Abdalrachman Munif: "Das Spiel von Licht und Schatten"
"Der
Traum eines eigenen Staates"
"Das Spiel von Licht und Schatten" ist nach "Salzstädte" und
"Zeit der Saat" der dritte und abschließende Teil des
Romanzyklus "Mudun al-milh" (dt. "Salzstädte Trilogie").
Der 1933 in Amman geborene Abdalrachman Munif studierte Jura und
Ökonomie, arbeitete für eine Ölfirma in
Syrien und war Chefredakteur einer irakischen Fachzeitschrift, sowie
als Wirtschaftsexperte für die OPEC tätig, bevor er
sich 1981 ganz dem Schreiben widmen konnte. Nach der Beendigung des
Romanzyklus "Mudun al-milh" entzog ihm die saudiarabische Regierung die
Staatsbürgerschaft. Der Autor starb nach vielen Wanderjahren
2004 in Damaskus.
In der fiktiven Stadt Moran, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts,
herrscht Sultan Churaibit. In ruhigem, erhabenem Ton erzählt
Munif von den kriegerischen Eroberungen des Sultans, seinen politischen
und freundschaftlichen Verwicklungen mit den Engländern und
den unerbittlichen Machtkämpfen der unzähligen
Ehefrauen des Sultans in seinem Harem. Sehr präzise gezeichnet
ist auch der eigenartige Umgang Churaibits mit seiner Familie.
"Es war immer dasselbe: Die Forderungen der Mütter
und der Kinder mehrten sich von Mal zu Mal, je nach Anzahl der Kinder,
die an der Montagssitzung teilnahmen. Arfan Hadschras war
bemüht, alles zu notieren, soweit es seine langsame Hand
zuließ. Nachdem er den Stift mit den Lippen befeuchtet hatte,
machte er drei saubere Kopien der Forderungen und legte ein Blatt in
die Akte für seine Majestät, das zweite zur
Information in seine eigene Akte und die dritte Kopie übergab
er Dughaim Sarhud, der sie mit Stempeln und einer Unterschrift versah
und den unvermeidlichen Satz darunterschrieb: Geprüft -
Ausführen."
Während Churaibit unermüdlich Krieg führt um
seinen Staat zu vergrößern, wächst auch die
Zahl seiner Ehefrauen und Kinder. Munif zeichnet sehr eindringliche
Bilder von der differenzierten Art der Erziehung, die der Sultan seinen
verschiedenen Söhnen zukommen lässt. Die permanent
latent vorhandenen Spannungen im Harem, die durch den Wunsch, der
jeweils eigene Sohn möge die meisten Vorzüge des
Sultans erhalten und in seiner Gunst ganz vorne gereiht sein,
entstehen, versucht der Sultan durch brutale und unschöne
Methoden zumindest oberflächlich in den Griff zu bekommen.
Die Wichtigkeit und Vielschichtigkeit der Rollen der verschiedenen
Söhne und anderer Protagonisten, wie z.B. die des
Engländers Hamilton, sind psychologisch sehr fein gezeichnet,
auch wenn der Stoff dieses Romans in schwächeren
Händen leicht zu einem seifenoperähnlichen Drama
á la Orient verkommen hätte können.
Abdalrachman Munifs Kunst ist es aber, die ständig
gärende Gerüchteküche im Harem und die
Schilderungen der Kriegshandlungen und Machtkämpfe des
eigensinnigen Sultans Churaibit so kunstvoll mit der Geschichte seines
Landes zu verknüpfen, dass man bei genauem Lesen sehr rasch
spürt, wie groß das Format dieses Autors ist. Seine
der orientalischen Erzähltradition verpflichtete Sprache, in
der die Nachklänge von "1001
Nacht" noch als dezenter Duft
mitschwingen, ist in ihrer unerbittlichen Ruhe und Zielstrebigkeit
ausschlaggebend für den Sog, den dieses Buch entwickelt.
"Das Spiel von Licht und Schatten" ist ein großes Buch eines
noch viel zu unbekannten Schriftstellers, dessen Werke nicht nur
literarisches Gewicht, sondern auch immense Wichtigkeit für
das Verständnis des Islams und der arabischen Welt haben.
(Roland Freisitzer; 02/2010)
Abdalrachman
Munif: "Das Spiel von Licht und Schatten"
(Originaltitel "Variations on Night and Day")
Aus dem Arabischen von Larissa Bender unter Mitwirkung von Magda
Barakat.
Diederichs Verlag, 2009. 414 Seiten.
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Weitere
Bücher des Autors (Auswahl):
"Am
Rande der Wüste"
Ein Dorf am Rande der Wüste gerät durch eine
außergewöhnliche
Trockenperiode in Bedrängnis. Die Vorräte sind
erschöpft, die Menschen
verzweifelt, haben sich doch ihre Hoffnungen auf den von der Stadt
versprochenen
Damm und damit auf Entwicklung längst zerschlagen. Es bleibt
nur eins: die
Jagd. Obwohl der Tierbestand seit dem Aufkommen moderner Waffen bereits
drastisch reduziert worden ist, fahren die Männer des Dorfes
zur Jagd in die Wüste.
Mehr noch: Sie veranstalten Jagdausflüge mit Gästen
aus der Stadt. Nach langen
Diskussionen erklärt sich der naturverbundene
Außenseiter Assâf, der
erfahrenste und umsichtigste
Jäger der Gegend, bereit, eine Gruppe zu
begleiten. Die Safari endet in einer Katastrophe, bei der
Assâf sein Leben
verliert. (Lenos Verlag)
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"Salzstädte"
Wadi al-Ujun, das Tal der Wasserquellen. Nur der
Regen, die Karawanen und das Gebet bestimmen den Rhythmus der Oase. Bis
eines
Tages Fremde die Stille jäh zerreißen,
US-Amerikaner,
die nur nach einem
trachten: dem Öl
unter dem Wüstensand. Voller
Schrecken erleben die
Dorfbewohner, wie erst die Palmen, dann sie entwurzelt werden.
(Diederichs
Verlag)
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"Zeit
der Saat"
Abdalrachman Munifs "Zeit der Saat" ist die Fortsetzung seines
Erfolgsromans "Salzstädte". Packend beschreibt Munif den
Wandel einer
Beduinengesellschaft angesichts des über Nacht
hereinbrechenden Ölreichtums.
"Zeit der Saat" ist eine bitterböse Kritik an der
urplötzlich zu
Reichtum gelangten, dekadenten und korrupten Gesellschaft eines
arabischen
Sultanats. (Heyne)
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