Streifzüge durch die zeitgenössische Literatur anderer Länder |
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Griechenland |
(von Thomas Strobl) |
Griechenland! Land der tausend Inseln, der
Feigen und Oliven, der Griechinnen und Griechen, und nicht zuletzt Mutter
unserer abendländischen Kultur. Und um es auch so auszudrücken, dass sich Vater
und Taufpate nicht diskriminiert fühlen: so unzweifelhaft wie das Recht aus Rom
und die Religion aus dem Nahen Osten, ist unser Filosofie- und Kunstbegriff in
hellenischen Gefilden entstanden. Und war dabei so stark, dass er Europa noch zu
allen Zeiten bisher nicht nur Basis, sondern immer aufs neue Einfluss und
Anregung war. Von der Aristotelesrezeption der mittelalterlichen Theologie über
die Renaissance, das von Winckelmann geprägte Griechenlandbild der Klassiker,
die kühnen Projektionen der den
Unabhängigkeitskampf der Griechen kräftig
unterstützenden deutschsprachigen Elite zur Zeit der Romantik (Fürst Metternich
war leider die unrühmliche Ausnahme), das originelle und wahrscheinlich von der
historischen Wahrheit nicht allzu ferne
Griechenlandbild Egon Friedells im
frühen zwanzigsten Jahrhundert, zu allen Zeiten war Griechenland im
deutschsprachigen Raum präsent und wirksam. Und dies gilt natürlich erst recht
auch für unsere Zeit des zusammenwachsenden Europa.
Mit der Kunstproduktion der Griechen selbst
ging es freilich nach dem Goldenen bzw. Perikleischen Zeitalter, wie diese wohl
einzigartige kulturelle Hochblüte um 450 v. Chr. in Athen von den Historikern
genannt wird, fürs erste einmal kontinuierlich bergab. Römerherrschaft, das
freier Kunstentfaltung nicht eben holde klerikale byzantinische Imperium (nicht,
dass es im übrigen Europa im Mittelalter viel liberaler zugegangen wäre), und
schließlich als absoluter Tiefpunkt (aus Sicht der Griechen, versteht sich) die
Türkenherrschaft bis hinein ins Neunzehnte Jahrhundert machten es den Griechen
nicht einfach neue Sokrat- und Euripidesse entstehen zu lassen. So waren die
kreativsten Geister griechischer Zunge jahrtausendelang eher an der Periferie zu
finden, in Italien und den durch Alexanders Eroberungszüge entstandenen
griechischen Gemeinden in Nordafrika und dem Nahen Osten. Seit der politischen
Unabhängigkeit aber und spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts brachte und
bringt die Heimat Homers , wie es bei solchen Ahnen nur recht und billig ist,
wieder Dichter und Schriftsteller von beachtlichem Format hervor.
Eine Delikatesse jüngeren Datums ist der
Roman "Oktopusgarten" von Amanda Michalopoulou, die Autorin ist
1966 geboren und pendelt, was ihren Wohnsitz betrifft, derzeit zwischen Athen
und Paris. Gewiss ist auch vieles vom Leben der Autorin in dem Roman, so frisch
und spontan und mit einem sehr persönlichen Humor liest sich das ganze. Es beginnt
mit dem Tod des Vaters der Heldin des Buches (diese hört, passend zum Ort der
Handlung, auf den schönen Namen Athina) , eines berühmten Linguistikers, welcher
diese plötzlich ganz allein in einer riesigen Wohnung zurücklässt. Ihr Bruder
studiert gerade in London, die Mutter ist schon vor Jahren vor der Teilnahmslosigkeit
ihres nur für die Wissenschaft lebenden Mannes in die Arme eines seiner Fachkollegen
geflüchtet. Athina, die übriggebliebene Tochter, reagiert nun auf die neue Situation,
indem sie sich - obwohl an sich gar nicht besonders introvertiert veranlagt
- ganz in die Wohnung bzw. in sich selbst zurückzieht und damit die letzte Fase
im Leben ihres Vaters spiegelt, die auf Fernsehen und Teppichknüpfen reduziert
war. Das letzte, was sie noch mit dem äußeren Leben verbindet, ist ein Buch
ihres Bruders über ihrer beider Verwandtschaft, welches die betreffenden Personen,
inklusive der eigenen Familienangehörigen und ihrer selbst, aus der Sicht von
sie beobachtenden und über sie reflektierenden Speisen und Gewürzen (Knoblauchzehen,
Apfelmus etc.; Passagen daraus sind immer wieder in den Roman eingestreut) in
markanten oder typischen Momenten ihres Lebens zeigt. Indem Athina den Text
langsam und kontemplativ, wie es eben ihrem derzeitigen Gemütszustand entspricht,
aus dem Englischen ins Griechische übersetzt, findet sie langsam zumindest an
