Wolfgang Büscher: "Ein Frühling in Jerusalem"
"Nur eines hat die Stadt zu
bieten, ihre Heiligkeit für den Rest der Welt."
Mit seinen literarischen Reisereportagen, die in ihrer sprachlichen Brillanz,
ihrem Tiefgang und ihrer ernsthaften und persönlich reflektierten Durchdringung
an die Bücher des legendären
Bruce
Chatwin erinnern, hat sich Wolfgang Büscher, Jahrgang 1951, Autor der
"WELT", in den letzten 15 Jahren einen Namen gemacht.
Zu Beginn des Jahres 2014 hielt er sich zwei Monate lang in Jerusalem auf. Er
lebte in der Altstadt, zunächst in einem arabischen Hostel, dann in einem
griechischen Konvent aus der Kreuzritterzeit. Er lernte Menschen aus aller
Herren Länder kennen; Menschen, deren Wege sie nur kurz nach Jerusalem führten,
und mehr noch Menschen, deren Geschichten mit dieser Stadt über viele
Jahrhunderte zurückreichen. Wenn der Autor beschreibt, wie er sich durch die
alten Gassen und Räume bewegt, spürt man förmlich den Hauch von mehr als
zweitausend Jahren.
Büscher berichtet von einem Ort, wie es keinen zweiten auf dieser Welt gibt.
Einem heiligen Ort, bis zum Rand der Explosion aufgeladen mit Religion und
Politik. Er bewegt sich zwischen dem christlichen, dem jüdischen und dem
arabischen Viertel hin und her, und er hat viele Dinge zu erzählen, die selbst
den sich gut informiert glaubenden Rezensenten erstaunten und neu für ihn waren.
Wolfgang Büscher begegnet allen Gruppen, selbst den ultraorthodoxen Haredim, mit
dem Respekt des unvoreingenommenen Beobachters, der nur verstehen will, warum es
um den Tempelberg als spirituelles Zentrum der Stadt und der drei
abrahamitischen Religionen immer wieder solche heftigen und auch gewaltsamen
Konflikte gibt.
Wähnte sich der über die innenpolitischen und religiösen Konflikte Israels
vorher gut informierte Leser passabel auf dem Laufenden, wird er mit
fortschreitender Lektüre des Buches immer unsicherer. Noch komplexer, noch
ernsthafter, noch geschichtsträchtiger ist dieser Konflikt, als er je für
möglich gehalten hätte. Und noch eine Erkenntnis: Man geht fehl in der
Einschätzung, hier ginge es um Politik zwischen Arabern/Palästinensern und
Juden. Es geht hier um Religionen und darum, was ihnen jeweils das
Allerheiligste ist.
Es ist insofern nicht verwunderlich, dass in den Nachrichten jener Tage, als der
Rezensent sich regelrecht in diesem Buch verlor, davon gesprochen wurde, dass
sich die regionalen Konflikte zu einem Religionskrieg ausweiten. Kaum das Buch
aus der Hand gelegt, kommt die Nachricht, dass Israels Premierminister Netanjahu
zwei Minister seines Kabinetts, die sich um einen Ausgleich bemüht hatten,
entlassen und für den März 2015 Neuwahlen angesetzt hat. Wahlen, welche die
rechten und ultraorthodoxen Parteien noch stärker machen werden; Wahlen, die
eine friedliche Lösung aller dieser uralten Konflikte immer unwahrscheinlicher
werden lassen.
Viele kluge Menschen verschiedener Kulturen und Religionen, die in Büschers Buch
zu Wort kommen, haben das geahnt. Die Moderaten, die auf ein friedliches
Zusammenleben der Religionen gerade in Jerusalem Bedachten, verlassen, um das
Leben ihrer Familien fürchtend, das Land.
In einem Briefwechsel, den die "ZEIT" abgedruckt hat, erklärt der
arabischstämmige israelische Autor
Sayed Kashua
seinem Freund und Kollegen
Etgar Keret, warum er während des Gaza-Krieges mit seiner Familie in die USA
ausgewandert ist: "Diesen Sommer begriff ich, dass ich meine Kinder nicht
länger anlügen und ihnen erzählen konnte, dass sie eines Tages gleiche Rechte in
einem demokratischen Staat hätten. Diesen Sommer begriff ich, dass die
arabischen Bürger des Landes niemals eine bessere Zukunft haben würden. Ganz im
Gegenteil, alles würde schlimmer werden, die Ghettos, in denen sie leben, würden
im Lauf der Jahre noch überfüllter, noch brutaler und noch ärmer werden."
Wenn selbst Menschen wie Kashua resignieren, dann sieht es sehr dunkel um die
Zukunft Israels aus.
