu beschreiben: zündende hiesige Rhythmen, breite, fetzige Bläser, rassige Violinen. So beginnt es! Im Laufe wird's dann experimenteller: Einflüsse aus der sogenannten modernen Clubmusik werden ebenso harmonisch reizvoll eingebaut, wie auch "jazzige" Soloeinlagen. Aber dennoch ruht dabei alles auf einem soliden kubanischen Fundament.
Der Maximo Lider kann durchaus beruhigt sein.
(Jakob Kreutzfeldt; 08/2002)
Orlando Cachaito
Lopez: "Cachaito"
World Circ (Indigo Vertrieb),
2002. 1 CD.
ASIN B00005ATM5.
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