den tragikomischen Seiten des Lebens (selbst für Athener ist ihre Verwandtschaft
in der Summe leicht überdurchschnittlich skurril) Gefallen, vor allem aber beginnt
eine bis dahin brachliegende Begabung zu erwachen und zögernd ans Licht zu dringen
- das Kochen. Denn die Küche ist die große Kollektivleidenschaft der ganzen
Familie - unter ihren Onkels und Tanten befinden sich
berühmte Köche ebenso wie wandelnde kulinarische
Lexika und passionierte Esser, ihre Mutter, eine Malerin, arbeitet beispielsweise
mit Lebensmitteln statt mit Ölfarben oder ähnlich gebräuchlichen Stoffen. Als
Athina schließlich nach und nach ihrer selbstauferlegten Isolierung überdrüssig
wird, scheint das Leben dann aber umso mehr auf sie gewartet zu haben. Auf dem
Weg zu ihrer Selbstfindung fliegt die Heldin nach London, lernt dort einige
seltsame Studienkollegen ihres Bruders kennen, und wieder zurück nach Athen,
studiert hier die von ihrem Bruder beschriebenen Verwandten eingehend mit eigenen
Augen und lernt deren unterschiedliche Sichtweisen historischer Familienszenen
sowie ihren jeweiligen persönlichen Zugang zum Vorgang des Kochens und Essens
kennen, erlebt ferner in kurzer Zeit alle Hochs und Tiefs einer Liebesbeziehung
und landet schließlich in der
Kreativabteilung des Haubenlokals ihres
Onkels. Das Buch führt liebevoll und kenntnisreich durch die verschiedensten
Aspekte des Zubereitens und Genießens diverser Speisen, schildert mit originellem
Humor, einer melancholischen Leichtigkeit und vor allem glaubwürdig die Reifungsgeschichte
einer jungen Frau und singt dabei - wie dürfte es auch anders sein - ein großes
Loblied des Lebens im allgemeinen und (als dessen vielleicht überzeugendste
Metafer) der Kochkunst im besonderen.
Ersi
Sotiropoulos (geb.1953) lebt als freie Schriftstellerin in Athen. Für ihren
Roman "Bittere Orangen" wurde sie 2000 mit dem Griechischen Staatspreis
für Literatur ausgezeichnet. Dies vermag nicht weiter zu überraschen, denn -
so viel sei vorweggenommen - dem Roman eignet eine ganz spezielle Stimmung,
zusammengesetzt aus fiebriger Hektik, Alltagsskurrilität, sarkastischem Humor
und nicht zuletzt einer gehörigen Portion Absurdität, die einem Bürger Athens
nur allzu vertraut sein wird.
Im Zentrum des Romans steht ein Geschwisterpaar. Die weibliche Hälfte, Lia,
liegt im Zweibettzimmer eines Krankenhauses (Einzel wäre ihr bedeutend lieber,
aber wer ist schon ein Klassepatient!) mit einem, wie
sich im Lauf des Buches herausstellen wird, ebenso seltenen wie heimtückischen
Virus. Am Anfang geht es ihr jedenfalls noch recht gut; sie beobachtet interessiert,
amüsiert und vor allem streitlustig ihren Krankenhausalltag, wobei letztere
Gefühlsregung, daran lässt die Autorin in ihrer Beschreibung des Milieus keinen
Zweifel, sehr verständlich ist: Arroganz, Zynismus und Eitelkeit sind unter
den Ärzten ebenso verbreitet wie permanente Erschöpfung und Desinteresse bei
den Krankenschwestern. Ist dies nun an sich nichts ungewohntes in einem europäischen
Großkrankenhaus, erhalten die bekannten Verhaltensweisen doch eine zusätzliche
Schärfe, sobald die Autorin beginnt, Gedanken und Gefühle eines dieser Krankenpfleger
sprechen zu lassen. Es handelt sich bei diesem um den besonderen Feind Lias,
sie nennt ihn den Musterschüler, einen komplexierten, in seiner frustrierten
Sexualität beinahe schon psychotischen jungen Mann. In dem verzweifelten Bestreben,
nicht nur Opfer, sondern auch Täter zu sein, hetzt Lia schließlich ihren Bruder,
Sid, mit dem sie schon manche verrückten Abenteuer hinter sich und überhaupt
eine enge Geschwisterbeziehung hat, auf ihn. Sid allerdings führt die geplante
Attacke auf seine eigene, etwas fatalistische Art aus - konkreten Absichten
abhold ruft er den Krankenpfleger an, gibt sich erfolgreich (in Griechenland
nicht ganz so absurd wie anderswo!) als alter Schulkamerad aus und befreundet
sich in kurzer Zeit mit ihm. Sowie dies geschehen, jubelt er ihm , wovon er
sich eine Menge Ärger für den neuen Herrn verspricht, sein Haustier, einen ebenfalls
leicht meschuggen Beo, unter, und die hochgradig eigendynamischen
Ereignisse nehmen ihren Lauf.
