Rafik Schami: "Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte"
Rafik
Schami ist ein Geschichtenerzähler, der bereits seit einigen Jahrzehnten
seine deutschsprachige und internationale Leserschaft mit seinen Werken aus deutschen und
damaszenischen Einflüssen erfreut. Sein Werk wird mittlerweile
in 24 Sprachen übersetzt, und seine Hörbücher waren bereits
begehrte Kaufobjekte, als man so etwas noch auf Kassetten kaufte. Seine Lesungen, von denen ich auch
schon einmal eine genießen durfte, sind in der Regel gut besucht und immer
wieder eine Freude.
In dem vorliegenden Bändchen berichtet
Rafik Schami, wie er zu einem Erzähler geworden ist. Ausgehend von der Frage,
wie viele Lesungen er bereits gehalten habe - ein Bereich seines Lebens, den er vor Jahren
in "Die sieben Doppelgänger" ausgiebig behandelt hat, kommt er zu
der Frage, wie er eigentlich ein Erzähler geworden ist und was
einen guten Erzähler überhaupt ausmachen würde.
In der Titelgeschichte erzählt er von seinem
Großvater und dem Verhältnis,
das der spätere Schreiber und der Erzähler aus Malula
zueinander hatten - und
die Geschichte eben, wie eine Frau ihren Mann auf dem Flohmarkt
verkaufte und dies dafür sorgte, dass die Familie Schami eines der ersten
Radios im Viertel bekam, was später zu einer über zweijährigen
Geschichtenwahrnehmung zusammen mit Rafik Schamis Mutter führen sollte, als der syrische
Rundfunk die Geschichten von 1001 Nacht in Einzeleinstellungen übertrug und
Mutter und Sohn diese gemeinschaftlich hörten. In diesem Zusammenhang
erfährt man auch Einiges über die Übersetzungsgeschichte, die Zensurgeschichte
und die Poe'sche Erweiterung dieser Geschichtensammlung.
Im Weiteren geht es dann um Papierschwalben und die
Übertragung der globalen
Geografie auf das eigene direkte Umfeld sowie um die "Murmeln meiner
Kindheit", die Rafik Schami bereits vor etlichen Jahren in einem
anderen Zusammenhang ausgiebig besungen hat, was aber immer noch nett zu lesen
ist. Hierbei sind die Kindheit auf der Straße und das Spielen allgemein
sehr wichtige Themen, was in der zunehmenden Wohnungsbezogenheit des Spielens, auch in
Syrien, ein wenig archaisch erscheinen mag, aber durchaus für Kinder
wertvolle Lerneffekte haben kann.
In einer etwas längeren Betrachtung setzt sich der Autor dann
mit dem europäischen
und arabischen Märchen und seiner Bedeutung für
Erwachsene und für Kinder
auseinander, was gleichfalls sehr interessant ist, bevor er sich den
Sprichwörtern zuwendet, die gerade im arabischen Raum oft mit sehr einfallsreichen
Geschichten verbunden sind. In diesem Abschnitt bietet Rafik Schami auch wieder ein
paar sehr nette Beispiele.
In der Folge geht es um Erzählerwettstreite in Damaskus und im
Anschluss um die Verschriftlichung einer inszenierten Rede zur Mündlichkeit,
die über zwei Tage zum Antritt einer "Brüder-Grimm-Professur" an der
Universität Kassel im Mai 2010 gehalten wurde. Darin versucht der Autor zusammen mit
seinen Begleitern Don Quijote, Sancho Panza und Ibn Aristo einen Rundumschlag
zur Bedeutung der Schriftlichkeit und Mündlichkeit, zu Problemen
der Übersetzung und zu Erzählungen überhaupt. Zum Abschluss gibt es
dann noch eine nette kleine Geschichte zu dem zuvor schon erwähnten
Großvater.
Fazit:
Wie immer sehr ausschweifend erzählt, was auf so wenigen
Seiten schon eine interessante Leistung darstellt, und mit netten Endnoten für
den neugierigen Leser. Ein schönes Geschenk für Freundinnen und
Freunde von Schamis Werk und für diejenigen, die Erzählungen überhaupt mögen.
(K.-G. Beck-Ewerhardy)
Rafik
Schami: "Die Frau, die ihren Mann
auf dem Flohmarkt verkaufte"
Gebundene Ausgabe:
Hanser, 2011. 169 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
dtv, 2012.
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Ein weiteres Buch des Autors:
"Sophia oder der Anfang aller Geschichten"
Ein Mord in Damaskus und eine Liebe, die Leben retten kann. Rafik Schami
erzählt von der Macht der Liebe.
Als Mädchen war Sophia heftig in Karim verliebt, dennoch heiratete sie einen
reichen Goldschmied. Als Karim jedoch unschuldig unter Mordverdacht geriet,
rettete sie ihm das Leben. Wann immer sie ihn brauche, verspricht er, wird er
ihr helfen, auch unter Lebensgefahr. Viele Jahre später kehrt Sophias einziger
Sohn Salman aus dem Exil in Italien nach Damaskus zurück. Plötzlich entdeckt er
sein Fahndungsfoto in der Zeitung und muss untertauchen. Jetzt erinnert sich
Sophia an das Versprechen Karims, der im Alter eine neue Liebe gefunden hat. In
diesem Roman erzählt Rafik Schami von der Macht der Liebe, die Mut und
Tapferkeit gibt, die verjüngt und die Leben retten kann. (Hanser)
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