Michal Hvorecky: "Tod auf der Donau"
Eine
verrückte Reise auf der "MS America"
Im Prolog dieses Romans von Michal Hvorecky erleben wir Martin Roy bei
seiner Aufnahmeprüfung als Reiseleiter bzw. gar als Direktor
an Bord der "MS America", im Dienste der Firma "American Danube
Cruises". Gleich von Anfang an ist klar, die us-amerikanische
Firmenleitung in Chicago zahlt und bekommt dafür fast echt
aussehendes Lächeln und vermeintlichen Kompletteinsatz.
Wirklicher Einsatz für die Firma ist eine Utopie.
Das Personal an Bord der "MS America" besteht hauptsächlich
aus Rumänen und Ungarn und eben Martin, einem slowakischer
Übersetzer, der diese Arbeit gesucht hat, da er sich als
literarischer Übersetzer in Bratislava keine wirkliche
Lebensgrundlage schaffen konnte, und weil er aus einem zuerst noch
unklaren Grund aus seiner Heimatstadt fliehen wollte.
Seine Arbeit ist von älteren US-Amerikanern und
US-Amerikanerinnen abhängig, die diese Reise besonders
überteuert gebucht haben, die er bereits am Flughafen abholen
und denen er fast eine Rundumbetreuung zukommen lassen muss.
US-Amerikaner und US-Amerikanerinnen, die von Michal Hvorecky
durchgehend übertrieben klischeehaft und zynisch gezeichnet
werden, so sehr, dass es eigentlich nicht mehr als Karikatur
funktioniert. Ich möchte fast behaupten, dass der Autor kein
einziges Klischee über US-Amerikaner ausgelassen oder nicht
berücksichtigt hat ...
Mit falschem Lächeln lobt er die allesamt dümmlichen
US-Amerikaner, die die Bauwerke von Regensburg mit der Innenstadt von
Frankfort/Kentucky vergleichen, die Mozart
nicht kennen und der Meinung
sind, dass die Konzentrationslager von den Kommunisten errichtet worden
sind. Dafür erhofft er sich am Ende eine positive Beurteilung
der Gäste, die für seine weitere Tätigkeit
an Bord ungemein wichtig ist.
Gleich von Anfang an wird man mit Wissen über die Schifffahrt
auf der Donau und
über
die Donau gut bedient, so dass man sich am Ende zumindest
einiges an neuem Wissen angeeignet hat. Allerdings fügen sich
diese Abschnitte nicht ganz in die doch leider etwas seichte Handlung.
Während die Vorgängerromane "City" und "Eskorta"
auf unterschiedliche Art und Weise wunderbar absurd-verrückt
waren, ist "Tod auf der Donau" offensichtlich leider der Versuch, ein
etwas "verträglicheres" Buch zu schreiben.
Martin Roy lässt Beschimpfungen und
Annäherungsversuche der verschiedenen Gäste stoisch
über sich ergehen, wird erst unsicher, als seine ehemalige
Freundin mit einer abstrusen Geschichte im Gepäck und einem
Aktenkoffer voll Geld
plötzlich an Bord auftaucht und sich in
seiner Kabine breit macht.
Als dann noch ein paar Morde an Bord passieren, wird die
Erzählung etwas unglaubwürdig, aber eben nicht
unglaubwürdig genug um, wie z.B. in "Eskorta", trotzdem zu
überzeugen. Der Spannungsaufbau ist löchrig und die
Aufklärung der Morde am Ende nicht allzu einleuchtend. Da
bleibt leider der Eindruck einer zu konstruierten Sache zurück.
"Tod auf der Donau" ist natürlich, abseits der Krimihandlung,
auch als Gesellschaftssatire zu verstehen. Der materielle und
persönliche Ausverkauf der Länder aus dem ehemaligen
Osten steht im Vordergrund, sowie die immer stärker
auftretende kulturelle Dekadenz und eine Satire auf us-amerikanische
Touristen. Oder gar auf
US-Amerikaner?
Am Ende bleiben hauptsächlich die Erinnerungen an das durch
die Lektüre von "Tod auf der Donau" neu erworbene Wissen
über diverse Donaustädte, die Donauschifffahrt und
die geschichtlichen Ereignisse, die Michael Hvorecky sehr genau
recherchiert hat.
Fazit:
Leider nicht ganz überzeugend, obschon sehr gut lesbar,
geschichtlich und geografisch interessant, wenn auch als
Erzählung doch nicht wirklich fesselnd.
(Roland Freisitzer; 03/2012)
Michal
Hvorecky: "Tod auf der Donau"
(Originaltitel "Dunai v Americe")
Aus dem Slowakischen von
Michael Stavarič.
Tropen bei
Klett-Cotta, 2012. 271 Seiten.
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