Carlos Collado Seidel: "Die Basken"
Ein historisches Porträt
Die
"Beck'sche Reihe"
des Münchner Familienunternehmens ist bekannt für
schmale, doch inhaltlich
tief gehende Einführungsbände in historische und
andere wissenschaftliche
Themen. Auch der Autor Carlos Collado Seidel,
spanischstämmiger Professor für
Neuere Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität
München, hat in dieser
Reihe schon prägnante und informative Werke über den
Spanischen Bürgerkrieg
und Katalonien veröffentlicht.
Die Basken scheinen sich der geradlinig dargelegten Geschichte zu
entziehen. Ihr
Siedlungsgebiet erstreckt sich nach Norden bis nach Frankreich; man
weiß von
Ortsnamen, dass auch in weiteren Teilen Nordspaniens, z.B. im oberen
Ebrotal und
im Weinbaugebiet Rioja, lange Baskisch gesprochen wurde. Doch ihre
Herkunft und
ihre frühe Geschichte verlieren sich im historischen
Rückblick rasch. Kamen
sie aus Nordafrika oder aus dem Kaukasus? Oder sind sie die letzten
Reste der
vorindogermanischen Besiedelung Europas? In ihrer weit verbreiteten
Selbstsicht
waren sie jedenfalls schon vor den Römern auf der iberischen
Halbinsel, kamen
vielleicht sogar mit den spätsteinzeitlichen
Cro-Magnon-Menschen in den Pyrenäenraum.
In jedem Fall machen sie es Historikern und Anthropologen schwer,
eindeutige
Aussagen über ihre frühe Geschichte und Herkunft zu
treffen.
Carlos Collado Seidel macht aus dieser Situation eine Geschichte der
Länder, in
denen Basken wohn(t)en, erläutert die unterschiedliche
Zugehörigkeit ihres
heutigen Siedlungsgebietes zu römischen Provinzen,
westgotischen
Herrschaftsgebieten und mittelalterlichen Königreichen bis hin
zur heutigen
Aufteilung der sieben historischen Provinzen des Baskenlandes auf
Frankreich und
Spanien. Sein Schwerpunkt bleibt jedoch Spanien, wo sich das System der
fueros
herausbildete, ein eigenständiges kodifiziertes Privilegien-
und Rechtssystem,
das den Basken bis ins 19. Jahrhundert einen autonomen Handlungsrahmen
garantierte. Auch dieses System der fueros, das
leider wie auch alle
anderen Begriffe der iberischen Staatstradition nur spanisch, nie
baskisch,
bezeichnet wird, ist bis heute für das Nationalbewusstsein der
Basken
bestimmend.
Erst aus dem 16. Jahrhundert sind längere baskische Texte
überliefert, doch
letztlich blieb das Baskische beiderseits der Pyrenäen lange
Zeit vorwiegend
eine Sprache des Volkes. Weiterhin dominiert aber in Carlos Corrado
Seidels
Darstellung die präzise Beschreibung politischer
Zugehörigkeiten und
wirtschaftlicher Abhängigkeiten. Erst ab dem 19. Jahrhundert
widmet er sich
verstärkt der Kulturgeschichte, z.B. in der Wiedergabe
bemerkenswerter Zitate
des führenden spanischen Philosophen und Schriftstellers
Miguel de Unamuno
(1864-1936), der - obwohl selbst aus dem Baskenland stammend - in der
baskischen
Sprache ein Haupthindernis in der Entwicklung seiner Heimat sah.
Modernisierung
und "Kastilisierung" sollten zu europäischer Kultur
führen; aus der
Ablehnung dieser "modernistischen" Haltungen und dem Gefühl
der Überfremdung
durch die sich verändernde industrielle Gesellschaft
entwickelte sich der bis
heute dauerhaft wirksame baskische Nationalismus.
Lange Seiten sind danach der Zeit des Bürgerkriegs und der
Franco-Diktatur
gewidmet, gegen die sich künstlerische und politische
baskische Opposition
erhob, die teilweise mit der ETA in den Terrorismus abglitt. Auffallend
ist,
dass sich die katholische Kirche in diesem Teil Spaniens in der
Mehrheit
deutlich gegen die faschistische Diktatur stellte.
Interessant, weil höchst aktuell, ist das letzte Kapitel
über die baskische
Gesellschaft, Kultur und Sprache heute. Darin geht der Autor auch der
bewundernswerten Tatsache nach, wie mithilfe eines erfolgreichen
Medien- und
Schulsystems eine Minderheitensprache, die Mitte der 1970er-Jahre nur
noch von
rund einem Fünftel der Bevölkerung der spanischen
baskischen Provinzen
gesprochen wurde, zu einer neuen Blüte geführt wurde
- trotz der fast alltäglichen
Radikalisierung des nationalen Gedankens durch die ETA.
Die beiden Landkarten zu den Dialekten und zur politischen Einteilung
des
Baskenlandes am Ende des Buches sind die einzigen Illustrationen. Sie
füllen
jeweils nur knapp mehr als eine halbe Seite und hätten um
neunzig Grad gedreht
und vergrößert mehr von der Geografie des
Baskenlandes preisgeben können.
"Die Basken" von Carlos Corrado Seidel ist, wie im Untertitel
angekündigt,
ein historisches Porträt, als solches erfolgreich, doch nicht
mehr und
keinesfalls weniger, wobei die politische Geschichte gegenüber
der
Kulturgeschichte dominiert.
