Jan Roß: "Die Verteidigung des Menschen"
Warum Gott gebraucht wird
Schon seit vielen Jahren ist
der 1965 in Hamburg geborene Jan Roß als Journalist der "ZEIT" einer großen Zahl
von Lesern als ein differenzierter, gleichwohl sehr engagierter Kritiker
und Verfechter der Religion in ihrer jüdisch-christlichen Tradition
bekannt.
In einer Zeit, in der auf der einen Seite von der Wiederkehr der Religion
gesprochen wird und auf der anderen Seite insbesondere den monotheistischen
Religionen alle Übel der Welt vorgeworfen werden, legt Jan Roß mit diesem
Buch eine Schrift vor, die zeigen will, dass die Religion ihrem Wesen nach
keine Gefahr für den Menschen darstellt, sondern im Gegenteil ein Hort und
eine Bastion der Humanität ist. "Die Suche nach Gott hat die kühnsten
Gedanken inspiriert, die Ideen von Sünden, Ewigkeit und Gewissen haben
unserem Selbstverständnis Tiefe gegeben."
Ohne die Schattenseiten zu vernachlässigen, (so beschreibt er etwa sehr
ausführlich
Jan
Assmanns Kritik am Monotheismus), findet der Autor in der Religion,
d.h. in dem Glauben an einen Gott und dessen Gebote und Werte, eine Kraft,
ohne die unser Leben ärmer, enger und kälter wäre. Es ist diese Tradition
jüdisch-christlichen Ursprungs, der unsere Welt die Utopie von
Brüderlichkeit und Gleichheit verdankt. Und es ist die gerade heute für
viele Menschen so unverständlich gewordene Botschaft vom Kreuz Christi, die
zum Widerspruch aufruft: "Das Kreuz wird zu einem Zeichen des
Widerspruchs - wieder zu einem Zeichen des Widerspruchs, denn so war es von
Anfang an gedacht. Die Ohnmacht, die es darstellt und deren Würde es
verteidigt, ist ihm inzwischen selbst zuteil geworden. Man darf sich jetzt
ohne Scham dazu bekennen. Und wiederentdecken, dass Religion mitnichten
automatisch die Ideologie einer heilen Welt und eine geistige Besitzurkunde
für die Privilegierten ist."
Es geht um die Verteidigung des Menschen. Dafür wird gerade heute Gott, dafür
wird gerade heute die Religion gebraucht. In Form von Menschen, die
glauben und ihr Leben danach ausrichten. Dabei sind Gläubige "keine besseren
Menschen. Sie versagen vor ihrem Glauben, (indem sie schwach sind und
seine Gebote nicht halten), und sie versagen durch ihren Glauben, (weil
er sie zum Fanatismus und zum moralischen Hochmut verführen kann). Aber dass
Gut und Böse keine Einbildung sind, sondern eine Realität, dass man nicht
alles haben kann, sondern sich entscheiden muss, dass eine schwachsinnige
Trinkerin, die ihr Kind zur Welt bringen will, ein Recht darauf hat, während
der kluge Sozialplaner und Erbgutverbesserer, der es ihr versagen will, ein
gottverdammter Narr ist, egal welche positiven Folgen für die
Gesellschaftsentwicklung sich aus seinen Kalkülen ergeben, weil das
Menschenleben heilig ist, heilig, heilig - das wird von keiner Instanz in
der Welt, gegen die Welt so hochgehalten und verteidigt wie von der
Religion. Das bleibt. Und es ist, nach unserer bescheidenen Erfahrung mit
ein paar Jahrtausenden Menschheitsgeschichte, unersetzlich."
Das Buch kann ich überzeugten Christen empfehlen, weil es ihnen die
Ambivalenz und die Fehlentwicklungen aufzeigt, die ihre Religion in der
Geschichte genommen hat und immer in der Gefahr ist, es wieder zu tun, aber
auch, weil es sie ermutigen will, sich im Namen ihres Gottes und seiner
Gebote bei allen eigenen Schwächen für die Menschen und ihre aus ihrer
Gottebenbildlichkeit stammende Würde einzusetzen.
Und ich kann es empfehlen für alle, die, aus welchen Gründen auch immer, mit
der Religion abgeschlossen zu haben glauben. Auch wenn es sie nicht
unbedingt zum Glauben zurückführen will, (Roß missioniert nicht), kann es
doch ihr Verständnis für die Religion als Quelle aller conditio humana, aller
Ideen von Gleichheit und Gerechtigkeit, die man zwar in ihren Verirrungen
kritisieren, nicht aber in Bausch und Bogen verdammen sollte, stärken.
Gott wird gebraucht, weil der Mensch verteidigt werden muss.
