(...)
Kosinsky kommt.
Kosinsky (vor sich)
In dieser Revier herum, sagen sie, werd' ich ihn antreffen - he, holla! was
sind das für Gesichter? - sollten's - wie? wenn's Diese - sie sind's, sind's!
- ich will sie anreden.
Schwarz
Gebt Acht! wer kommt da?
Kosinsky
Meine Herren! verzeihen Sie! Ich weiß nicht, geh' ich recht oder unrecht?
Moor
Wer müssen wir sein, wenn Sie recht gehn?
Kosinsky
Männer!
Schweizer
Ob wir das auch gezeigt haben, Hauptmann?
Kosinsky
Männer such' ich, die dem Tod ins Gesicht sehen und die Gefahr wie eine zahme
Schlange um sich spielen lassen, die Freiheit höher schätzen als Ehre und
Leben, deren bloßer Name, willkommen dem Armen und Unterdrückten, die Beherztesten
feig und Tyrannen bleich macht.
Schweizer (zum Hauptmann)
Der Bursche gefällt mir. - Höre, guter Freund! du hast deine Leute gefunden.
Kosinsky
Das denk' ich und will hoffen, bald meine Brüder. - So könnt ihr mich denn zu
meinem rechten Manne weisen, denn ich such' euern Hauptmann, den großen Grafen
von Moor.
Schweizer (gibt ihm die
Hand mit Wärme)
Lieber Junge! wir dutzen einander.
Moor (näher kommend)
Kennen Sie auch den Hauptmann?
Kosinsky
Du bist's - in dieser Miene - wer sollte dich ansehen und einen Andern suchen?
(Starrt ihn lange an.) Ich habe mir immer gewünscht, den Mann mit dem
vernichtenden Blicke zu sehen, wie er saß auf den Ruinen von Carthago
- jetzt wünsch' ich es nicht mehr.
Schweizer
Blitzbub!
Moor
Und was führt Sie zu mir?
Kosinsky
O Hauptmann! mein mehr als grausames Schicksal - ich habe Schiffbruch
gelitten auf der ungestümen See der Welt, die Hoffnungen meines Lebens hab'
ich müssen sehen in den Grund sinken, und blieb mir nichts übrig, als die marternde
Erinnerung ihres Verlustes, die mich wahnsinnig machen würde, wenn ich sie nicht
durch anderwärtige Thätigkeit zu ersticken suchte.
Moor
Schon wieder ein Kläger gegen die Gottheit! - Nur weiter.
Kosinsky
Ich wurde Soldat. Das Unglück verfolgte mich auch da - ich machte eine Fahrt
nach Ostindien mit, mein Schiff scheiterte an Klippen - nichts als fehlgeschlagene
Plane! Ich hörte endlich weit und breit erzählen von deinen Thaten, Mordbrennereien,
wie sie sie nannten, und bin hieher gereist dreißig Meilen weit, mit dem festen
Entschluß, unter dir zu dienen, wenn du meine Dienste annehmen willst - Ich
bitte dich, würdiger Hauptmann, schlage mir's nicht ab!
Schweizer (mit einem Sprung)
Heisa! Heisa! So ist ja unser Roller zehnhundertfach vergütet! Ein ganzer
Mordbruder für unsre Bande!
Moor
Wie ist dein Name?
Kosinsky
Kosinsky.
Moor
Wie, Kosinsky? weißt du auch, daß du ein leichtsinniger Knabe bist und über
den großen Schritt deines Lebens weggaukelst, wie ein unbesonnenes Mädchen -
Hier wirst du nicht Bälle werfen oder Kegelkugeln schieben, wie du dir einbildest.
Kosinsky
Ich weiß, was du sagen willst - Ich bin vier und zwanzig Jahr alt, aber ich
habe Degen blinken gesehen und Kugeln um mich surren gehört.
Moor
So, junger Herr? - Und hast du dein Fechten nur darum gelernt, arme Reisende
um einen Reichsthaler niederzustoßen, oder Weiber hinterrücks in den Bauch zu
stechen? Geh, geh! du bist deiner Amme entlaufen, weil sie dir mit der Ruthe
gedroht hat.
Schweizer
Was zum Henker, Hauptmann! was denkst du? willst du diesen Hercules fortschicken?
Sieht er nicht gerade so drein, als wollt' er den Marschall von Sachsen mit
einem Rührlöffel über den Ganges
jagen?
