"DIE FÜNFTE REISE SINDBADS DES SEEFAHRERS" (Auszug)
" (...)
Dann gab er mir mit der Hand ein Zeichen, ich sollte ihn unter die Bäume tragen;
und wenn ich mich weigerte, so schlug er mich mit den Füßen ärger als mit Peitschenhieben.
In einem fort wies er mit der Hand auf jede Stelle, die er erreichen wollte,
so dass ich ihn dorthin tragen musste. Wenn ich säumte oder langsam ging, so
schlug er mich; und so war ich bei ihm wie ein Gefangener.
Während ich mit ihm nun mitten auf der Insel unter
den Bäumen dahinlief, fing er auch noch an, mir die Schultern zu nässen und
zu beschmutzen. Tag und Nacht stieg er nicht herab, und wenn er schlafen wollte,
so wickelte er seine Beine fest um meinen Hals und schlief eine kleine Weile.
Wenn er dann wieder aufwachte, schlug er mich von neuem, und ich musste eilends
aufstehen und durfte ihm nicht zuwiderhandeln, weil ich sonst zu schwer von
ihm zu leiden hatte. Nun machte ich mir selber Vorwürfe, dass ich mich seiner
erbarmt und ihn auf meine Schultern gehoben hatte. Aber es ging noch immer so
weiter, und ich war in der größten Bedrängnis, die man sich denken kann.
Da sagte ich mir: "Ich habe dem Kerl Gutes erwiesen,
und er hat mir mit Bösem vergolten. Von jetzt an will ich, bei Allah, mein ganzes
Leben lang nie mehr einem Menschen etwas Gutes tun." Und ich bat zu jeder Zeit,
zu jeder Stunde Allah den Erhabenen, Er möchte mich sterben lassen; denn ich
konnte die schweren Anstrengungen und Qualen nicht mehr ertragen.
Dennoch musste ich eine lange Weile so weiterleben, bis ich schließlich eines
Tages mit ihm zu einer Stelle auf der Insel kam, an der viele Kürbisse wuchsen.
Manche von denen waren trocken, und so nahm ich mir einen großen, trockenen
Kürbis, schnitt ihn oben auf und höhlte ihn aus. Dann trug ich ihn zu einem
Rebstock, füllte ihn dort mit Traubensaft, schloss die Öffnung und stellte ihn
in die Sonne. Nachdem ich ihn dort eine Reihe von Tagen hatte stehen lassen,
war der Saft zu starkem Wein geworden. Und nun begann ich jeden Tag davon zu
trinken, um mich dadurch gegen die Qualen zu stärken, die ich von jenem rebellischen
Satan erlitt; und jedesmal, wenn ich von dem Weine trunken war, fasste ich neuen
Mut.
Doch eines Tages, als er mich trinken sah, fragte
er mich durch ein Zeichen mit der Hand, was das sei. Ich antwortete ihm: "Dies
ist etwas Gutes, das dem Herzen Kraft verleiht und das Gemüt neu belebt." Darauf
lief ich mit ihm unter den Bäumen umher und begann zu tanzen;
und in der Trunkenheit, die über mich kam, klatschte ich mit den Händen, sang
und war ganz ausgelassen. Wie er mich in diesem Zustande sah, machte er mir
ein Zeichen, ich sollte ihm den Kürbis geben, damit er auch trinken könne. Da
ich Angst vor ihm hatte, reichte ich ihm die Schale hin.
Und er trank alles, was noch darin war, sofort aus und warf sie weg. Nun wurde
er lustig und begann auf meinen Schultern hin und her zu wackeln. Schließlich
aber wurde er trunken, und ein so schwerer Rausch kam über ihn, dass seine Glieder
und Muskeln ganz schlaff wurden und er auf meinen Schultern zu schwanken begann.
Sobald ich merkte, dass er trunken und seiner Sinne nicht mehr mächtig war,
streckte ich meine Hand nach seinen Füßen aus, löste sie von meinem Halse, beugte
mich dann mit ihm vornüber und setzte mich, während er auf die Erde fiel.
Als ich den Satan
von meinen Schultern abgeworfen hatte, konnte ich es noch kaum glauben, dass
ich mich befreit hatte und dass ich meiner Not entronnen war. Und da ich fürchtete,
er könne sich aus seinem Rausche erheben und mir ein Leid antun, holte ich mir
einen großen Stein, der unter den Bäumen lag, trat an den Alten heran und schlug
ihm, während er schlief, so gewaltig damit aufs Haupt, dass sein Fleisch und
sein Blut ein Brei wurden.
Nun lag er tot da - Allah habe ihn nicht selig! Darauf schritt ich mit leichtem
Herzen über die Insel
dahin und kam wieder zu der Stelle am Strande, an der ich schon vorher gewesen
war. (...)"