Kristof Magnusson: "Das war ich nicht"
Drei
Menschen, die sich unversehens in abenteuerlicher Abhängigkeit
befinden. Wie konnte es dazu kommen?
Der Münchner Schriftsteller Kristof Magnusson ist nicht nur
ein großartiger Übersetzer (zuletzt das geniale Buch
von Hallgrímur Helgason, "Zehn
Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen"),
sondern auch seine eigenen Bücher mausern sich langsam zu
wirklich großer Literatur. Die Finanzkrise seit 2008 hat in
der Zwischenzeit einige literarische Be- und Verarbeitungen erfahren.
Der vorliegende Roman "Das war ich nicht" ist meines Erachtens der
bisher beste unter diesen.
Er erzählt von drei Menschen, deren Leben durch Zufall in eine
abenteuerliche Abhängigkeit gerät. Da ist
zunächst Meike aus Hamburg. Sie ist Übersetzerin und
wartet sehnsüchtig auf das neue Manuskript eines
us-amerikanischen Autors, dessen Bücher sie seit einiger Zeit
übersetzen darf. Im Vorgriff auf die zu erwartenden Tantiemen
hat sie sich ein Haus im Grünen gekauft. Aber das Manuskript
taucht nicht auf, und sie begibt sich mit ihren letzten
Rücklagen auf die Suche nach ihm.
Der hingegen, Henry La Marck, leidet unter einer
Schreibstörung und hat von dem Roman, den der Verlag schon als
den Schlüsselroman zum 11. September 2001
ankündigt und bewirbt, noch keine einzige Zeile geschrieben
und sich in einem Hotel in Chicago versteckt.
Dort findet Meike "ihren" Autor. Sie begegnet aber auch Jasper
Lüdemann, einem seit einigen Jahren als Bankangestellter in
Chicago arbeitenden Deutschen, Anfang dreißig, der ganz in
seiner langersehnten Tätigkeit im Händlersaal einer
großen Chicagoer Bank aufgeht, nachdem er jahrelang nur im
Hintergrund arbeiten durfte. Er lebt ausschließlich
für seine Arbeit, denn zwischen dreißig und vierzig "muss
man brennen" wie er, ähnlich wie Tausende seiner
Kollegen, sagt.
Die genaue Beschreibung dieser spekulativen Arbeit, die Jasper in den
Ruin zu treiben droht, ist eines der vielen Kunststücke, die
Magnusson in diesem unterhaltsamen Roman gelungen sind. Er
lässt seine drei Figuren abwechselnd in der Ich-Form
erzählen, und alle miteinander erleben sie, wie ihnen ihr
jeweiliges Leben zu entgleiten droht.
Magnusson führt die Drei behutsam zueinander, indem er die
jeweiligen Geschichten immer mehr zu einem Roman verknüpft,
der eine gelungene Mischung zwischen Finanzkrimi, Komödie und
Alltagswelt darstellt.
Nach Meinung des Rezensenten handelt es sich bei "Das war ich nicht"
um eines der besten Bücher des Frühlings 2010.
(Winfried Stanzick; 03/2010)
Kristof
Magnusson: "Das war ich nicht"
Kunstmann, 2010. 285 Seiten.
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Kristof Magnusson, geboren 1976 in Hamburg, machte eine Ausbildung zum Kirchenmusiker, arbeitete in der Obdachlosenhilfe in New York, studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Er lebt als Autor und Übersetzer aus dem Isländischen in Berlin.