Joanne K. Rowling: "Ein plötzlicher Todesfall"
Ein Roman, der unterhält, auch
zum Nachdenken über die menschliche Natur anregt, und der beweist, dass die
Autorin nicht nur über Zauberinternate schreiben kann.
Pagford ist eine Kleinstadt in England, die bemüht ist, sich von ihrer größeren
Nachbarschaft abzugrenzen. Ein Sozialwohnungsgebiet (Fields) wurde bis über die
Stadtgrenze getrieben, was die Schulpopulation ein wenig verändert hat, und
außerdem gibt es auch noch eine Entzugsklinik, die vielen Leuten ein Dorn im
Auge ist.
Gemeinderatsmitglied Barry Fairbrother ist bemüht, Vorurteile in der Gemeinde zu
beseitigen und ein besseres Zusammenleben zu ermöglichen. Der selbst aus dem
sozialen Wohnungsbau stammende Fairbrother möchte auch anderen Menschen
Möglichkeiten geben, aufzusteigen und bemüht sich, dies als Rudertrainer der
Pagforder Schule durchzusetzen. Dafür macht er unter Anderem die junge Krystal,
Tochter einer Drogensüchtigen, die auf die Klinik angewiesen ist, die Andere
schließen wollen, zu einem seiner persönlichen Hilfeprojekte; sehr zum Leidwesen
seiner Frau. Und zum Leidwesen seiner Widersacher im Gemeinderat.
Glücklicherweise hat er aber mit dem jungen Gavin und Dr. Parminder Jawanda zwei
gläubige Mitstreiter.
Doch dann schlägt das Schicksal in der Form eines Aneurysmas zu und lässt den
Pagforder Gutmenschen tot vor dem Golfklub zusammenbrechen. Plötzlich ist der
Gemeinderat ein offenes Schussfeld, und die weniger sozial eingestellten Kräfte
beginnen ihre Kampagne gegen die Klinik und Fields zu intensivieren, und einige
neue Interessenten beginnen in die Ratsarbeit einzusteigen. Gavin und Parminder
sind zunächst nicht in der Lage, die Arbeit ihres Idols erfolgreich
fortzusetzen. Aber auch andere Personen, wie etwa die junge Krystal, spüren das
Fehlen der guten Seele von Pagford immer deutlicher und begeben sich in eine
Abwärtsspirale.
In ständig wechselnden Perspektiven beschreibt J.K. Rowling das Leben in einer
Kleinstadt und die Eifersüchteleien, Eigentümeleien und Egoismen der Menschen in
einer derartigen Stadt, wobei allerdings vorwiegend positive, starke Charaktere
sehr dünn gesät sind. Tatsächlich bewegen eher rach- und eigensüchtige Aktionen
verschiedener Stadtoberer und solcher, die welche sein wollen, eine Menge Dinge,
nachdem Barry nicht mehr da ist, und auch die Kinder der Beteiligten greifen
immer wieder massiv mit erstaunlichen Aktionen in das Geschehen ein.
Mit einer immer wieder überraschenden und auch amüsanten Sprache, auch durch die
Namensgebungen unterstützt, erzählt die Autorin vom Leben und Sterben in der
Kleinstadt, von den Gefahren der modernen Telekommunikation in solchen Leben,
von sozialem Elend und dem Angst vor dem Abstieg,
Ängsten und Eigensüchteleien
von Menschen, die bei aller Sozialrhetorik erst einmal ihren eigenen Vorteil im
Auge haben, und von den Gefahren, in einer Gemeinderatssitzung die Wahrheit zu
sagen - dies allerdings in einer für den Zuhörer/Leser überaus befriedigenden
Art und Weise.
Es wird wohl nicht zu vermeiden sein, diesen ersten "Roman für Erwachsene" der
Autorin mit der "Potter"-Reihe in Beziehung zu setzen. Dies gelingt zum Beispiel
bei den mehr oder minder sprechenden Namen vieler Charaktere, die man ja auch
bei "Potter" finden kann. Zudem geht die Autorin bei der Darstellung und
Entwicklung von verstörenden Szenen weiter, als man das eigentlich bei dieser
Art von Buch erwarten würde, wie sie dies in anderer Weise auch schon in den "Potter"-Romanen
gemacht hat.
"Ein plötzlicher Todesfall" zeigt, wie wichtig eine einzige Lichtgestalt für ein
kleines eher egoistisch aufgestelltes Gemeinwesen sein kann, und wie schwierig
es ist, eine solche Gestalt zu ersetzen, selbst aus den Reihen ihrer direkten
Gefolgsleute.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 10/2012)
Joanne K. Rowling: "Ein plötzlicher
Todesfall"
(Originaltitel "The Casual Vacancy")
Übersetzt von Marion Balkenhol, Susanne Aeckerle.
Gebundene Ausgabe:
Carlsen, 2012. 575 Seiten.
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Digitalbuchausgabe:
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