Moor
Weil dir deine Lappereien mißglücken, kommst du und willst ein Schelm, ein Meuchelmörder
werden? - Mord, Knabe, verstehst du das Wort auch? Du magst ruhig schlafen gegangen
sein, wenn du Mohnköpfe abgeschlagen hast, aber einen Mord auf der Seele zu
tragen -
Kosinsky
Jeden Mord, den du mich begehen heißt, will ich verantworten.
Moor
Was? bist du so klug? Willst du dich anmaßen, einen Mann mit Schmeicheleien
zu fangen? Woher weißt du, daß ich nicht böse Träume habe, oder auf dem Todbett
nicht werde blaß werden? Wie viel hast du schon gethan, wobei du an Verantwortung
gedacht hast?
Kosinsky
Wahrlich! noch sehr wenig, aber doch diese Reise zu dir, edler Graf!
Moor
Hat dir dein Hofmeister die Geschichte des Robins in die Hände gespielt - man
sollte dergleichen unvorsichtige Canaillen auf die Galeere schmieden -, die
deine kindische Phantasie erhitzte und dich mit der tollen Sucht zum großen
Mann ansteckte? Kitzelt dich nach Namen und Ehre? willst du Unsterblichkeit
mit Mordbrennereien erkaufen? Merk dir's, ehrgeiziger Jüngling! Für Mordbrenner
grünet kein Lorbeer!
Auf Banditensiege ist kein Triumph gesetzt - aber Fluch, Gefahr, Tod, Schande
- Siehst du auch das Hochgericht dort auf dem Hügel?
Spiegelberg (unwillig auf
und abgehend)
Ei wie dumm! wie abscheulich, wie unverzeihlich dumm! Das ist die Manier nicht!
ich hab's anders gemacht.
Kosinsky
Was soll Der fürchten, der den Tod
nicht fürchtet?
Moor
Brav! unvergleichlich! Du hast dich wacker in den Schulen gehalten, du hast
deinen Seneca meisterlich auswendig gelernt. - Aber, lieber Freund, mit dergleichen
Sentenzen wirst du die leidende Natur nicht beschwätzen, damit wirst du die
Pfeile des Schmerzens nimmermehr stumpf machen. - Besinne dich recht, mein Sohn!
(Er nimmt seine Hand.) Denk', ich rathe dir als ein Vater - lern' erst
die Tiefe des Abgrunds kennen, eh du hineinspringst! Wenn du noch in der Welt
eine einzige Freude zu erhaschen weißt - es könnten Augenblicke kommen, wo du
- aufwachst - und dann - möcht' es zu spät sein. Du trittst hier gleichsam aus
dem Kreise der Menschheit - entweder mußt du ein höherer Mensch sein, oder du
bist ein Teufel - Noch einmal, mein Sohn! Wenn dir noch ein Funken von Hoffnung
irgend anderswo glimmt, so verlaß diesen schrecklichen Bund, den nur Verzweiflung
eingeht, wenn ihn nicht eine höhere Weisheit gestiftet hat - Man kann sich täuschen
- glaube mir, man kann Das für Stärke des Geistes halten, was doch am Ende Verzweiflung
ist - Glaube mir, mir! und mach' dich eilig hinweg.
Kosinsky
Nein! ich fliehe jetzt nicht mehr. Wenn dich meine Bitten nicht rühren, so höre
die Geschichte meines Unglücks. - Du wirst mir dann selbst den Dolch in die
Hände zwingen, du wirst - Lagert euch hier auf dem Boden und hört mir aufmerksam
zu!
Moor
Ich will sie hören.
Kosinsky
Wisset also, ich bin ein böhmischer Edelmann und wurde durch den frühen Tod
meines Vaters Herr eines ansehnlichen Ritterguts. Die Gegend war paradiesisch
- denn sie enthielt einen Engel - ein Mädchen, geschmückt mit allen Reizen der
blühenden Jugend und keusch wie das Licht des Himmels. Doch, wem sag' ich das?
Es schallt an euren Ohren vorüber - ihr habt niemals geliebt, seid niemals geliebt
worden -
Schweizer
Sachte, sachte! unser Hauptmann wird feuerroth.
Moor
Hör' auf! ich will's ein andermal hören - morgen, nächstens, oder - wenn ich
Blut gesehen habe.
Kosinsky
Blut, Blut - höre nur weiter! Blut, sag' ich dir, wird deine ganze Seele füllen.
Sie war bürgerlicher Geburt, eine Deutsche - aber ihr Anblick schmelzte die
Vorurtheile des Adels hinweg. Mit der schüchternsten Bescheidenheit nahm sie
den Trauring von meiner Hand, und übermorgen sollte ich meine Amalia vor den
Altar führen.