Die ganze absurde und gekonnt komponierte Geschichte wird aus vier abwechselnden,
einander mehr oder weniger stark kontrastierenden Perspektiven erzählt: der
beiden Geschwister, des Krankenpflegers und eines zwölfjährigen Waisenmädchens,
Nina, die zusammen mit ihrer älteren Schwester bei entfernten Verwandten als
Kellnerin aufgenommen wurde. Nina ist insofern so etwas wie das Sprachrohr der
Autorin, als sie von allen Helden am stärksten unter der Lieblosigkeit und Pseudokommunikation
ihrer Umgebung leidet, "Scheintote" nennt sie ihre Mit- um nicht zu sagen Gegenmenschen,
denn mit ihrer freien, neugierigen und kreativen Art dem Leben zu begegnen,
stößt sie allerorts auf Unverständnis, Missgunst, bis hin zu Hass, dass ihre
Schwester "Soí", "Leben" heißt, muss als blanker Hohn gewertet werden.
Diese Vorwürfe, das Leben nicht auf eine würdige, freudvolle Art leben zu können
(daher konsequenterweise unwürdig zu sterben, um noch einmal auf das Krankenhaus
zurückzukommen) und die Unfähigkeit echter Kommunikation sowie - schön für uns
(Leser) - die Tatsache, dass das Leben selbst diesen unseligen Entwicklungen
entgegenwirkt, sind die Hauptaussagen des Romans, auf subtile Weise durchziehen
sie in den verschiedensten Variationen seine Handlungsstränge vom Anfang bis
zum Ende.
Und wir bleiben bei Kritik als Grundtenor. Von
Partnerschaftsproblematik, dem uralten Mann-Fraukonflikt und seinen Ursachen
handelt Maro Vamvounakis "Liebhaber und Rivale". Ein Paar in den
Mitdreißigern begibt sich auf einen Wochenendausflug, welcher trotz bester
Absichten in Streit und Zerwürfnis endet. Mit großem psychologischen Feingefühl
schildert die Autorin aus abwechselnder Perspektive das Innenleben ihrer
Antihelden. Beider innere Welten sind so beschaffen, dass die Flucht in falsche
Erwartungen und das Repräsentieren falscher Selbstbilder unvermeidlich scheint,
umso erschreckender, da gleichzeitig banal und dem Leser/der Leserin oft allzu
vertraut. Das gilt auch für jene Eigenschaften und Vorlieben, auf die sich die
beiden als außergewöhnlich besonders viel einbilden, die sie in ihren eigenen
Augen über die Masse erheben. Zwar wird hie und da das eigene (vor allem
natürlich das des anderen) Verhalten hinterfragt, doch wird bei diesem
Infragestellen, welches auch nur Symptome bekämpfen soll, zu schnell
haltgemacht, wer weiß, was für schaurige Dinge aus dem Innern der Seele zu Tage
kämen?! So bewegen sich die beiden so lange im Kreis, denken und fühlen so lange
in Stereotypen, bis die Katastrofe schließlich unvermeidlich ist. Freilich ist
auch diese keine im großen Stil, die einen echten kathartischen Prozess in Gang
bringen könnte, sondern eine kleine und daher letztlich die schlimmstmögliche.
"Liebhaber und Rivale" ist eine umfassende Auflistung und feine Beschreibung der
Mann-Frau-Unstimmigkeiten in der kleinbürgerlichen Welt, und in seinem Kern eine
fundamentale Kritik an dem Fehlen des Willens zur Klarheit.
