(...)
O Herakles! Was! Sokrates hier? Liegst du auch hier schon wieder auf der Lauer
nach mir, wie du gern plötzlich da auftauchst, wo ich dich am wenigsten
vermute. Warum bist du jetzt da? Warum hast du dich gerade hierher gelegt? Wieso
denn nicht zu Aristofanes oder wer sonst ein Spaßmacher ist oder sein
will? Nein, du hast es fertiggebracht, beim Schönsten in dieser Runde zu
liegen!
Da sagte Sokrates zu Agathon: Sieh, ob du mir helfen kannst! Denn die Liebe
dieses Menschen ist mir zu einer lästigen Sache geworden. Seit der Zeit,
da ich ihn zu lieben begann, darf ich keinen einzigen Schönen mehr anschauen
oder mich mit ihm unterhalten; sonst stellt der da aus Eifersucht
und Neid die wunderlichsten Dinge an, lässt Schimpfworte auf mich los und
wird beinahe handgreiflich. Gib also acht, dass er nicht auch jetzt etwas anstellt!
Versöhne uns vielmehr oder, falls er gewalttätig werden sollte, so
steh mir bei! Denn vor der Tollheit und Liebeswut dieses Mannes ist mir mächtig
bange.
Nein, entgegnete Alkibiades, zwischen mir und dir
gibt es keine Versöhnung. Doch hierfür sollst du mir ein andermal
büßen. Jetzt aber gib du mir, Agathon, einen Teil der Bänder
zurück, damit ich auch dieses Mannes wunderbares Haupt umwinde. Er soll
mir nicht vorwerfen, dich hätte ich bekränzt, ihn aber, der mit seinen
Reden über alle Menschen siegt - nicht bloß vorgestern einmal wie
du -, sondern allezeit - ihn hätte ich nicht bekränzt..
Sogleich nahm er einige von den Bändern, schmückte Sokrates damit
und legte sich dann hin.
Als er lag, habe er gesagt: Nun, ihr Männer, ihr kommt mir noch so nüchtern
vor! Das darf man euch nicht durchgehen lassen, nein! ihr müsst trinken!
So haben wir`s doch ausgemacht. Zum Zechmeister beim Trinkgelage wähle
ich, bis ihr genug getrunken habt - mich selbst! Agathon soll einen großen
Becher bringen lassen, wenn einer da ist. Doch nein! nicht nötig! He Bursche,
rief er, bring den Weinkühler dort her! - Sein Blick war nämlich auf
ein solch Gefäß gefallen, das mehr als zwei Liter fasste. Als man
es gefüllt hatte, trank er es zuerst selber aus; dann ließ er es
für Sokrates vollschenken und sagte dabei: Bei Sokrates, ihr Freunde, nützt
mir das Kunststück nichts; denn wieviel man ihm auch zumutet, soviel trinkt
er aus und bekommt trotzdem nie einen Rausch!
Der Diener schenkte also ein und Sokrates trank.
(...)
(aus dem "Symposion" von Plato)