Terry Pratchett: "Die Krone des Schäfers"
Berühmte
letzte Worte ...
"Die Krone des Schäfers" sind quasi die letzten Worte des großen Erzählers Sir Terry Pratchett; eines
Erzählers, welcher der Welt schon so viele überaus treffende und zum Teil auch
schmerzhafte Worte gegeben hatte, bevor er am 12. März 2015 viel zu früh starb. Und
diese letzten Worte werden
von der
Scheibenwelt erzählt, einer entliehenen Schöpfung aus der Mythen- und
Folklorewelt, wie so viele der geliebten und bewunderten Charaktere, die er
während seiner Schriftstellerlaufbahn erschaffen hat, um seine Leser zu
unterhalten, zu belehren, um die Fehler der Menschen aufzuzeigen und ihnen
mögliche Wege in eine bessere Richtung zu weisen.
Er hat nicht mit der Absicht angefangen, dies zu tun; ebensowenig wie Tiffany
Weh, die junge Hexe aus den Kalkbergen zu Beginn beabsichtigt, eine Hexe zu
werden, oder der junge Verence ein König, Samuel Vimes ein Lord der Stadt Ankh
Morpork, Rincewind, der Zauberer, ein Held, oder der Patrizier von Ankh-Morpork
einer der beliebtesten Tyrannen der Erzählliteratur. Aber manchmal zwingt einen
das Leben, das Richtige zu tun, und wenn es auch nicht immer jene Belohnung
gibt, die angemessen sein sollte, so wird es doch sehr genau beobachtet.
Tiffany Weh, die junge Hexe mit dem abwechslungsreichen Lernverlauf, ist auf
diesem Weg weit gekommen und hat dabei eigentlich vom ersten Band ihres
Erscheinens an den Rahmen der Kinder- und Jugendliteratur, der sie zugeordnet
ist, gesprengt, denn die sozialen und philosophischen Konzepte, die in den fünf
"Tiffany Weh"-Romanen vorkommen, verlangen der Leserschaft sowohl einiges an
Denkarbeit und Empathie als auch an Selbstkritik ab. Dass eine ihrer Lehrerinnen
die formidable Esmeralda Wetterwachs war, trägt sicherlich dazu bei, denn nicht
Hokuspokus führt zu Lösungen, auch oder gerade nicht auf der magisch bestimmten
Scheibenwelt, sondern Kopfologie und die Fähigkeit, wirklich zu sehen, was da
ist und wirklich danach handeln, was wichtig ist - und dies auch zu erkennen.
Zu Beginn dieses Romans stirbt Oma Wetterwachs, und das ist wirklich beinahe so
niederschmetternd wie Terry Pratchetts Tod. Die gesamte Scheibenwelt wird
erschüttert, und die Hexen müssen sich eine neue Nichtanführerin suchen, denn
Oma war nun einmal die Beste, und in der Nichthierarchie der Hexen gab es
niemanden, der ihr das Wasser reichen konnte; es sei denn, in Form einer Tasse
Tee. Doch die Suche dauert nicht lange, denn Oma hat ganz klar bestimmt, wer
ihre Nachfolgerin sein soll: Tiffany Weh. Diese muss nun also zwei Reviere
betreuen, was die geflogenen Kilometer auf ihrem Besen deutlich nach oben
treibt. Zwischen den Spitzhorn- und den Kalkbergen hin- und herreisend
verrichtet sie die Arbeit von zwei Hexen und versucht auch noch Möglichkeiten zu
finden, neue Hexen auszubilden.
Aber Omas plötzliche Abwesenheit hat die Grenzen der Scheibenwelt geschwächt,
und im Reich der Elfen regt sich wieder die Königin, die von ihrer letzten
Niederlage im Kampf gegen die Hexen der Scheibenwelt nicht ganz zurückgekommen
ist und sich innerhalb ihrer eigenen Reihen Opposition ausgesetzt sieht.
Trotzdem beschließt sie, dass die Schwäche der Grenze auszunutzen ist; auch wenn
es auf der Scheibenwelt seit Neuestem die
Eisenbahn gibt,
ein Monster aus Eisen, weshalb das Land mit Streifen aus Eisen durchzogen wird,
was die Scheibenwelt zu einem deutlich gefährlicherem Aufenthaltsort für Elfen
macht.
Um der neuen Bedrohung zu begegnen, benötigt Tiffany jede Hilfe, die sie
bekommen kann. Jene der befreundeten Hexen, die der bekannten Hexen und sogar
die der ihr feindlich gesinnten Hexen, der Nac Mac Feegles, eines jungen Mannes,
der gerne eine Hexe wäre, seiner Ziege Mephistopheles sowie einiger anderer
Personen.
Viele alte Bekannte begegnen dem Leser in diesem Buch zum letzten Mal; und
andere, die man gerne gesehen hätte, werden zumindest kurz erwähnt. Viele, viele
weitere Entwicklungen deuten sich in diesem Roman an, zahlreiche Möglichkeiten
und neue Verästlungen; aber: Es ist vorbei. "Die Krone des Schäfers" ist Terry
Prachetts letzter Roman von der Scheibenwelt, und es soll nach Aussage seiner
Tochter und seiner Nachlassverwalter auch keine weiteren, von anderen Autoren
verfasste Romane geben, wie man es etwa bei
Ian Flemings
Nachlass vorfindet.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 11/2015)
Terry Pratchett: "Die Krone des Schäfers"
(Originaltitel "The Shepherd's Crown")
Übersetzt von Regina Rawlinson.
Manhattan, 2015. 400 Seiten.
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