Frans de Waal: "Das Prinzip Empathie"
Was wir von der Natur für eine bessere Gesellschaft lernen können
Empathie
ist heutzutage in vielen
Dienstleistungsberufen von höchster Bedeutung, und deswegen
ist auch Schulung in diesem Bereich mittlerweile weit verbreitet, denn durch
zusätzliche Empathie
kann man anscheinend in vielen Bereichen erfolgreicher werden. Diese
Kurse setzen dabei voraus, dass Empathie generell erlernbar ist, und viele
gehen davon aus, dass sie stark an die Kognition gekoppelt ist, weswegen wir sie
bei den meisten Tieren auch nicht finden.
Frans de Waal, der sich bereits seit Jahrzehnten mit
Verhaltensforschung und dabei besonders mit den biologischen Quellen der Ethik und Moral
beschäftigt, zeichnet in diesem Buch die Diskussion zum Thema der tierischen
Empathie bei verschiedenen Arten nach, wobei aufgrund seiner Forschungsschwerpunkte
natürlich die Affen im Vordergrund stehen. Er geht dabei fest davon aus, dass
viele verschiedene Arten in der Ordnung der Säugetiere und der
Vögel Empathie besitzen und deren Ausprägungen nur unter der
Berücksichtigung artspezifischer
Unterschiede und Wahrnehmungen nachzuvollziehen sind.
Mit viel Akribie und vielen Bezügen auf verschiedene
Forschungsarbeiten und die
historische Entwicklung des Diskurses breitet er sein Argument von der
grundsätzlich
naturgegebenen Grundlage der Empathie aus und weist sie selbst ziemlich
überzeugend
bei Menschenaffen, Tieraffen, Elefanten, Hunden, Katzen,
Mäusen und Rabenvögeln
nach - um nur ein paar Beispiele zu nennen. Von diesen Betrachtungen
ausgehend wendet er sich dabei immer wieder dem Menschen und seinen Eigenarten
zu, die ihn als empathisches Wesen hervorstechen lassen, ihn jedoch auch besonders
gefährlich machen, wenn einige Ideen über ihn zu simplizistisch sind oder
einfach grundlegend falsch verstanden werden. Dabei geraten der Krieg und
besonders auch die europäische und us-amerikanische Wirtschafts- und
Sozialphilosophie in das Visier seiner kritischen Betrachtung.
"Empathiekranke" Menschen, die de Waal als Psychopathen bezeichnet,
auch wenn das beschriebene Krankheitsbild eher auf die alte Definition
des Soziopathen passt, gelten ihm als Ausweis für die
grundsätzliche "Eingeborenheit"
der Empathie, deren Fehlen bei diesen Menschen zu
fürchterlichen Ergebnissen führen kann.
De Waal bietet einen sehr breit gefächerten Ansatz
über Biologie, Psychologie, Ökonomie, Philosophie und Geschichte, mit dem der Autor, der
seine Schimpansen als Mann und Frau darstellt, statt als Männchen und Weibchen,
seine grundlegende These überzeugend stützt und die Gegner
dieser These oft ad absurdum führt. Außerdem erfährt man
einiges über die Probleme von Intelligenzforschung bei Schimpansen, Elefanten und Walen, das sehr
erhellend ist, und ein ausgiebiger Endnotenapparat zusammen mit einer
umfänglichen kapitelbezogenen Literaturliste rundet das Werk hervorragend ab.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 02/2011)
Frans
de Waal: "Das Prinzip Empathie. Was wir von der Natur für eine bessere Gesellschaft lernen
können"
Übersetzt von Hainer Kober.
Hanser, 2011. 352 Seiten mit Zeichnungen des Autors.
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Ein weiteres Buch des Autors:
"Der Mensch, der Bonobo und die Zehn Gebote. Moral ist älter als Religion"
Woher kommt die Moral? Wie hilft sie uns dabei,
richtig zu handeln? De Waal beantwortet Fragen rund um Moral und Humanismus mit
Blick auf Primaten und andere Tiere, die uns erstaunlich nahestehen: Im
gottlosen Universum beobachtet er, wie Menschenaffen gerecht, kooperativ und
empathisch handeln. Der weltbekannte Primatenforscher Frans de Waal nimmt uns
mit auf eine erfrischende, philosophische Reise, bei der die lange Tradition des
Humanismus ebenso zu Wort kommt wie das Sozialverhalten im Tierreich. Er
untersucht, welche Konsequenzen seine Forschungen für unser Verständnis von
moderner Religion haben. Ganz gleich, welchen Einfluss die Religion auf den
Moralkodex des Menschen genommen hat, sie ist nicht die Urheberin unserer
Moralität. Der Autor fordert die Leser auf, sich konstruktiv mit Fragen wie
diesen auseinanderzusetzen: Welche Rolle spielt die Religion heutzutage in einer
gut funktionierenden Gesellschaft? Wo können Gläubige und Nichtgläubige
Inspiration für eine gute Lebensführung finden? (Klett-Cotta)
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