"Lorenzo Da Ponte"
Hrsg. Werner Hanak im Auftrag
des Jüdischen Museums Wien
Aufbruch in die Neue Welt
Die Bilder einer
Ausstellung
Lorenzo Da Ponte
Im Geburtsjahr Goethes wurde Lorenzo
Da Ponte unter dem Namen Emanuele Conegliano als Sohn jüdischer Eltern im
venetischen Ceneda geboren. Seine Mutter verstarb früh, und sein Vater heiratete
wieder, doch diesmal eine Christin. Die Konversion zum Christentum wurde von
Bischof Lorenzo da Ponte koordiniert, dem zu Ehren die Familie den Namen Da
Ponte annahm und Emanuele auch noch dessen prächtigen Vornamen. Des Adels wegen
schrieb man den Namen des Bischofs da Ponte und den der nicht-adeligen
Konvertiten Da Ponte, behauptete der Autor. Doch diese Aussage hielt einer späteren
Überprüfung nicht stand. Klein-Lorenzo schlug die kirchliche Laufbahn ein
und erhielt 1773 die Priesterweihe.
In Venedig wirkte er als Lehrer für
Rhetorik und unternahm erste literarische Versuche, die ihn jedoch durch
Vermittlung einen Inquisitors die Lehrerlaubnis in der Republik Venedig
kosteten. Anonym wurde er, immer noch Priester, des Ehebruchs bezichtigt. Er
verließ bereits vor dem Urteilsspruch Venedig und reiste nach Dresden und kurze
Zeit später nach Wien, wo er im Dezember 1781 mit einem Empfehlungsschreiben
ankam. In einem Gedicht beklagte er sich später einmal, dass er in Wien das
Deutsche ertragen musste, das selbst den
Heiligen Franz in die Flucht geschlagen
haben würde. 1783 wurde er Hofdichter und mit Opernlibretti betraut, obwohl er
bis dahin noch keines verfasst hatte. In diesem Jahr begegnete er auch
Mozart.
Sein erstes Libretto schrieb er für Salieri, doch die Oper wurde ein Misserfolg,
wofür Salieri ihn verantwortlich machte. 1786 kam der Durchbruch mit einer Reihe
von Opern, für die Da Ponte die Libretti schrieb, darunter auch "Le nozze di
Figaro". 1787 schrieb Da Ponte sogar an drei Libretti parallel: nachts den Don
Giovanni, morgens " L'arbore di Diana" und abends Salieris "Axur, Re
d'Ormus".
Es folgt eine kurze und steile Karriere bis zum Vizedirektor
des Burgtheaters. Doch mit dem Tod Josephs II. im Jahre 1790 verlor er einen
wichtigen Fürsprecher, und seine Gegner nahmen überhand, allen voran anscheinend
der Salieri, der auch schon Mozart zu schaffen machte.
1791 reist Da
Ponte nach Triest. 1792 heiratete er in Triest oder wenig später in London Nancy
Grahl, Tochter eines englischen Kaufmanns. Die beiden waren über Prag nach
London gereist, wo Da Ponte als Librettist am King's Theatre wirkte. Daneben
verdiente er als Buchhändler seinen Lebensunterhalt. 1805 reiste er nach
Amerika, wo er sich bis ins hohe Alter hinein in vielerlei Rollen versuchte.
Obwohl er auch das erste New Yorker Opernhaus ins Leben rief, ist er der
Nachwelt eher als Anwalt der italienischen Sprache und vielleicht generell der
italienischen Kultur bekannt. Wiewohl seine wirtschaftlichen Unternehmungen eher
von Misserfolgen gekrönt waren, verbrachte er einen regen aber auch materiell
gesicherten Lebensabend.
Die Ausstellung und das Buch
Das
Jüdische Museum Wien hat sich entschlossen, dem Leben und Wirken Da Pontes eine
Ausstellung zu widmen, wenngleich der Konvertit Da Ponte in Wien sich kaum um
die jüdische Gemeinde verdient gemacht haben dürfte. Das verwundert nicht
weiter, denn auch zu den vergleichsweise liberalen Zeiten Josephs II. war es
einer aufstrebenden Karriere nicht unbedingt dienlich, wenn sich deren Träger
betont als Jude gab.
Insbesondere das recht umfangreiche Kapitel des
Kurators Werner Hanak lässt den Leser die Ausstellung erfahren, denn die
großformatigen Abbildungen ermöglichen zusammen mit dem Text ein nahezu
authentisches Erleben der Exponate. Das Buch beschreibt nicht nur die
Ausstellung, es ist die Ausstellung. Man durchlebt sie in Teilen auch
wesentlich gründlicher als ein Besucher in personam. Das ist so gut gelungen,
dass man als nicht in Wien weilender Zeitgenosse teilhaben kann an einer
Ausstellung, die einem sonst wohl entgangen wäre.