Siranna Sateli ist die Dame mysterieuse der
griechischsprachigen Literatur, zum einen, weil sie so aussieht, zum andern,
weil sie - oh Exzentrik! - die sogenannte Öffentlichkeit meidet. Bekannt ist,
dass sie 1951 in Saloniki geboren wurde, in einer Kleinstadt in Nordgriechenland
aufwuchs, dass sie bald nach dem Erwachsenwerden ihr Land verließ, und seitdem
in Deutschland ebenso wie in Paris und Lissabon (und wahrscheinlich auch
anderswo) lebte.
In dem schmalen Erzählband "Die Traumtänzerin" tritt
die Autorin wieder ein in die nicht mehr existente Welt ihrer Kindheit.
Innerhalb von 9 filigranen (wie es im Untertitel heißt) Geschichten lässt sie
vor ihrem und des Lesers Auge allerhand Personen, die sie in ihren frühen Jahren
beeindruckten, wiederauferstehen, beschreibt einige mehr oder weniger seltsame
Vögel aus ihrer Verwandtschaft und Nachbarschaft, mit welchen Freuden, Leiden
und Leidenschaften diese in den Fünfziger und frühen Sechziger Jahren in ihrer
provinziellen Wirklichkeit ihr Leben lebten und welche Gefühle, Gedanken und
später dann Urteile sie in dem jungen Mädchen auslösten. Bemerkenswert ist, dass
es sich bei diesen Urteilen nie um moralische, immer um ästhetische handelt -
Sateli weiß und wusste offenbar schon damals genau, was sie gesehen und erlebt
hat, sie verfügt über eine unbestechliche Wahrnehmung und unerhört starke
Erinnerungskraft . Drei Ebenen mit ihrer jeweiligen Grundatmosfäre sind es, aus
denen die Geschichten gewebt sind, die einander wechselseitig durchdringen und
in dieser Gesamtheit einen einzigartigen ästhetischen Reiz ausüben: Das Kindsein
an sich, der Zauber des frischen Lebens, als jedes Ding (von den Tieren ganz zu
schweigen) noch eine Seele hatte und die Welt voll Wunder und geheimer
Entsprechungen wahrgenommen wurde, dem Zauber dieses Blicks, ob er nun einen
kleinen Käfer betrifft oder klassische prägende Ereignisse, erste Liebe, erste
Bekanntschaft mit dem Tod usw., vermag man sich nicht zu entziehen; ferner das
Eingebundensein in eine Großfamilie, das nicht nur Gefühle des Geborgenseins
bescherte, sondern auch Angriffsflächen und Abgrenzungsbedürfnis für einen
erwachenden, selbstbewussten Geist bot; und schließlich, zuerst als Flucht vor
der allzuengen Familie erträumt, später zunächst als raue Seite selbst erlebt,
die große weite Welt - die letzten Geschichten spielen im deutschen Teil
derselben, mit der Ich-Erzählerin Sateli bereits als junger Frau .
Wer beim Lesen der Traumtänzerin bedauern
sollte, dass das Lesevergnügen nur 120 Seiten währt (und
derer werden es viele sein), dem kann geholfen werden. Denn längst gibt es von
Frau Sateli ein Opus magnum. Die Länge der Größe bezieht sich dabei immerhin auf
854 Seiten, solange ist ihr der Roman "Und beim Licht des Wolfes kehren sie
wieder" geraten. Wiederum spielt das Geschehen in einer Stadt in
Nordgriechenland, wiederum in einer Großfamilie, von der die Autorin sagt, es
sei "eine so verzweigte Familie, eine Familie, die angesichts so vieler
unaufhörlicher Todesfälle und Eheschließungen - feierlicher und weniger
feierlicher - sich eine solche Flexibilität bewahrt, dass man, um die in ihr
gezeugten Kinder aufzuzählen, die Finger beider Hände mehr als zweimal brauchen
würde." Und Sateli fährt fort: "Diese Familie erinnert, je öfter wir daran
denken - und zumal es um ein Phänomen geht, das auch bei einer Generation zuvor
Triumphe feierte, aber genauso bei der darauffolgenden und bis heute -, sie
erinnert an ein listenreiches Spiel mit verwickelten Zügen und Überraschungen,
an einen Plan von jener Art, wie man ihn dem Teufel
zuschreibt."