Während seines "Frühlings in Jerusalem" beschleicht auch Wolfgang Büscher immer
wieder eine leise Ahnung von dieser Entwicklung: "Ein mulmiges Gefühl gewann
Raum in mir - die Ahnung, all die Kämpfe, die schon geführten und die, die noch
kommen würden, könnte nur ein Vorgeplänkel gewesen sein, die große Schlacht
stehe erst bevor: die um den Tempelberg. Wenn es einen Ort aller Orte gab, ein
Ziel aller Ziele für einen heiligen Krieg, dann diesen."
(Winfried Stanzick; 12/2014)
Wolfgang Büscher: "Ein Frühling in Jerusalem"
Rowohlt Berlin, 2014. 240 Seiten.
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Weitere Buchtipps:
Annette Großbongardt, Dietmar Pieper (Hrsg.): "Jerusalem. Die Geschichte
einer heiligen Stadt"
4000 Jahre Glaube, Kriege, Hoffnung.
Keine Stadt ist wie Jerusalem, so verehrt, so
heilig und so umkämpft. Mehr als 4000 Jahre Geschichte lasten auf dieser alten
Metropole des Glaubens, in der drei Religionen und zwei Völker konkurrieren -
und bis heute keinen Frieden finden. Gemeinsam mit renommierten
Wissenschaftlern schildern "Spiegel"-Autoren die bewegte Geschichte dieses
magischen Ortes und beschreiben die Bedeutung Jerusalems als Geburtsstadt des
Glaubens und Brennpunkt des Nahostkonflikts.
Der eine Gott und viele Kriege haben Jerusalem zu
einer Stadt gemacht, die buchstäblich weltbewegend ist. Für gläubige Juden,
Christen und Muslime ist die Stadtlandschaft Jerusalems ein unvergleichlicher
Ort der Heiligkeit, um den bis heute erbittert gekämpft wird. Von der
Machtübernahme des biblischen Königs David über die Eroberung durch die Römer
und die Kreuzzüge im Mittelalter bis zum aktuellen Konflikt zwischen Israelis
und Palästinensern - die Feldzüge gegen Jerusalem waren immer auch
Glaubenskriege, in denen die eine Religion über die andere triumphierte.
Aus unterschiedlichsten Blickwinkeln erzählen "Spiegel"-Autoren und angesehene
Forscher die Geschichte dieser faszinierenden Stadt. Sie besuchen die heiligen
Stätten der drei monotheistischen Weltreligionen, porträtieren berühmte
Stadtherrscher und beleuchten die religiösen und machtpolitischen Ursprünge,
aber auch die Mythen und Legenden, die sich um Jerusalem, den Sehnsuchtsort
vieler Künstler, Pilger und Reisender, ranken. (DVA)
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Gil Yaron: "Lesereise Jerusalem. Das Gebet als
Ortsgespräch"
Sie ist die Stadt des Friedens - und doch der Brennpunkt eines hundert Jahre
alten Konflikts. Eine Stadt der Sehnsüchte, die von Tausenden ihrer Bewohner
verlassen wird. Eine Stadt des Glaubens, die so manchen zum Zyniker werden
lässt. Und eine Stadt der Hoffnung, an der unzählige verzweifeln: Jerusalem. Gil
Yaron taucht tief ins facettenreiche Leben einer zerstrittenen, um Normalität
ringenden Bevölkerung ein. Seine Geschichten bilden ein literarisches Wechselbad
zwischen Tempelberg und modernen Firmen, zwischen arabischen Dörfern und
israelischen Irrenanstalten, zwischen Polizeiwachen und verfallenden
Parlamenten. Trotz der Konflikte, die es beschreibt, bleibt das Buch eine Ode an
das Menschliche der himmlischen Stadt. (Picus)
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Gil Yaron: "Jerusalem. Ein historisch-politischer
Stadtführer"
Kein Ort auf dieser Welt ist so umkämpft wie Jerusalem. Die Wiege des
Judentums und des Christentums ist zugleich auch dem Islam heilig. Weltreiche
und Religionen liefern sich seit Jahrtausenden einen erbitterten Kampf um die
Vormachtstellung in Jerusalem. Der Streit um die "Heilige Stadt" prägt heute
zunehmend den Nahostkonflikt zwischen Palästinensern und Israelis.
Gil Yaron geht in seinem "historisch-politischen Stadtführer" bis auf die
Ursprünge der Stadt zurück und erläutert ihre historische Bedeutung aus Sicht
der drei Weltreligionen. Er schildert den Verlauf des Nahostkonfliktes zwischen
Juden und Muslimen seit dem 19. Jahrhundert und erklärt, warum beide Seiten bis
zum heutigen Tag so vehement gegeneinander kämpfen. Yarons Buch ist zugleich
eine Einladung an alle, die sich mit der Geschichte und Gegenwart Jerusalems
beschäftigen wollen und diese einzigartige Stadt für sich entdecken möchten. (C.H. Beck)
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Simon Sebag Montefiore: "Jerusalem. Die Biografie"
Die Geschichte Jerusalems ist die Geschichte der Welt.
