Ein Gespräch, aufgezeichnet von Rudolf Gelpke
Einst lebte in Basra ein Novize der Mystik (morid), der ein Liebhaber der Haschischs war, und der von diesem ständig Visionen empfing. Der geistige Meister (pir) dieses Jünglings wußte das, und eines Tages brach er den Verkehr mit ihm ab und schloß ihn von seinem Unterricht aus. Darüber sehr unglücklich, suchte der Student seinen Lehrer auf und fragte ihn voll Demut, um welcher Schuld willen er denn so hart bestraft werden solle. Darauf erwiderte der Meister: Mache du mir keine Vorwürfe! Du hast Freundschaft geschlossen mit dem Asrâr ("Geheimnisse" = Haschisch), und er hat dich die Geheimnisse gelehrt. Dein Wurfseil hast du zum Palast des Himmels emporgeschleudert und folgst steilen Phantasien. Du schwebst in Höhen, wo menschliches Fassungsvermögen dich nicht erreichen kann. Drum habe ich beschlossen, dich nicht länger zu unterrichten, weil ich erkannt habe, daß du zur Stufe der Vollkommenheit gelangt bist. Demnach, so schließt der Haschisch, sei er als ein Vollender zu betrachten, der die Menschen ans Ziel ihrer Sehnsüchte führe.
Nun begibt sich der Ma'dschun als Botschafter des Haschischs zum Wein. Als dieser vernimmt, daß das Bier zu seinem Rivalen überging, ist er darüber keineswegs unglücklich, sondern froh, von einem niedrigen und zweifelhaften Verbündeten befreit zu sein. Dagegen steigert die Botschaft des Haschischs seinen Zorn auf diesen. Er läuft rot an und beginnt, seine Kriegsvorbereitungen zu treffen. Der Ma'dschun, der zur Ansicht gelangt, der Wein werde in der kommenden Auseinandersetzung den Sieg davontragen, sagt sich vom Haschisch los und schließt sich dem Wein an.
Inzwischen hat auch der Haschisch zum Kampf gerüstet, und bald stehen sich die beiden Widersacher mit ihren Verbündeten in Schlachtordnung gegenüber. Mazé ("Vorspeise") und Rosine - welch letzterer ja wohl ein Verwandter des Weines, wie auch ein Weggefährte des Haschischs ist - versuchen erst vergeblich zu vermitteln, schlagen sich dann auf die Seite des Weines, werden aber, wie auch der Spießbraten, vom Haschisch überwältigt.
Nun tritt der kriegsgewohnte Wein selbst und allein dem Haschisch gegenüber, nachdem er einige seiner Leute in einem Hinterhalt aufgestellt hat. Folgender Dialog geht dem Zweikampf voraus:
Wein: |
Ich bin der Enkel der Weintraube. |
Haschisch: |
Du bist schmutzig, während ich rein bin. |
Wein: |
Der Tischgenosse des Sultans bin ich. |
Haschisch: |
Und ich bin der Meister (pir) der Leute des Wissens. |
Wein: |
Mir steht das Urteil über Sinn und
Verstand zu. |
Haschisch: |
Ich bin ein in blau gekleideter Sufi (Mystiker). |
Wein: |
Ich besitzte die Farbe der Morgenröte. |
Haschisch: |
Und ich bin das Symbol der Himmelssphäre. |
Wein: |
Nur mit mir ist die Welt angenehm. |
Haschisch: |
Ich aber bin gar der Pol der Welt. |
Wein: |
Ich befreie die Bekümmerten vom Kummer. |
Haschisch: |
Was du kannst, vermag ich auch. |
Wein: |
Ich erleuchte die Versammlung. |
Haschisch: |
Mich beneidet das Grün der Wiese. |
Wein: |
Mein Weg führt zum Meister der Liebe. |
Haschisch: |
Meine Zufluchtsstätte ist eben dieser
Meister. |
Wein: |
Ich bin ein Junger, der die Welt verbrennt. |
Haschisch: |
Und ich bin ein alter Lehrender und Gelehrter. |
Wein: |
Mit Dir werde ich ein Ende machen. |
Haschisch: |
Schweig und überschreite deine Grenzen
nicht ... |
Nach dieser Wechselrede kommt es zum Kampf. Zuerst ist das Glück mit dem Haschisch, der seinen Gegner hart bedrängt. Als nun der Sultan Wein seine Niederlage vor Augen sieht, bereut er seine Untaten und legt vor Gott ein Gelübde ab, wonach er seine Gefangenen freilassen werde, ohne ihnen auch nur Vorwürfe zu machen, wenn ihm diesmal der Sieg gehöre. Das Gebet des Weines findet Erhörung. Seine Verbündeten brechen aus ihrem Hinterhalt hervor. Der Haschisch und seine Leute werden geschlagen und gefangen genommen.
Der Wein löst sein Gelübde ein. Er entläßt seine Gefangenen in Freiheit, weist jedem ein Amt zu und regiert als gerechter Herrscher. Aber aus Scham darüber, sich untreu geworden zu sein, entflieht endlich der Haschisch aus dem Dienst des Weines. Seither ist der Haschisch ein unsteter Wanderer, den die Furcht, vom Wein entdeckt und mißhandelt zu werden, herumtreibt. Darum hält er sich verborgen und meidet die Öffentlichkeit und die Stätten, die der Wein aufsucht.