Ein von dem Historiker
Wolfgang Gasser geschriebener Aufsatz handelt von den Juden im Wien dieser Zeit
und von Da Ponte und Mozart. Joseph II. war in mancherlei Beziehungen für Wien
ein Glücksfall, und so geht das Toleranzpatent aus dem Jahre 1782 auf ihn
zurück. Ein charakteristischer Satz sei zitiert: "Aus [...] Hinweisen aus jenen
Jahren (vor 1782, Anm. d. Rez.) lässt sich schließen, dass die Neuerungen des
Toleranzpatents für die in Wien lebenden Juden in vielen Punkten lediglich eine
Angleichung an eine bereits bestehende Lebensrealität darstellten. Sie hatten
sich schon weitgehend selbst auf den Weg der Aufklärung gemacht. Joseph II.
reagierte darauf und setzte in Gesetze um, was vielfach bereits Praxis war."
Andererseits ist in der Zeit Josephs ein Rückgang der jüdischen Familien um ein
Drittel zu verzeichnen, von Bürgern erster Klasse waren sie also noch weit
entfernt. Diesen Makel konnte auch eine Konversion letztlich nicht
beseitigen.
Ärgerlich ist, dass dieser Aufsatz sich nicht wie ein Kapitel
in einem Buchkontext liest, sondern den Charakter einer eigenständigen
Publikation verteidigt. Denn als in einem eigenen Abschnitt Bezug genommen wird
auf Lorenzo Da Ponte, präsentiert der Autor auf eineinhalb Seiten eine
Kurzfassung von Da Pontes Biografie, obwohl dieses Kapitel mitten in einem Werk
über Da Ponte steht und der Leser aus dem vorangehenden Kapitel Werner Hanaks
schon mehr über die Hauptperson dieses Buches erfahren hat, als hier
preisgegeben wird. In diesem Abschnitt hätte man die Rolle Da Pontes als
konvertierter Jude beleuchten können, ohne biografische Angaben zu präsentieren,
die der Leser längst kennt. In diesem Aufsatz findet sich auch ein längeres
Briefzitat Mozarts wieder, das dem Leser so schon auf Seite 35 begegnete: der
einzige Unterschied liegt darin, dass eine andere Quelle angegeben wird als auf
Seite 35. Es geht übrigens darum, wie der Vorname Mozarts ersten Sohnes durch
dessen Paten Raimund von Wetzlar zustande kam.
Ein weiteres Kapitel
beschäftigt sich mit der Frage, ob Da Ponte musikalisch war. Das Ergebnis
lautet: "vermutlich, aber Da Ponte selbst war von seiner Musikalität natürlich
überzeugt".
Nach diesem zum Glück recht kurzen Kapitel geht es weiter mit
Miriam Grau Thanners Bericht um L'ape musicale und um die "Kunst" Da Pontes,
"immer im richtigen Augenblick am richtigen Ort zu sein". Der große Wiener
Librettist Metastasio verstarb 1782, und das Experiment "deutsche Oper" wurde
zugunsten der italienischen Oper abgebrochen. Nach einem anfänglichen Misserfolg
zusammen mit Salieri bekam er, protegiert von Joseph II., eine zweite Chance und
nutzte sie. Den zweiten Schub verschaffte er sich, als Joseph sich während des
Türkenkriegs gezwungen sah, die Oper aus Kostengründen zu schließen. Da Ponte
entwarf einen Finanzierungsplan und durfte ihn umsetzen. L'ape musicale, die
musikalische Biene, ist eine Collage verschiedenster Opernarien, ein so
genanntes Pasticcio, die mit einem neuen und natürlich von Da Ponte verfassten
Libretto zu einem Ganzen verbunden wurden. Das Werk wurde ein voller Erfolg,
doch nach dem Tod Josephs II. machten sich viele der Komponisten, Librettisten
und Künstler bemerkbar, die Da Ponte übergangen hatte. War sein Aufstieg schon
außergewöhnlich, so war es seine Demontage noch viel mehr.
Ein Kapitel
von Otto Biba handelt von der Zeit Da Pontes in den USA. Nach einer netten
Episode über die New Yorker Kulturkreise erwartet den Leser - man befürchtete es
bereits - eine kurze Einführung zu Leben und Werk des Lorenzo Da Ponte. Da Ponte
war "creator of the Italien language in America" - er war Honorarprofessor am
Columbio College. Für die italienischen Opern setzte er sich ein, nicht für die
Mozart-Opern. 1833 öffnete wesentlich auf Betreiben Da Pontes das erste
("Italian") Opernhaus New Yorks seine Pforten, doch auch hier folgte der
Bankrott.