Jerusalem ist die Stadt der Städte, die Hauptstadt zweier Völker, der Schrein
dreier Weltreligionen, der Schauplatz des Jüngsten Gerichts und der Brennpunkt
des Nahost-Konflikts. Jerusalems Geschichte bedeutet 3000 Jahre Glauben,
Fanatismus und Kampf, aber auch das Zusammenleben unterschiedlichster Kulturen.
Packend und farbig schildert der bekannte Autor Sebag Montefiore in seiner
fulminanten, reich bebilderte Biografie die zahlreichen Epochen dieser sich
ständig wandelnden Stadt, ihre Kriege, Affären, Könige, Propheten, Eroberer,
Heiligen und Huren, die diese Stadt mitgeschaffen und geprägt haben. Basierend
auf dem neuesten Stand der Forschung und teilweise unbekanntem Archivmaterial
macht er die Essenz dieser einzigartigen Stadt greifbar und lässt sie in ihrer
Einzigartigkeit leuchten. Denn nur Jerusalem existiert zweimal: im Himmel und
auf Erden. (Fischer)
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Yotam Ottolenghi & Sami Tamimi: "Jerusalem. Das Kochbuch"
Eine kulinarische und kulturelle Entdeckungsreise.
Ein ganz besonderes Kochbuch, eine ganz besondere Begegnung: Yotam Ottolenghi
und Sami Tamimi, ein Israeli und ein Palästinenser, stellen uns mit diesem Buch
die Küche ihres Heimatlandes vor. Jerusalem, religiöses Zentrum und Pilgerziel
der drei großen Weltreligionen, hat schon immer Menschen aus aller Welt
angezogen. Nicht nur kulturell, auch kulinarisch ist die Stadt ein
Schmelztiegel. Die Melange aus den Küchen Europas, Nordafrikas und des Nahen
Ostens sorgt für ein wahres Feuerwerk der Aromen.
Insgesamt 126 köstliche Rezepte spiegeln die Multikulturalität Jerusalems wider:
Von Spinatsalat mit
Datteln und
Mandeln über Latkes bis zum Reispudding mit
Rosenwasser gleicht jedes Gericht einer kulinarischen Entdeckungsreise. Die
Autoren bieten eine vielfältige Sammlung aus traditionellen Gerichten und neuen
Ideen, inspiriert durch charakteristische Zutaten aus ihrer Heimat. Interessante
Sonderteile zu typischen Speisen und Zutaten runden den Ausflug in den
Orient
ab.
Eindrucksvolle Bilder von Land und Leuten sowie kleine Alltagsgeschichten lassen
ein authentisches Porträt der vielgestaltigen Metropole entstehen. Die
stimmungsvolle Speisenfotografie, die geschmackvoll-elegante Aufmachung und der
Leineneinband machen das Buch zu einem kleinen Gesamtkunstwerk. (Dorling Kindersley)
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Tuvia Tenenbom: "Allein unter Juden. Eine Entdeckungsreise
durch Israel"
Ende 2012 erschien Tuvia Tenenboms furioser Reisebericht "Allein unter
Deutschen", der heftig diskutiert wurde und monatelang auf der Liste der
meistverkauften Bücher stand. Nach seiner Deutschlandrundreise hat sich Tenenbom
anno 2013 auf Entdeckungsreise durch Israel begeben. Dreißig Jahre nachdem er
seine Heimat in Richtung USA verlassen hat, kehrte er, der Sohn eines Rabbiners,
zurück, um sich ein eigenes Bild davon zu machen, wie sich die kulturelle und
politische Identität Israels verändert hat.
Dafür ist er wieder kreuz und quer durchs Land gereist: vom Gazastreifen bis zu
den Golanhöhen, von Eilat bis zu den Hisbollah-Stellungen im Norden. Und schon
bald erkennt er, dass man, um dieses Land wirklich zu verstehen, mit allen
sprechen muss: mit Ultraorthodoxen und Atheisten, mit Fundamentalisten jeglicher
Couleur, mit Kibbuzniks und Siedlern, Rabbis und Imamen, mit Mystikern und
Intellektuellen, Militärs und Geheimagenten, mit israelischen Prominenten und
palästinensischen Politikern, mit Journalisten und NGO-Aktivisten u.v.m. Das
Ergebnis dieser nicht immer ganz konfliktfrei verlaufenen Begegnungen ist eine
ebenso unterhaltsame wie erhellende Erkundung eines Landes der Extreme, wie man
sie so noch nie gelesen hat. (Suhrkamp)
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