(Wolfgang Moser; 11/2010)
Carlos
Collado Seidel: "Die Basken. Ein historisches Porträt"
C.H. Beck, Beck'sche Reihe, 2010. 185 Seiten.
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Carlos
Collado Seidel hat in München und Madrid studiert. Nach
Hochschultätigkeiten in Madrid, Nürnberg, London und
Göttingen lehrt er heute als Privatdozent. Bei C.H. Beck
liegen von ihm vor: "Der spanische Bürgerkrieg. Geschichte
eines europäischen Konflikts" sowie "Kleine Geschichte
Kataloniens":
"Der Spanische Bürgerkrieg. Geschichte eines
europäischen Konflikts"
War Spanien ein militärisches Übungsfeld der
Achsenmächte? Wollte die
Sowjetunion hier ihren ersten Satellitenstaat errichten? War der
Einsatz der
deutschen Legion "Condor" kriegsentscheidend? Handelte es sich um einen
Religionskrieg, oder um einen Krieg gegen den Faschismus? Das
vorliegende Buch führt
in die wichtigsten Aspekte des Krieges ein, schildert die
internationale
Dimension des Konfliktes, erläutert die innerspanischen
Zusammenhänge, den
ideologischen Unterbau und zeigt die für die spanische
Gesellschaft über
Jahrzehnte währenden Folgen des Krieges. (C.H. Beck)
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"Kleine
Geschichte
Kataloniens"
Katalonien mit seinen traumhaften Stränden und
großartigen Weinen lockt alljährlich
viele Tausende an. Darüber hinaus verfügt
Katalonien über einen reichen
Schatz kultureller Zeugnisse von der Antike über die
romanischen Klöster bis
hin zu den Bauten Gaudis und dem neu erbauten Dalí-Museum.
Auch ein Blick in
die große Vergangenheit des Landes lohnt sich. Katalonien mit
seinen weitläufigen
Besitzungen in Südfrankreich, Italien und der
Ägäis beherrschte über viele
Jahrhunderte den westlichen Mittelmeerraum und behauptete sich mit viel
Selbstbewusstsein gegen einen von Madrid aus diktierten Zentralismus.
Der
vorliegende Band zeigt die wechselvolle Geschichte Kataloniens von der
gewaltsamen Vertreibung der Mauren über
Großmachtbestrebungen, den
industriellen Aufschwung im 19. Jahrhundert bis ins 21. Jahrhundert, in
dem sich
Katalonien als autonome Region in Europa mit großer
Anziehungskraft erweist. (C.H.
Beck)
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Weitere Buchtipps:
Elena Martinez Rubio: "Wörterbuch
Baskisch-Deutsch /
Deutsch-Baskisch"
Zielgruppe: Alle am Baskischen Interessierte; Studierende der
Romanistik und der
Allgemeinen und Vergleichenden Sprachwissenschaft.
Mit rund 33.000 Stichwörtern und zahlreichen Redewendungen
umfasst dieses Wörterbuch
den Wortschatz der modernen Alltagssprache und schließt zudem
ein allgemeines
Fachvokabular ein.
Die klare Gliederung der Einträge, zahlreiche
Anwendungsbeispiele sowie
grammatische Hinweise erleichtern den Umgang mit dem
Wörterbuch. Darüber
hinaus bietet eine zweisprachige Kurzgrammatik einen konzisen
Überblick über
die elementaren Wortformen beider Sprachen und dient dem Benutzer als
schnelle
Orientierungshilfe.
Das Wörterbuch im praktischen Taschenbuchformat ist das
umfassendste und
modernste zweisprachige Wörterbuch seiner Art. (Helmut Buske
Verlag)
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Jean-Charles
Beaumont, Ramon Lazkano: "Baskisch (Euskara)
- Wort für Wort"
Euskara - so nennen die Basken ihre Sprache. Im spanischen Teil des
Baskenlandes
ist Baskisch dem Spanischen gleichgestellt, im französischen
Teil hingegen ist
Baskisch Zweitsprache. Egal, in welchen Teil Sie fahren, mit einigen
Worten
Euskara und einem Lächeln werden Sie neue Freunde finden.
(Reise Know-How Verlag Rump)
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"Baskisch,
AusspracheTrainer"
Baskisch schnell sprechen lernen.
Die beliebten Sprachführer aus der Buchreihe "Kauderwelsch"
haben sich auf Reisen millionenfach bewährt. In diesem
Sprachtrainer werden die
wichtigsten baskischen Redewendungen und Wörter aus dem Buch
systematisch zum
Üben vorgesprochen und wiederholt. So lässt sich
Baskisch quasi nebenbei
erlernen. (Reise Know-How Verlag Rump)
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Michael Kasper:
"Baskische Geschichte"
Die Basken, oft als ältestes Volk Europas bezeichnet, haben
eine ganz
eigenständige historische Entwicklung. Michael Kasper legt die
erste
Darstellung der reichen und lebendigen Geschichte in deutscher Sprache
vor.
Beginnend bei der Vor- und Frühgeschichte erhält der
Leser einen knappen, präzisen
Überblick über alle Epochen mit einem deutlichen
Schwerpunkt auf der
Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. In einem neuen,
abschließenden
Kapitel wird die schwierige politische Situation in der Gegenwart
analysiert.
(Wissenschaftliche Buchgesellschaft)
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