Peter Henisch: "Großes Finale für Novak"
"Da
lag er dann also, Franz Novak, schicksalsergeben. Und ließ
sich von hohen Musikwogen überfluten."
(Aus dem Roman)
Die Oper und der bezaubernde Reiz ihrer Arien und handelnden Personen
haben im Jahr 2011 mehrere Schriftsteller zu bemerkenswerten Romanen
inspiriert. So hat etwa Wolfgang Herles in seinem kleinen Roman "Die
Dirigentin" einen von der Bundeskanzlerin geschassten Staatsminister
porträtiert, der sein Herz für die Welt der Oper
entdeckt, und dabei so ganz nebenbei das Verhältnis von Macht
und Kultur beschrieben.
Lea Singer hat mit ihrem Roman "Der
Opernheld" eine Hommage an die Oper verfasst, speziell die
italienische Oper, zum Andern aber eine eindrückliche
Beschreibung der Geschichte eines Mannes im besten Alter geliefert, der
die Realität mit der Opernwelt verwechselt und dabei in
Teufels Küche kommt.
Des Teufels Küche ist die geschlossene Station einer
italienischen Psychiatrie in Rom, in die der Mann eingeliefert worden
ist, nachdem während einer seiner zahlreichen Verwechselungen,
die dann in dem Buch weiter geschildert werden, im psychotischen
Bewusstsein, eine Opernfigur zu retten, einen Menschen mit einem
Korkenzieher in dessen Kehlkopf stach und ihn dabei tödlich
verletzte.
Auch den Österreicher Peter Henisch, der mit seinen
Büchern "Eine sehr kleine Frau" und "Der
verirrte Messias" in die Riege der Lieblingsautoren des
Rezensenten aufstieg, hat sich von der Oper faszinieren lassen und
erzählt in seinem Roman "Großes Finale für
Novak" eine stellenweise groteske, andererseits aber sehr liebenswerte
Geschichte eines Mannes, der seine besten Jahre vorüber glaubt
und doch, für ihn überraschend, plötzlich
die Welt der großen Gefühle kennenlernt,
natürlich vermittelt über die Musik der Oper.
Novak wohnt seit mehr als fünfundzwanzig Jahren mit seiner
Frau Herta in einem ausgebauten ehemaligen Schrebergartenhaus. In der
letzten Zeit ist ihm das trist und fad gewordene Leben doch schwer auf
das Gemüt geschlagen. Einzig seine Stellung als Postbeamter,
die er mit großer Gewissenhaftigkeit ausfüllt, hilft
ihm über die Tage. Dann muss er eines Tages ins Krankenhaus.
Ihm werden Gallensteine
entfernt, und er überlegt während seines Aufenthaltes
auch, wie er, nun 55 Jahre alt, die Zeit bis zur Pension herumbekommt.
Gestört wird er dabei immer wieder von seinem Zimmerkollegen
Kratky, der Nacht für Nacht in einer Lautstärke
schnarcht, die Novak den Schlaf raubt. Eine indonesische
Krankenschwester mit dem Namen Manuela hilft ihm aus dieser Not, indem
sie ihm ihren tragbaren Kassettenspieler leiht mit einer Auswahl von
Kassetten, die sie für sich aufgenommen hat.
Voller wunderbarer Arien aus verschiedenen Opern sind diese Kassetten,
die Novak nun auch tagsüber mit wachsender Begeisterung, von
der Musik regelrecht verzaubert, anhört. Die Musik und die
Arien, deren emotionalen Inhalt er mehr und mehr versteht mit seinem
Herzen, verändern ihn nachhaltig.
Deutlich wird das, als er, aus dem Krankenhaus entlassen, nicht wieder
in sein altes Leben zurückfindet. Er, der doch jetzt die Macht
der Gefühle entdeckt und sie auch gespürt hat, kommt
mit seiner Frau nicht mehr zurecht. Als ihn die Post zudem in
den vorgezogenen Ruhestand schickt, ist seine Krise perfekt.
Doch er hört Opern, schützt sich vor dem
Lärm seiner Umgebung, den Worten seiner keifenden Frau, die
hinter dem neuen "Laster" ihres Mannes eine Frau vermutet. Womit sie
gar nicht so unrecht hat, denn Novak hat sich auf seine Weise
in Manuela, die ihn mit der Musik in die Welt der Gefühle
entführte, verliebt.
Novak will sie wiedersehen, versucht alles, doch sie ist wie vom
Erdboden verschwunden. Denn seine Frau Herta war indessen nicht
untätig und hat mit der ganzen Kraft ihres negativen
Charakters Erkundigungen eingeholt und Fakten geschaffen. Als Novak die
Wahrheit herausbekommt, ist die Zeit für sein großes
Finale gekommen ...
Fazit:
Ein leiser, komischer Roman, voller Ironie und Leidenschaft.
(Winfried Stanzick; 09/2011)
Peter Henisch: "Großes Finale für Novak"
Residenz Verlag, 2011. 304 Seiten.
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Ein weiteres Buch des Autors:
Peter Henisch: "Vom Wunsch, Indianer
zu werden. Wie Franz Kafka Karl May traf und trotzdem nicht in Amerika
landete"
Karl May trifft Franz Kafka auf einem Schiff
nach Amerika. Wahr? Besser kann man es nicht erfinden ...
Im Kopf war Karl May ja schon oft in Amerika. Aber erst im September 1908, da
ist er 66, macht er sich wirklich auf, um sich in Bremerhaven nach New York
einzuschiffen, gemeinsam mit seiner zweiten Frau Klara. Und wie es der Zufall
will, trifft er auf dem Schiff ausgerechnet
Franz Kafka, einen jungen Mann, der
sehr schmal und sehr blass an der Reling steht. Will er sich, Gott behüte, ins
Meer stürzen? Und wer, wenn nicht Karl May und die viel jüngere Dame an seiner
Seite, soll ihn davor retten, für die Literatur und das Leben? Das ist der
Stoff, aus dem gute Geschichten sind, und manchmal sind das eben
Dreiecksgeschichten.
Peter Henischs Buch ist ein amüsantes Fantasiestück, ein raffiniertes
Kammerspiel zwischen Realität und Fiktion. Mit leichter Hand und viel
Fingerspitzengefühl bringt er Dinge zusammen, die wir in unserer Schulweisheit
gerne trennen: Karl May und Franz Kafka, U und E, Lebenslüge und Lebensangst.
Wen wundert es, dass da die Funken sprühen! (Residenz Verlag)
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Noch ein Buchtipp:
Wolfgang Herles: "Die Dirigentin"
Staatsminister Stein ist von seiner Parteichefin, der Bundeskanzlerin
Christina Böckler, abserviert worden. Nun lebt er seine
Leidenschaft für klassische Musik aus. Als er die Dirigentin
Maria Bensson kennenlernt, beginnt er, ihr nachzureisen. Ist ihre Macht
über die Musik das schöne Gegenbild zur kalten Macht
der Kanzlerin?
In Berlin erlebt Stein die Produktion von Wagners "Rheingold", einer
Oper über den Missbrauch von Macht. Als sich eine Intrige
entspinnt, deren Opfer Maria zu werden droht, verschafft er ihr die
Bekanntschaft der Kanzlerin. Aber statt ihm dankbar zu sein,
verbündet sich die Dirigentin mit der Politikerin. Steins
Schicksal ist besiegelt. (S. Fischer)
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