Der Text des Kapitels erschien erstmals 2005 in den
Musikblättern der Wiener Philharmoniker und wurde für das vorliegende Buch
leicht verändert und ergänzt, wie es am Ende des Textes heißt. Doch hier wird Da
Pontes Triester Eheschließung als Fakt dargestellt, obwohl 54 Seiten vorher die
Heirat in Triest nicht als sicher präsentiert wird, denn es sei auch möglich,
dass die Heirat erst in London stattgefunden habe.
Nachdem nun Otto Biba
in seiner Schilderung der New Yorker Zeit auch die unternehmerischen
Katastrophen Da Pontes beschreibt ("Da Ponte war wieder einmal Bankrotteur",
Seite 109), schildert Wolfgang Nedobity vier Seiten weiter Da Ponte
folgendermaßen: "Da Ponte entsprach durchaus dem Ideal eines Allerweltgenies,
man denke nur an seine Sprachbegabung, sein kaufmännisches Talent und seine
Begeisterung für Bücher." Einen Bankrotteur mit kaufmännischen Talenten nennt
man übrigens einen Betrüger, aber das war da Ponte sicherlich nicht. Auf Seite
146 wird Da Ponte aber wieder zum erfolglosen Unternehmer. Ein Lektorat muss so
etwas verhindern.
Ausgesprochen informativ ist das Kapitel Giampaolo
Zagonels, in dem die italienische Zeit Da Pontes und seine überwiegend negative
italienische Rezeption aufgezeigt wird, die sich sporadisch bis in unsere Zeit
entlädt. Seine Freundschaft zu dem nicht gut beleumundeten Giacomo Casanova
scheint als Ursache zu dienen, aber die Ausbrüche der Skribenten sind damit
sicherlich nicht zu erklären.
Leon Botstein untersucht jüdische
Aspekte der Musik von Klassik und Romantik. Der letzte Satz des Kapitels
beginnt so: "Musik erfordert nichts als die grundlegenden menschlichen Gaben
[...]". Dem wäre im Prinzip nichts hinzufügen. Doch zur Verwirrung des
Rezensenten geht dieser Satz weiter: "[...] auf die weder einzelne Völker, noch
Nationen oder gar 'Rassen' (Hervorhebung durch den Autor, nicht den Rezensenten)
ein Vorrecht, geschweige denn ein Monopol beanspruchen konnten." Dieser
hanebüchene Satz gehört in den Mülleimer der Geschichte, aber nicht in ein Buch,
das gebildete Mitteleuropäer ansprechen will.
Eric Levi präsentiert im
letzten Kapitel die Instrumentalisierung Mozarts und Da Pontes durch die Nazis,
ohne jedoch etwas Unerwartetes anbieten zu können: "Mozart wurde heroisiert und
Da Ponte heruntergespielt."
Fazit
Das Buch möchte dem Leser die
Wiener Da Ponte-Ausstellung näher bringen und tut dies in intensiver und
hervorragender Weise. Einem zweiten Ziel zu dienen, will hingegen nicht so recht
gelingen. Das zentrale Ausstellungskapitel mit Hintergrundinformationen
anzureichern ist eine gute Idee, aber da machen sich zwei Mängel bemerkbar. Zum
Einen ist es nicht gelungen, daraus ein Ganzes aus einem Guss erscheinen zu
lassen, denn den meisten Kapiteln merkt man den Status einer eigenständigen
Publikation allzu sehr an. Zum Zweiten stellen sich am Ende einer Reihe dieser
Kapitel keine echten Erkenntnisgewinne ein, sieht man einmal von Wolfgang
Gassers Kapitel über die Toleranz zu Zeiten Josephs II. ab, Miriam Grau Thanners
L'ape musicale und Giampaolo Zagonels italienischem Da Ponte nebst
Rezeption.
Das ungewöhnliche Buchformat erfreut den Leser, solange er am
Tisch lesen kann, doch wenn das Buch seine zweite Aufgabe antritt, zwingt eben
dieses Format den Privatbibliothekar, das Buch entweder liegend unterzubringen
oder in die Reihe der 30-Zentimeter-Bildbände zu verbannen. Denn es handelt sich
um einen Prachtband im Format 23,20 x 29,20 cm aus dem Hause Hatje Cantz mit 215
Seiten und 154 meist farbigen Abbildungen. Weiters sind enthalten: Eine
Zeittafel Da Pontes, Literaturverzeichnis, Verzeichnis der ausgestellten
Objekte, Autorenbiografien sowie ein Personenregister, die häufig auftretenden
Namen, wie zum Beispiel Mozart, sind nur hinsichtlich der Abbildungstexte
komplett.
