Marcus Tandler

Recrutainment statt klassischem Bewerbungsprozess

Keine Branche ist mehr davor gefeit, nach Fachkräften aktiv suchen zu müssen. Der Wettbewerb um die besten Leute ist groß, Unternehmen bieten zahlreiche Annehmlichkeiten, um diese für sich zu gewinnen. Anstatt also darauf zu warten, dass sich Wissensträger von alleine dem jeweiligen Unternehmen vorstellen, müssen neue Wege eingeschlagen werden, um die Besten für das Team zu akquirieren.

Einer dieser Wege ist das Recrutainment, bei dem Unterhaltung, Information und persönliche Kontakte in einem Konzept kombiniert werden. Ziel ist es, Firmen zwar fachlich zu präsentieren, dies aber in einen spielerischen Kontext einzubinden. Das Vorgehen soll einen unverkrampften und persönlichen Kontakt zwischen potenziellen Mitarbeitern und den Entscheidern des Unternehmens herstellen, wodurch die Ziele Employer Branding und Selbstselektion der Bewerber integriert werden.

So wurde in Frankfurt zum Beispiel das Recrutainment-Projekt Banking 2.0 auf die Beine gestellt, das der Branche, insbesondere in Zeiten der Bankenkrise, zu einem besseren Image verhelfen und gleichzeitig potenzielle Mitarbeiter ansprechen sollte. Knapp 30 Absolventen und Young Professionals nahmen am Think Tank teil, den die Cirquent GmbH von der Agentur YOUNG TARGETS hatte organisieren lassen. Ziel des Think Tanks war es, dass sich Nachwuchskräfte mit der nahen Zukunft der Bank-Branche auseinandersetzen. In Teamarbeit sollten Zukunftsmodelle erarbeitet werden, wobei Experten von Cirquent stets beratend zur Seite standen. Spielerisches Element und „roter Faden“ bildete ein eigens entwickeltes Monopoly-Spiel (hier ein Video vom Event).

Einem Vortrag mit Praxisbeispielen aus der Beratung von Banken von Ralf Baust folgte die Keynote von Prof. Dr. Sonja Salmen über die Megatrends der Netzgesellschaft, Konsumverhalten in 2020 und der Vertrauenskultur im digitalen Netz. Im Anschluss an die Vorträge waren die Teilnehmer selbst gefragt: Mit dem gerade erhaltenen Input wurde in verschiedenen Gruppen das Banking 2.0-Spiel absolviert. Der große Garten des Veranstaltungsortes, eine Villa in Frankfurt am Main, wurde genutzt, um via „Empathy-Map“ und „Canvas-Modell“ ein zukunftsweisendes Geschäftsmodell zu erarbeiten. Einzig die „Spielführer“ aus jedem Team mussten im zehnminütigen Rhythmus im Vortragsraum an der Leinwand antreten um per Mega-Würfel die jeweilige Teamfigur auf dem Bank 2.0-Monopolyspielfeld vorzurücken. „Ereigniskarten“, „Beraterkarten“ oder „Gemeinschaftskarten“ konnten gezogen und gespielt, das erspielte Geld dann wiederum in Präsentationsmaterial, Hilfsmittel oder Beratung investiert werden. Die Teams präsentierten nach drei Stunden und überraschten mit ihren Ansätzen mehrfach die Jury, bestehend aus Ralf Baust, Prof. Dr. Salmen und dem Zukunftsforscher Dr. Eike Wenzel.

Den Ausklang auf der Terrasse bei Grillwurst und Steak bot erneut Gelegenheit, persönliche Kontakte zwischen Teilnehmern und Unternehmensvertretern herzustellen. Für das veranstaltende Unternehmen war die Aktion so erfolgreich, dass bereits der zweite Think Tank „Banking 2.0“ stattgefunden hat – und der nächste bereits in Planung ist.

Dass klassische Jobmessen und Open-Door-Veranstaltungen nicht mehr ausreichen, um als Hightech-Unternehmen passende und hochqualifizierte Mitarbeiter zu finden, haben bereits mehrere Unternehmen erkannt. Beim Personalmarketing auf außergewöhnliche Events und die viralen Effekte des Web 2.0 zu setzen, wurde in den letzten Jahren insbesondere im süddeutschen Raum angewandt: Die 1&1 Internet AG schickte Bewerber bei einem „IT-Geocaching“ zum Lösen technischer Fragestellungen in die Botanik. Beim JAVA BBQ konnte in München, Ettlingen und Frankfurt prozessoptimiert um die Wette gegrillt werden. Aber auch Kooperationsveranstaltungen wie die Jobtournee in Darmstadt oder Catch-the-Job sind erfolgreiche Formate, die von mehreren Unternehmen gemeinsam getragen werden, um Fachkräfte am Standort zu halten. Ganz aktuell buhlen über 20 Firmen auf der Plattform Nerd-Zone.com um den IT-Nachwuchs der TechnologieRegion Karlsruhe. Recrutainment ist also definitiv auf dem Vormarsch – spannend!

3 Reaktionen zu “Recrutainment statt klassischem Bewerbungsprozess”

  1. Ich durfte als Gast beim JAVA BBQ dabei sein, das war ein ganz toller und spannender, wenngleich auch nicht ganz günstiger event, dennoch wohl günstiger wie ein Headhunter und man lernt die Leute sofort persönlich kennen!

    Schulze, Thomas am 24. October 2011 um 15:55 Uhr
  2. Wie (fast) alles, was dazu dient, Bewerber und Recruiter in Kontakt zu bringen, ist Recrutainment eine gute Sache. Sich informell auszutauschen, das ist zudem oft besser, als in einem offiziellen Rahmen Small-talk zu machen. Aber ist Java BBQ wirklich informell, sind Veranstaltungen wie Banking 2.0 wirklich so spielerisch, dass ein „unverkrampfter und persönlicher Kontakt“ möglich ist? Bedingt, glaube ich.

    Immerhin, solche Treffen erlauben es den Bewerbern, sich ein Bild zu machen und für sich einzuschätzen, ob ein Unternehmen für eine Bewerbung in Frage kommt. Auch Plattformen wie Nerd-Zone haben ihre Berechtigung. Sofern sie regelmäßig upgedatet werden.

    Die für mich die wichtigste Frage in dem Kontext lautet allerdings: Was ist, wenn die Bewerber feststellen, dass das Recrutainment das einzig Unterhaltende in dem Unternehmen war, wo sie voller Begeisterung angefangen haben?

    Helge Weinberg am 24. October 2011 um 17:48 Uhr
  3. War schon auf einigen Recruiting-Veranstaltungen angesagter Consultingfirmen. Mit und ohne Entertainment. Unabhängig von der Frage der Vermittlung und Verpackung fand ich einen “Insider” besonders spannend. Den “war of talents” gibt es nicht (mehr), zumindest nicht im Bereich der heiß umworbenen Positionen des Managements…

    Jan Thomas Otte am 22. November 2011 um 23:17 Uhr

Ihre Meinung dazu:

Bitte lesen Sie vorm kommentieren meine Nutzungsbedingungen!





Hinweis: Ihre E-Mail-Adresse wird später nicht angezeigt. Kommentare können mit den üblichen HTML-Befehlen formatiert werden. Der Blogbetreiber behält sich allerdings vor, diese ungefragt zu löschen. Kommentare, die eine werbliche Absicht verfolgen – vor allem wenn diese als Werbung nicht kenntlich gemacht oder in der Absicht erstellt wurden, Betreiber und Leser über die wahre Absicht zu täuschen, werden ggf. in Rechnung gestellt.