Connie Palmen: "Du sagst es"
Leben
für die Ewigkeit. Sylvia Plath und Ted Hughes, ihre Liebe und
Ehe neu erzählt.
Die Heilige und der Verräter, das Opfer und der
Mörder, der Feminismus gegen das Patriarchat. Kurz: Gut gegen
Böse. So wurde und wird nun schon ein halbes Jahrhundert lang
die Geschichte von Sylvia Plath und Ted Hughes erzählt. Sie,
eine aufstrebende us-amerikanische Schriftstellerin, er ein ebenso
aufstrebender englischer Schriftsteller, beide vereint in dem Willen,
ihr gemeinsames Leben dem gemeinsamen Schreiben und
Berühmtwerden zu widmen. Nach sieben Jahren der Gemeinsamkeit,
zwei Kindern und ersten Publikationen begeht Sylvia Plath Selbstmord.
Der Grundstein für ihr posthumes Leben als feministische Ikone
und Märtyrerin, die im Kampf gegen das Patriarchat verloren
hat, ist damit gelegt. Gleichzeitig wurde Ted Hughes zum Schuldigen und
zum Mörder erklärt. Beide wurden ihre Etiketten nie
mehr los. Plaths Bewunderer sahen keinen Anlass, am Opferbild dieses
weiblichen Genies zu rütteln, und Hughes
äußerte sich Zeit seines Lebens nicht über
sein Privatleben.
Die Tragik dieses Liebespaares ist offenkundig, egal von welcher Seite
aus man darauf blickt. Aber die Einseitigkeit der Rezeption ist
verstörend. Nicht nur die Opfer-Täter-Perspektive,
sondern allein die quantitative Einseitigkeit. Während neben
dem literarischen Werk von Sylvia Plath, ihren Tagbüchern und
Briefen eine Unzahl von Biografien zirkulieren, gibt es von Ted Hughes,
dem britischen Poet Laureate und Mitglied des "Order of Merit",
gerade einmal eine einzige Biografie. Er hat allerdings auch den
literarischen Nachlass seiner Frau verwaltet, Einführungen und
Kommentare geschrieben, sowie kurz vor seinem Tod einen Gedichtband,
die "Birthday Letters", veröffentlicht, in
dem er sich mit seiner Beziehung zu Sylvia Plath auseinandersetzt. Das
ist nun der Leitfaden für die niederländische
Schriftstellerin Connie Palmen, an dem entlang sie Ted Hughes eine
fiktive Autobiografie schreiben lässt. Umsichtig,
mitfühlend und nüchtern.
Sylvia Plath und Ted Hughes gelten als eines der berühmtesten und tragischsten Liebespaare der modernen Literatur Es sind kurze sieben Jahre, die beider Leben nachhaltig prägten und die Sylvia Plath, gerade einmal 30 Jahre alt, 1963 mit ihrem Selbstmord beendete. Wie so viele waren sie ein ungleiches Paar. Er, der spröde Engländer, sie, die laute, exaltierte US-Amerikanerin. Vereint durch eine leidenschaftliche Liebe und einen Zukunftsplan von einem gemeinsamen Dichterleben. "Wir waren glücklich", erzählt der fiktive Hughes, "doch über unser Glück hatte sich ein Schleier gelegt." Während er seine ersten schriftstellerischen Erfolge erzielte, verlief ihre Karriere nur schleppend, und sie trauerte der "goldenen Glanzzeit" ihrer Jugend nach, als sie einen Preis nach dem anderen gewann, alles, was sie fabrizierte, veröffentlicht und gerühmt wurde. "Einst war ich ein Genie", lautete ihre verbitterte Erkenntnis. Jetzt aber die Mühen der Ebene. Das Schreiben geht nicht so leicht von der Hand, es gibt Ablehnungen, statt ihr wird ihr Ehemann gerühmt, es gibt Alltagsprobleme. |
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Die Hybris der Jugend macht ihr Leben nicht einfacher. Ted Hughes, der Mann, der Gott, der Therapeut will das poetische Selbst seiner Frau aufspüren und zur Entfaltung bringen. |
Connie Palmen nach ihrer Lesung in der
Niederländischen Residenz in Wien am 30.11.2016 |
Es war wohl von Anfang
an klar, dass sich hinter der glitzernden Oberfläche eine
wütende, verletzte Frau verbarg, immer gut versteckt hinter
Anpassung, Oberflächlichkeit, Fröhlichkeit und
Ekstase. Für Hughes wird das Leben mit einer depressiven bzw.