In einem Buch dieser Preisklasse, an dem eine so große Zahl von
Menschen mitgearbeitet hat, sollte man ein fehlerfreies Lektorat und Korrektorat
erwarten dürfen. Doch es sind zumindest zwei orthografische Fehler zu finden:
Auf Seite 72 ein "dass" anstelle eines "das". Auf Seite 140 ein "heisst" anstatt
"heißt".
Auf Seite 38 ist zu lesen, dass Mozart vierzehn Adressen in zehn
Wiener Jahren aufzuweisen habe, aber laut Seite 72 zog er vierzehn Mal um, was
exakt ein Umzug zu viel ist. Wer an diesem Einwand zweifelt möge sich fragen,
wie viele Adressen Mozart in Wien gehabt hätte, wenn er gar nicht umgezogen
wäre: keine?
(Klaus Prinz; 04/2006)
"Lorenzo Da Ponte"
hatje cantz verlag, 2006. 215 Seiten.
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Weitere Buchtipps:
Sheila Hodges: "Lorenzo Da Ponte. Ein abenteuerliches Leben"
Lorenzo Da Ponte
kennt man als Librettisten der drei großen Mozart-Opern
"Don Giovanni", "Così
fan tutte" und "Figaro". Doch ist dies nur ein kleiner Ausschnitt eines Lebens
zwischen Ruhm und Ruin: Aus einer jüdischen Familie stammend und zum Christentum
konvertiert, wird Da Ponte zunächst Priester, muss Venedig aber wegen seiner
Schriften und angeblich wegen seines Lebenswandels verlassen. Er etabliert sich
in Wien, verstrickt sich jedoch in Intrigen und flieht auch von dort. Über
Umwege gelangt Da Ponte nach London und New York, wird zunächst Krämer und
schließlich Professor für italienische Literatur am Columbia College.
Die
Biografie erlaubt dem Leser einen Blick hinter die Kulissen der Wiener Theater,
in die Schreibstube des Librettisten und das Netz aus Bevorzugung und Neid,
Kabale und Liebe, in dem sich Lorenzo Da Ponte bewegte. Sheila Hodges zeichnet
den Lebensweg dieses Mannes nach, eines Lebemannes vom Schlage
Casanovas, mit
dem er auch befreundet war - vital, temperamentvoll und hemmungslos.
(Bärenreiter)
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Richard Bletschacher: "Mozart und Da
Ponte. Chronik einer Begegnung"
Mozart und Da Ponte - der Musiker und
sein Librettist: die Geschichte eines historischen Glücksfalls.
Die drei
Opern, die Wolfgang Amadeus Mozart und Lorenzo da Ponte in ihrer nur fünf Jahre
währenden Zusammenarbeit geschaffen haben, zählen zu den größten Meisterwerken
des abendländischen Musiktheaters. Dieses Buch beleuchtet den seltenen
Glücksfall, der das gemeinsame Wirken zweier sehr unterschiedlicher Künstler
unter der Schutzherrschaft eines kunstsinnigen Kaisers im Zeitalter der
Aufklärung ermöglichte. (Residenz)
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Rodney Bolt: "Lorenzo da Ponte. Mozarts Librettist
und sein Aufbruch in die Neue Welt"
Er war Mozarts kongenialer Librettist, Gefährte Casanovas, notorisch erfolgloser
Tabak-, Buch- und Gemüseverkäufer und der erste Italienisch-Professor New Yorks.
Lorenzo Da Pontes bewegtes Leben als Kaiserdiener und Abenteurer,
Theater-Impressario und Bohemien ist noch nie so fundiert und geistreich erzählt
worden wie in der viel gelobten Biografie von Rodney Bolt.
Als Kind hieß er noch Emanuele. Bis sich sein Vater, ein jüdischer
Lederarbeiter, im antisemitischen Klima von Ceneda gezwungen sah, die Familie
taufen zu lassen und den Sohn nach dem dortigen Bischof zu benennen. Zehn Jahre
später erhält der Konvertit selbst die Priesterweihe - und wird nach
Bekanntschaft mit einer verarmten Patrizierin doch lieber Lehrer.
Das Leben Lorenzo Da Pontes ist geprägt von einer unablässigen Identitätssuche,
von freiwilligen und erzwungenen Rollenwechseln. Aus Venezien verbannt, kommt er
nach Wien und schafft gemeinsam mit Mozart drei der wichtigsten Werke der
Operngeschichte. Eine Intrige am Kaiserhof zwingt ihn zur Flucht nach London,
der finanzielle Ruin zum Aufbruch nach Amerika.
Mit erzählerischem Schwung schildert Rodney Bolt die Lebensstationen
einer der schillerndsten Figuren der
Musikgeschichte. Dabei spiegelt sein Buch zugleich eine politisch bewegte Zeit
und würdigt einen Künstler, der viel zu lange in Mozarts Schatten stand. (Berlin
Verlag)
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