(Winfried Stanzick; 01/2013)
Jan Roß: "Die Verteidigung des Menschen. Warum
Gott gebraucht wird"
Rowohlt Berlin, 2012. 224 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
Digitalbuch bei amazon.de bestellen
Weitere Buchtipps:
Norbert F. Pötzl, Johannes Saltzwedel (Hrsg): "Die Päpste. Herrscher über den Glauben"
Von Petrus bis Benedikt XVI. - die Geschichte der Päpste.
Seit 2000 Jahren herrschen die Päpste als Stellvertreter Christi auf Erden.
Aus bescheidensten Anfängen erkämpften sie sich die Autorität der obersten
Kircheninstanz und etablierten Rom als geistliches Zentrum und einflussreiche
Macht der christlichen Welt. Bis ins Spätmittelalter rangen Papst und Kaiser
um die Vorherrschaft, wobei die Kirchenfürsten zwar Siege davontrugen, jedoch
langfristig geschwächt wurden. Reformation und Säkularisation ließen ihre
Macht weiter schwinden. Erst im 20. Jahrhundert erlebte das Papsttum wieder
einen Aufschwung. Päpste wie Johannes XXIII. und Johannes Paul II. wurden
weltweit respektiert. In spannenden Geschichten porträtieren die Autoren die
großen Persönlichkeiten unter den Stellvertretern Christi, korrupte
Machtmenschen wie die Borgia-Päpste, unbarmherzige Inquisitoren und weitblickende Reformer. Sie beleuchten die Pracht ihrer Herrschaftsentfaltung
und das dichte Netz von Riten und Traditionen, die das Papsttum hervorgebracht
hat, um oft ganz weltliche Ansprüche durchzusetzen. (DVA)
Buch
bei amazon.de bestellen
Digitalbuch bei amazon.de bestellen
Ruben Zimmermann (Hrsg.): "Die Wunder der Apostel.
Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen, Band 2"
Mitarbeit von Bernd Kollmann, Annette Merz, Tobias Nicklas.
Die Wunder der Apostel - neu erschlossen.
Nach den Wundern Jesu werden nun im zweiten Band des "Kompendiums der
frühchristlichen Wundererzählungen" Auslegungen der Wunder der Apostel
vorgelegt. In bewährter Weise untersuchen die Autorinnen und Autoren die Texte
unter Einbeziehung sprachwissenschaftlicher sowie rezeptionsästhetischer
Aspekte und legen den Fokus auch auf die Frage nach der
Kommunikationsintention der Wundererzählungen und deren Potenzial für die
Auslegung der Texte heute. Themenartikel geben einführende Überblicke zu für
die Wundererzählungen relevanten Themenbereichen. Eine Besonderheit des Bandes
liegt darin, dass viele der apokryphen Texte hier erstmals in deutscher
Übersetzung präsentiert werden, sodass Erzählungen, die zuvor nur einem
Fachpublikum zugänglich waren, nun einer breiteren Leserschaft lebendige
Einblicke in die Vorstellungswelt des außerkanonischen Schrifttums gewähren. (Gütersloher Verlagshaus)
Buch
bei amazon.de bestellen
Mark Vernon: "Die großen Fragen. Gott"
"Die großen Fragen" behandeln grundlegende Probleme und Konzepte in Wissenschaft
und Philosophie, die Forscher und Denker seit jeher umtreiben. Anspruch der
ambitionierten Reihe ist es, die Antworten auf diese Fragen zu präsentieren und
damit die wichtigsten Gedanken der Menschheit in einzigartigen Übersichten zu
bündeln. Im vorliegenden Band "Gott" widmet sich Mark Vernon 20
bedeutenden Fragen zu Glaube, Religion und Spiritualität:
Kann man Gott rational beweisen? Bedeutet die Wissenschaft das Ende der
Religion? Warum sind Menschen noch gläubig? Ist Religion ein Irrweg der
Evolution? Können Drogen zu religiösen Erfahrungen verhelfen? Gibt es
Spiritualität ohne Religion? Haben Sie je ein Wunder erlebt? Was bedeutet die
Bibel wörtlich? Wenn man nicht religiös ist, ist dann nichts heilig? Kann ein
Agnostiker beten? Ist Religion von Natur aus gewalttätig? Was macht den
Fundamentalisten aus? Was ist die buddhistische Erleuchtung? Ist der
Konfuzianismus eine Religion? Ist die Natur Gott? Gibt es eine universelle
Spiritualität? Schließt menschliches Leid Gott aus? Kann man auch ohne Gott
gut sein? Leben wir in der Endzeit? Gibt es Leben nach dem Tod? (Springer
Spektrum)
Buch
bei amazon.de bestellen