manisch-depressiven Partnerin zur Herausforderung. Immer wieder gibt es
Neuanfänge. In Amerika, dann in England, als Eheleute,
Dichter, Eltern. "Wir standen an der Schwelle zu einem neuen
Leben", heißt es einmal, "als Dichter,
als Eltern, und dachten wirklich, unsere Dämonen
hätten sich in Engel verwandelt, unsere Vampire in
Blutspender."
Mitten in der Lektüre dieses Romans stößt
man auf das eigentliche Vorwort, in dem noch einmal das Schweigen von
Ted Hughes thematisiert wird, das ja die eigentliche Grundlage
für diese Biografie, die sich hier "fiktive
Autobiografie" nennt, bildet: "Freunde und Feinde,
Bekannte und Fremde haben sich nach ihrem Tod auf uns gestürzt
wie Parasiten, die sich an unserem Blut labten, haben mit ihrem
verengten, beschränkten Blick eine Travestie von dem
gezeichnet, was meine Frau wirklich war, und das manchmal in der
widerlichen Annahme, dass sie mich mit gehässigen Erinnerungen
an sie stützten. Ich habe die Augenzeugenberichte von unserer
Ehe mit Abscheu gelesen und jede Offenlegung meines Privatlebens als
Folter empfunden. Und ich habe geschwiegen." Bis jetzt, wie
uns Connie Palmen verspricht.
Es geht um keine Rechtfertigung, um keine Reinwaschung oder
Schuldzuweisung. Aber um ein Zurechtrücken von Blickwinkeln
und Selbstverständlichkeiten. Die Autorin lässt Ted
Hughes sein Befremden über die Urteile und Verurteilung seines
Privatlebens durch Außenstehende und die
Falschinterpretationen immer wieder beklagen. Manchmal wütend,
manchmal verzweifelt oder auch nur neugierig. Allerdings löst
auch eine fiktive Autobiografie diese Grundproblematik nicht auf. Kann
sie nicht auflösen. Aber wir können andere
Sichtweisen heranziehen und uns bemühen, nicht selbstgerecht
zu sein, egal ob wir Feministinnen, Literaturadepten oder andere
Beobachter sind.
Connie Palmen macht uns zu Vertrauten, denen Ted Hughes seine
Geschichte erzählt. Vom ersten Treffen an bis zu ihrem Tod.
Von Leidenschaft, Liebe, Plänen, Alltag und Ehebruch.
Und er erzählt vor allem von den Schwierigkeiten, mit einer so
komplizierten Persönlichkeit wie Sylvia Plath zusammenzuleben,
von ihren Wutanfällen, Eifersuchtsattacken, Racheaktionen.
Dabei gelingt es der Autorin, die Falle der Rechtfertigung und
Beschuldigung zu vermeiden. Es werden keine Schuldigen ausgemacht, aber
dieser turbulenten Liebesbeziehung wird so die Liebe zweier Menschen
zurückgegeben. Einfühlsam und sachlich zugleich.
Es könnte so gewesen sein. Zwar geht uns das Privatleben
unserer Dichter eigentlich nichts an, aber unsere öffentliche
Wahrnehmung, die mit Be- und Verurteilungen gekoppelt zu sein pflegt,
sehr wohl. Denn, so Hughes: "Sowie dein Name um die Welt
geht, zu einer eigenständigen Größe wird,
losgelöst von deinem Körper, deiner realen Existenz,
deiner rauhen Wirklichkeit und wahren Persönlichkeit,
verhaften sich Bedeutungen damit, die nichts mit dir zu tun haben."
Der Einseitigkeit eine zweite Realität zur Seite zu stellen,
lässt die Wirklichkeit wirklicher und die Existenz konkreter
werden. Das ist Connie Palmen gelungen.
(Brigitte Lichtenberger-Fenz; 08/2016)
Connie
Palmen: "Du sagst es"
(Originaltitel "Jij zegt het")
Aus
dem Niederländischen von Hanni Ehlers.
Diogenes, 2016. 288 Seiten.
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