Ingrid Noll: "Ehrenwort"
Mit
diesem Roman erweist sich
die Schriftstellerin Ingrid Noll erneut als Meisterin des
hintergründigen,
stellenweise schwarzen Humors
In "Ehrenwort" verknüpft Ingrid Noll mehrere Themen
geschickt
miteinander. Da geht es um Korruption in einer öffentlichen
Verwaltung, um die
Pflege
alter Menschen und das Erben, um die Probleme alter Ehen und
die
Schwierigkeiten junger Beziehungen. Unter dem Strich wird die Fassade
einer
normalen Familie
in einer bitterbösen Komödie durchlöchert,
die dem
Rezensenten gut gefallen hat und die er mit Begeisterung schnell zu
Ende gelesen
hat.
Nachdem der neunzigjährige Willy Knobel in seinem Haus, das er
nach dem Tod
seiner Frau Ilse allein bewohnt, gestürzt ist, wollen sein
Sohn Harald, der
sein Leben lang unter seinem Vater gelitten hat, und seine Ehefrau, die
Buchhändlerin
Petra, den Alten möglichst schnell in ein Heim schaffen. Sie
hoffen beide, dass
er bald das Zeitliche segnet und sie so durch den Verkauf des Hauses zu
einer
großen Erbschaft kommen.
Doch der Enkel Max, ein etwas verkrachter Student, der es zum
Medizinstudium
nicht schaffte, wittert, als er den Großvater nach dem Sturz
findet, seine
Chance. Da er seit Langem wegen einer Sache, die hier nicht verraten
sei,
erpresst wird, helfen ihm die finanziellen Zuwendungen des
Großvaters über
vieles hinweg. Wenn er sich noch mehr um ihn kümmert, so sein
Kalkül, springt
noch mehr für ihn heraus.
Er setzt es tatsächlich gegenüber seinen Eltern
durch, dass der Großvater in
das elterliche Haus an der hessischen Bergstraße aufgenommen
wird, und baut die
ohnedies schon gute Beziehung zu seinem Großvater weiter aus.
Diesem geht es
wegen der guten Pflege täglich besser, und schon bald wird
Harald und Petra
klar, dass es mit dem Erben in nächster Zeit nichts werden
wird.
Das bringt sie auf abenteuerliche Gedanken, die der Geschichte neben
anderen
bitterbösen Handlungssträngen ab etwa dem zweiten
Drittel ungeahnten Schwung
verleihen.
Als Max mit der jungen Pflegerin Jenny eine Beziehung beginnt, spitzt
sich die
Situation zu, und bisher im Dunkeln gehaltene Zusammenhänge
tun sich auf ...
"Ehrenwort" ist leichte Lektüre, spannend und erheiternd
zugleich,
mit bitterbösem Humor geschrieben, mit einer zwischen den
Zeilen immer wieder
durchscheinenden Liebe und Achtung vor dem Alter.
Übrigens hat Ingrid Noll ihre Mutter bis zum Alter von 106
Jahren selbst
gepflegt. Diese wichtige Lebenserfahrung ist an vielen Stellen in ihr
Buch
eingeflossen.
(Winfried Stanzick; 08/2010)
Ingrid
Noll: "Ehrenwort"
Diogenes, 2010. 333 Seiten.
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Hörbuch:
Diogenes, 2010. Gelesen von Peter Fricke.
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Ein
Buchtipp:
Marlis Pörtner: "Alte Bäume wachsen noch. Neue
Erfahrungen in späten
Lebensjahren"
Muss man sich im Alter alles gefallen lassen?
Die positiven Seiten des Alters realisieren und für sich
nutzen.
Auch im Alter ein selbstbestimmtes Leben führen.
Das eigene Altern aus der Sicht einer erfolgreichen Psychologin.
Die Psychologin Marlis Pörtner war zum Zeitpunkt des
Erscheinens ihres Buches
76 Jahre alt. Eines Tages merkt sie: Ich bin alt. Zuerst sind es
scheinbar
belanglose Kleinigkeiten, dann wird es ihr immer stärker
bewusst: Nun gehöre
ich auch dazu. Was ändert sich für sie im Alter, und
wie geht sie damit um?
Sie erzählt, dass sie manchmal unduldsam und
dünnhäutig wird, andererseits
neue Energien in sich spürt und neue Perspektiven entdeckt.
Ein realistischer
Blick auf die Schatten, aber auch die bereichernden Aspekte
des Alters. (Klett-Cotta)
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