José Saramago: "Die Reise des Elefanten"
Ein Elefant in den Alpen
Eine wahre Geschichte, vom Autor gehört in Innsbruck, war
José Saramagos
Inspiration zu diesem Roman, dessen deutsche Übersetzung nur
ein paar Tage nach dem Tod des portugiesischen Nobelpreisträgers am 18. Juni 2010
erschien.
Auf der Suche nach einem passenden und würdigen
Hochzeitsgeschenk für den Erzherzog Maximilian von Österreich hat Königin
Katharina von Kastilien die Idee, man könne ihm doch den hauseigenen Elefanten samt
dazugehörigem Mahut
schenken.
Sofort beginnen die Vorbereitungen für die Reise von Lissabon
nach Valladolid, wo der österreichische Erzherzog den Transport selbst in die
Hand nehmen wird. Nach einer kurzen Organisationsphase setzt sich der Konvoi zu
früher Stunde in Bewegung.
"Die frühe Morgenstunde und die Diskretion, mit der
die Abreise organisiert worden war, erklärt das Ausbleiben von
Schaulustigen oder
Augenzeugen, ausgenommen eine höfische Kutsche, die sich in
Richtung Lissabon
in Gang setzte, als Elefant und Gefolgschaft hinter der ersten
Wegbiegung verschwanden."
Stilistisch brillant, in "typischer" Manier des Autors, nimmt
Saramagos Prosa langsam aber sicher Fahrt auf, um den Leser bis zum
Ende nicht mehr loszulassen. Lange Sätze, mit innerhalb des Satzes
wechselnden Erzählern,
auch ganze Dialoge, innerhalb eines Satzes, nur durch Beistriche
getrennt, sowie immer wieder abschweifende Gedanken, Ideen und philosophische
Einschübe sind kennzeichnend für die Prosa von José Saramago.
Was "Die Reise des Elefanten" so von den anderen Romanen
José Saramagos unterscheidet, ist die durchgehend heitere Grundstimmung,
eine augenzwinkernd schelmische Erzähllinie, die sich, wenn gerade
angesagt, auch in die Gehirnwindungen des Elefanten hineinversetzen will, oder die
Fähigkeiten des Elefanten Solimans auch in Frage stellt.
Bald ist klar, dass der Hauptprotagonist dieses Romans der naive Mahut
Subhro ist, der vom österreichischen Kronprinzen sofort auf Fritz
umgetauft wird.
"Da sprach der Erzherzog Maximilian, Dein Name ist schwer
auszusprechen, Das hat man mir bereits gesagt, mein Gebieter, Ich bin mir sicher,
niemand in Wien wird ihn verstehen, Das wird nur mir zum Schaden gereichen, mein
Gebieter, Aber für diesen Schaden gibt es Abhilfe, du wirst von nun an
Fritz heißen, Fritz, wiederholte Subhro mit schmerzerfüllter Stimme, Ja, der
Name ist leicht zu merken, außerdem gibt es bereits eine Vielzahl von Fritzen
in Österreich, und du wirst ein weiterer sein, indes der einzige mit einem Elefanten
..."
Dass auch Soliman auf Salomon umgetauft wird, versteht sich quasi von
selbst.
Sehr schön zeichnet José Saramago die Figuren, den
windigen, naiv schlauen und herzensguten Subhro, alias Fritz, und seine Beziehungen zum
portugiesischen Kommandanten, sowie später auch zum österreichischen
Erzherzog.
Nachdem Fritz und Salomon in Padua von einem Padre zum kleinen, im
Dienste der Gläubigen begangenen Betrug gezwungen werden, stürzt
sich Fritz (oder Subhro)
in den Handel mit Elefantenhaaren.
"Und was erwarten Hochwürden von mir, Dass du den
Elefanten ans Portal der Basilika bringst und ihn dort niederknien lässt, Ich
weiß nicht, ob ich das kann, Versuche es, Stellen sich Hochwürden nur einmal vor,
dass ich den Elefanten dorthin bringe und er sich weigert, niederzuknien, ich
verstehe zwar nicht viel von diesen Dingen, nehme aber an, es ist schlimmer, wenn das
Wunder
missglückt, als wenn es sich gar nicht erst ereignet. Es wird
niemals scheitern, wenn es Zeugen dafür gibt ..."
Als der Erzherzog das erfährt, kühlt sein Wohlwollen
dem kleinen Inder gegenüber deutlich ab. Ein Wohlwollen, das sich Fritz am Ende aber wieder
erkämpft.
Feine, kleine, ironische Seitenhiebe auf die katholische Kirche, eine
blühende Zeichnung der Stärken und Schwächen der Menschen und
eine lebendige, literarische ganz eigenwillige Beschreibung einer Reise eines Elefanten
mit seinem Gefolge, die von
Portugal nach Spanien, dann auf dem Seeweg nach Italien
und von dort mit einer Alpenüberquerung mit sehr viel Schnee
über Südtirol, Innsbruck, Linz, Amstetten und Melk nach
Wien führt.
Ein ruhiges, ernstes und im besten Sinne des Wortes warmes Buch, ein
mehr als würdiger letzter Roman eines ganz großen Schriftstellers.
(Roland Freisitzer; 07/2010)
José
Saramago: "Die Reise des Elefanten"
(Originaltitel "A viagem do elefante")
Aus dem Portugiesischen von Marianne Gareis.
Hoffmann und Campe, 2010. 236 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
Hörbuchausgabe:
Hoffmann und Campe, 2010.
Hörbuch
bei amazon.de bestellen
Taschenbuchausgabe:
btb, 2012.
Buch bei amazon.de bestellen
Ein weiteres Buch des Autors:
"Das Memorial"
1711 verspricht König João V. von Portugal als Dank für sein erstes Kind
die Erbauung eines Klosters in Mafra. Aus dem ganzen Land werden Arbeiter
herangeschafft, und es beginnen Jahre einer apokalyptischen
Schreckenszeit. Mit epischer Wortgewalt erzählt Saramago über den Prunk
der Mächtigen, die Gräuel der Inquisition und den Aberglauben des Volkes.
Das Monument seiner Macht, so König Joãos Streben, soll an Pracht und
Größe den spanischen Escorial übertreffen. Dreizehn Jahre dauert die
Errichtung des Klosters, die ein Baumeister aus Regensburg begleitet,
unzählige Arbeiter schinden sich dabei jämmerlich zu Tode. Saramago stellt
den Wahnsinn dieses vermessenen Projekts dem Elend des gequälten Volkes
gegenüber, das Trost in Magie und messianischen Erwartungen sucht. In
opulenten Bildern lässt Saramago die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts in
Portugal in all seinen Facetten auferstehen. (Hoffmann und Campe)
Buch
bei amazon.de bestellen