Ode an Napoleon
Ihr
kennt das alte, große Naturgesetz,
Das stets den Dichter neben den Helden
stellt?
O wohl dem Dichter, wenn die Zeit ihm
Einen unsterblichen Helden
vorführt!
Doch ehrt die
Welt das Ewige? Liebt sie es?
Erkennt sie es demütigen Sinns? O nein!
Wenn anders du das Große singest,
O so besingst du das Unterdrückte!
Dich preis ich, ruhmgegürteter Völkerhirt,
Der nie für sich, der stets für
die Welt gedacht:
Wenn du geruht auf trägem Polster
Würde der Pöbel vielleicht
dich preisen.
Regier in
Frieden, rieten die Menschen dir,
Ein Rat, wie wenn am Morgen des ersten Tags
Das Nichts dem Schöpfer raten wollte:
Schlaf und erschaffe die Welt doch
ja nicht!
Es haßten dich
die Völker, es haßte dich
Wer herrscht im Volk, die Könige haßten dich:
O nicht der Völker, doch mit Recht wohl
Hast du der Könige Haß verschuldet.
O sprich, von wem verblendet,
von wem betäubt
Verstand so schlecht dein glühendes Herz die Welt?
Du
wolltest, ja, du wolltest Freiheit
Deiner eroberten Erde schenken!
Dich, den die Zeit so schnöde Tyrann gehöhnt,
Dich rühmt der Dichter einen
Tyrannenfeind,
Du bist ihm seines Lieds Harmodius,
Seines Gesanges Aristogiton!
Du ein Tyrann? Du waltetest selbst so frei,
Und frei geworden wäre die Welt
durch dich:
Frei sind Despoten nie, sie frönen Listigen
Räten und Buhlerinnen.
Du ein Tyrann? Du, welcher
vernichtete
Was in Europa drohte mit altem Zwang!
Du stürmtest Englands
Inselhochmut,
Und das sarmatische Teufelsbollwerk.
Bluthund
und Wütrich schalten sie dich, doch wärst
Du's je geworden, hätten sie's nie
gesagt!
Nie fiel durch dich ein Held, wie Ney war,
Auf dem Schafott, noch
ein Held wie Riego.
Wärst
du Tyrann gewesen, du wärst es noch:
Die kleinen Feinde, die in die Ferse
dich
Gestochen, hättest längst zermalmt du,
Ihre Gebeine zerstreut als
Asche.
Du warst Tyrann,
du schienst es der Welt fürwahr!
Sie mußte folgen jedem Gedankenblitz,
Der aus der kühnen Jovisstirn dir
Göttlich und waffengeziert hervorsprang.
Es herrscht der Geist,
auch wider den eignen Wunsch:
Da gilt es kein Gewinsel um Menschenblut,
Wenn
eine freie Heldenseele
Riesengedanken ans Licht der Welt bringt.
Nun seufzt nach dir der Grieche, der Pole seufzt,
- Bald trägt die Welt dasselbige
Joch, wie er -
Ganz Spanien winselt laut, die Deutschen
Flehen zurücke
den Tag von Tilsit.
Weissagen
laß dir baldigen Untergang
Der Staaten Abfaum! Als der Gewalt'ge dich
Zerstörte,
hat er aus der Bosheit
Giftigem Rachen den Zahn gebrochen.
Du
Pest Europas! Jener gekrönte Witz
Ging dir den Weg zur Hölle so schön voran!
Herzlos und kalt war er, die Staatskunst,
Die er dich lehrete, kalt und
herzlos!
Ihr sagt, er
teilte Polen? Er teilte mehr,
Er teilte Deutschland. Herrliches Austrien,
Du fester Eichstamm, um dich her schlingt
Zehrende Ranken ein böser Efeu!
Vergaßest du Maria Theresien?
Theresien? O Himmel, noch mehr als sie
Vergaßest du, da tief in Schmach
du
Deine Maria Luise stürztest!
O
Nacht des Ruhms - Jahrhunderte freuten sich,
Dir längst entgegen! - als das
erlauchte Bett
Bestieg die blonde Tochter Habsburgs
Mit dem unsterblichen
Sohn der Freiheit!
O König
Roms, der einst der erlösten Welt
Vorleuchten sollte, funkelnder Morgenstern!
Die Waffen deines Ältervaters
Lullten dir schreckliche Wiegenlieder!
Da
brannte Moskau, widernatürlich warf
Ins eigne Haus die Fackel das schnöde
Volk!
Eisfelder starrten dir entgegen,
Ja, da besiegte den Geist die Schneekraft.
Zum letztenmal noch ehrte die falsche Zeit
Des Triumphators heiliges Lorbeerhaupt,
Da er, an milder Küste landend,
Als ein Umjubelter flog durch Frankreich!
O schnöder Wechsel! Erde,
wo ist dein Held?
Wo peitscht ihn hin das Ruder? Der weiße Schaum
Einsamer
Brandung netzt die Ferse
Mitten im brausenden Ozean ihm!
Und nächtlich hört man über dem Uferfels
Hohlstimmig schrein die gräßliche
Nemesis:
Dein letzter Atemzug, o Heros,
Werde der Sterbemoment der Freiheit!
Doch mildre Stimmen tönen ein mildres Lied,
Sei's, daß das Meer verborgene
Nymphen hegt,
Wie alte Völker fabeln, oder
Ist es die leise Musik des
Wassers?
Sie locken oft
den Schiffer der wilden Bucht
Mit süßer Wehmut Klagegetön heran:
O kommt
mit uns, und wandelt schweigend
Über dem Grabe der wüsten Insel!
Europa stand nicht neben dem Katafalk,
Der deine Leiche trug, die Gestirne
nur
Entloderten als Kandelaber,
Während wie Waffen erklang das Weltmeer.
Wenn du die Rätsel deines Berufs
erkannt,
Du wärst des Lobs nie sterbender Dichter wert:
Du wärest ihres Lieds Harmodius,
Ihres Gesanges Aristogiton.
(von August von Platen; 1825 geschrieben)