Donna Leon: "Tiere und Töne"
Auf Spurensuche in Händels Opern
Die durch ihre "Brunetti"-Krimis
zu Bekanntheit gelangte Donna Leon hat sich mit dem Dirigenten Alan Curtis
zusammengetan. Die Autorin hat einen besonderen Hang zu Händel-Opern, Alan
Curtis bevorzugt Barock-Opern. Somit war das perfekte Projektteam geboren,
dessen Zusammenarbeit sich als kongenial erweist. Die beiden haben dann auch
noch entschieden, einen zweiten Mann an Bord zu holen: Michael Sowa ist für die
Illustrationen des Buches verantwortlich.
Eine Würdigung muss dem gesamten Projekt zuteil werden. Die herrlichen Töne,
lustig-unterhaltsamen Worte und schelmischen Zeichnungen ergeben eine wunderbare
Mischung, die im Grunde für sich selbst spricht. Wer mag, kann also die Texte
lesen, die Illustrationen bewundern und gleichzeitig mit den Arien verschmelzen.
Händel hat in einigen Opern Tiermotive verwendet, denen das vorliegende Projekt
gewidmet ist. Für Donna Leon Anlass genug, in mittelalterlichen Bestiarien zu
stöbern und Plinius den Älteren aus der Vergessenheit zu holen. Die
Meisterschaft der zarten, kurzweiligen Texte beruht darin, dass sie aus der
Sicht gewisser Mutmaßungen, wie sie eben den mittelalterlichen Bestiarien zu Eigen
waren, geschrieben sind. Somit werden die kuriosesten Vorstellungen über Tiere
wieder zum Leben erweckt. Hierbei beweist Donna Leon, dass sie zum Lachen nicht
in den Keller geht.
"Manche Vögel können sprechen. In unseren verweichlichten, politisch
korrekten Zeiten könnten die Lehrer der Papageien durchaus für alle Lehrer
stehen. Widersetzt sich ein Papagei den Bemühungen seines Meisters, raten die
Bestiarien, seinem Lerneifer durch kräftige Hiebe mit dem Rohrstock
nachzuhelfen. Ob so wohl auch der Taktstock entstanden ist?"
Die Bezüge zu den Händel-Opern sind nur marginal, aber ausreichend. Alan
Curtis hat sein Orchester im Griff. Die diversen Tiere werden ausgezeichnet in Töne
gesetzt. Das Herz des Rezensenten hat sich insbesondere für eine Arie erwärmt.
Die Oper "Theodora" stellt eine adelige Christin in den Mittelpunkt,
welche sich weigert, die Götter Roms anzubeten. Sie wird nicht zum Märtyrertod
verurteilt. Hingegen muss sie als Prostituierte für jene Soldaten herhalten,
die sie bewachen. In Theodora entsteht der Wunsch, wie ein Vogel ihrer
schrecklichen Situation zu entfliegen:
"Oh könnt mit Flügeln mich erheben,
geschwinde durch die Lüfte schweben,
der silbern Taube gleich.
Dann fänd ich Friede,
Ruh und Liebe
und Harmonie im Himmelreich."
Jede einzelne Arie zollt den Tieren Tribut, deren Vorzüge und Schwächen Klanggestalt annehmen. Als Gesamtkomposition eignen sich die Arien fast für jede Gemütslage
der potenziellen Hörer.
Michael Sowa hat moderne Interpretationen der Bestiarien gewagt und mag damit
ein Lächeln auf die Lippen der Betrachter zaubern. Tauben mit einem Briefchen
im Schnabel, Bewunderer eines Nachtfalters, ein rücklings den Mond anhimmelndes
Bienenpärchen. Verzückend.
Das Projekt von Autorin, Dirigent und Illustrator ist gelungen. Mehr davon!
(Al Truis-Mus; 11/2010)
Donna Leon:
"Tiere und Töne. Auf Spurensuche in Händels Opern"
Übersetzt von Werner Schmitz.
Diogenes, 2010. 144 Seiten. 1 CD.
Buch
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Ein weiteres Buch der Autorin:
"Auf Treu und Glauben. Commissario
Brunettis neunzehnter Fall"
Ferragosto in Venedig: Commissario Brunetti will mit seiner Familie nach Südtirol
in die Berge fahren. Er ist ferienreif, will unter dem Federbett verschwinden
und Geschichtsbücher lesen. Für einen Moment scheint auch das Verbrechen eine
Auszeit zu nehmen, nur zwei Leute bitten ihn um einen Freundschaftsdienst:
Brusca macht sich Gedanken um unerledigte Gerichtsakten, Vianello um die eigene
Tante. Aus heiterem Himmel ist Zia Anita dabei, das Familienvermögen
durchzubringen. Vianello fürchtet, sie stehe unter dem Einfluss eines gefährlichen
Betrügers. Durch welche Kanäle fließt das Geld? Brunetti will das nach den
Ferien aufklären und sitzt schon im Zug - da gibt es einen Toten.
Ein Mordfall, der den Commissario in brütender Hitze kreuz und quer durch
Venedig führt. Brunetti kämpft gegen Hinterhältigkeit und Scheinheiligkeit,
gegen Durchtriebenheit und Korruption. Donna Leons 19. Fall führt in ein
Venedig der Scharlatane. (Diogenes)
Buch
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