Moor (steht schnell auf)
Kosinsky
Mitten im Taumel der auf mich wartenden Seligkeit, unter den Zurüstungen zur
Vermählung - werd' ich durch einen Expressen nach Hof citiert. Ich stellte mich.
Man zeigte mir Briefe, die ich geschrieben haben sollte, voll verrätherischen
Inhalts. Ich erröthete über der Bosheit - man nahm mir den Degen ab, warf mich
ins Gefängnis, alle meine Sinnen waren hinweg.
Schweizer
Und unterdessen - nur weiter! ich rieche den Braten schon.
Kosinsky
Hier lag ich einen Monat lang und wußte nicht, wie mir geschah. Mir bangte für
meine Amalia, die meines Schicksals wegen jede Minute würde einen Tod zu leiden
haben. Endlich erschien der erste Minister des Hofes, wünschte mir zur Entdeckung
meiner Unschuld Glück mit zuckersüßen Worten, liest mir den Brief der Freiheit
vor, gibt mir meinen Degen wieder. Jetzt im Triumphe nach meinem Schloß, in
die Arme meiner Amalia zu fliegen, - sie war verschwunden. In der Mitternacht
sei sie weggebracht worden, wüßte Niemand, wohin? und seitdem mit keinem Aug
mehr gesehen. Hui! schoß mir's auf, wie der Blitz, ich flieg' nach der Stadt,
sondiere am Hof - alle Augen wurzelten auf mir, Niemand wollte Bescheid geben
- endlich entdeck' ich sie durch ein verborgenes Gitter im Palast
- sie warf mir ein Billetchen zu.
Schweizer
Hab' ich's nicht gesagt?
Kosinsky
Hölle, Tod und Teufel! da stand's! man hatte ihr die Wahl gelassen, ob sie mich
lieber sterben sehen, oder die Maitresse des Fürsten werden wollte. Im Kampf
zwischen Ehre und Liebe entschied sie für das Zweite, und (lachend) ich
war gerettet.
Schweizer
Was thatst du da?
Kosinsky
Das stand ich, wie von tausend Donnern getroffen! - Blut!
war mein erster Gedanke, Blut! mein letzter. Schaum auf dem Munde, renn' ich
nach Haus, wähle mir einen dreispitzigen Degen, und damit in aller Jast in des
Ministers Haus, denn nur er - er nur war der höllische Kuppler gewesen. Man
muß mich von der Gasse bemerkt haben, denn wie ich hinauftrete, waren alle Zimmer
verschlossen. Ich suche, ich frage; er sei zum Fürsten gefahren, war die Antwort.
Ich mache mich geraden Wegs dahin, man wollte nichts von mir wissen. Ich gehe
zurück, sprenge die Thüren ein, finde ihn, wollte eben - aber da sprangen fünf
bis sechs Bediente aus dem Hinterhalt und entwanden mir den Degen.
Schweizer
(stampft auf den Boden)
Und er kriegte nichts, und du zogst leer ab?
Kosinsky
Ich ward ergriffen, angeklagt, peinlich processiert, infam - merkt's euch! -
aus besonderer Gnade infam aus den Grenzen gejagt; meine Güter fielen als Präsent
dem Minister zu, meine Amalia bleibt in den Klauen des Tigers, verseufzt und
vertrauert ihr Leben, während daß meine Rache fasten und sich unter das Joch
des Despotismus krümmen muß.
Schweizer (aufstehend,
seinen Degen wetzend)
Das ist Wasser auf unsere Mühle, Hauptmann! Da gibt's was anzuzünden!
Moor (der bisher in heftigen
Bewegungen hin und her gegangen, springt rasch auf, zu den Räubern)
Ich muß sie sehen - Auf! rafft zusammen - du bleibst, Kosinsky - packt eilig
zusammen!
Die Räuber
Wohin, was?
Moor
Wohin? wer fragt wohin? (Heftig zu Schweizern.) Verräther, du willst
mich zurückhalten? Aber bei der Hoffnung des Himmels! -
Schweizer
Verräther ich? - Geh in
die Hölle, ich folge dir!
Moor (fällt ihm um den
Hals)
Bruderherz! du folgst mir - Sie weint, sie vertrauert ihr Leben. Auf! hurtig!
Alle! nach Franken! In acht Tagen müssen wir dort sein. (Sie gehen ab.)
(aus "Die Räuber"
von Friedrich Schiller)
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