Erzählt wird die Entwicklung dieser Familie im Zeitrahmen eines
guten halbes Jahrhunderts (statt knapp 20 Jahren wie in der Traumtänzerin), vom
letzten Drittel des 19. bis ins zweite des Zwanzigsten, alles dies eingebettet
in die gesellschaftliche Wirklichkeit einer nordgriechischen Provinzstadt. Aber
der Teufel ist bekanntlich überall (im übrigen ist er bei Sateli kein
ausschließlich negatives Wesen), und so handelt es sich um eine Familie, die
einige recht seltsame Blüten hervorbringt - das dem Roman vorangestellte Motto
handelt von Hunden, die fernab der Menschenwelt in kürzester Zeit wieder
Wölfen werden, der Titel geht in
dieselbe Richtung, man muss also schon auf einige größere Absonderlichkeiten
gefasst sein. Was Sateli mit diesem Plan anspricht, sind Dramaturgie und
Symbolik eines Lebenslaufs bzw. noch allgemeiner der Entwicklung einer Familie
über Generationen, welche Motive zu welchen Zeiten eines Lebens (oder einer
Familie) wiederkehren, und an denen eine künstlerische Seele wohl die
Handschrift eines Kollegen (und in manchen Fällen sogar die des geplumpsten
Erzengels) zu sehen vermag. So durchkreuzen den Roman denn auch (und sind
gemeinsam mit den Helden seine wichtigsten Bausteine) wiederholt dieselben
Namen, Motive, Charaktereigenschaften, Leidenschaften, archetypische Szenen usw.
Es handelt sich hierbei um Leitmotivik im besten Sinn, insofern sie nämlich
keineswegs konstruiert wirkt, sondern eine unglaublich authentische Atmosfäre
atmet. Die Autorin ist natürlich auch im asiatischen Raum bewandert, und man
kann bei den einzelnen Schicksalssträngen und deren Verflechtungen , wenn man es
will, Anklänge an das karmische Prinzip erblicken. Und natürlich ist ein Roman
dieser Länge auch konstruiert, doch speist er sich aus so vielen Quellen,
rationalen wie irrationalen, und insbesondere ist Sateli eine dermaßen grandiose
und leidenschaftliche Erzählerin, dass er sich dem Leser als wie aus einem Guss
erschließt. Deutlich wird immerhin, dass Sateli das Leben selbst bestens
studiert hat, mit einer klaren Vorliebe für seine Schattenseiten und Abgründe.
Und nachdem "es sich nicht vermeiden lässt, da wir anstatt leicht gangbarer
Pfade dieses Labyrinth gewählt haben, dass einige Personen schweigend im
Schatten bleiben, damit andere beleuchtet werden", sind es bei dieser Begabung
und diesem Geschmack klarerweise die interessantesten Personen, deren Lebensfäden
Sateli nachspürt, solche mit Vorliebe, die in ihren Neigungen und Leidenschaften
bis zum äußersten gehen, ob es ihnen nun Glück oder den Tod bringt, und auch
solche, die das Leben von Grund auf kennen ("Eingeweihte des Lebens" nennt sie
Sateli einmal), archetypische, jedenfalls aber markante Personen. Ob sie ihre
Helden nun erfunden hat oder vielleicht sogar bei ihren eigenen Ahnen fündig
geworden ist, Sateli schildert Menschen unterschiedlichsten Charakters in den
verschiedensten Lebenssituationen bis tief hinein in die hintersten Seelenwinkel
äußerst lebensnah.
Ein weiteres wesentliches Element des Buches ist die
Zeit. Sateli erzählt nicht linear, sondern in Sprüngen und steht auch überhaupt
nicht an, Entwicklungen und Ergebnisse vorwegzunehmen, um sie dann vielleicht
von einer anderen Richtung kommend wieder zu streifen - um diese Art eher
oberflächlicher Spannung ist es ihr nicht zu tun. Vielmehr geht es ihr dadurch,
dass sie das Handeln, Denken und Sprechen von Menschen unter die Lupe nimmt,
deren weitere Entwicklung man bereits kennt, um das Deutlichmachen der
Ambivalenz zwischen der eigenen zeitlichen Begrenztheit und der potentiellen
Größe des Augenblicks; Vergänglichkeit liegt wie ein großer Schatten über allem
Treiben, dadurch aber auch etwas, das diese übersteigt. Was sind wir letzten
Endes anderes als Stoff, aus dem die Träume sind, auch
diese berühmten Worte von Satelis
Schriftstellerkollegen aus England würden sich hervorragend als Motto für ihren
großen Roman eignen.
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