rezensiert von Thomas Harbach
Mit der Geschichte des siebenten Sohns eines siebenten Sohnes – begonnen in „Septimus Heap: Magyk“ – hat die britische Autorin Angie Sage einen Überraschungserfolg verfasst. Nicht zuletzt geschrieben für eine Generation, die dank „Harry Potter“ auf Magie in jeglicher Form vorbereitet worden ist, stürmte der erste Teil der Reihe im Jahre des Erscheinens – 2005 – sogar die amerikanische Bestsellerliste. In liebevoller Aufmachung erscheint jetzt der zweite Teil der Reihe – „Flyte“ – wieder im Hanser- Verlag. Da es oft schwerer ist, eine überzeugende Fortsetzung zu produzieren, hat Angie Sage handlungstechnisch den Roman in fast zwei gleiche Teile geteilt. Septimus Heap hat nicht die Zeit, sich nach seinen langen Jahren im Exil an seine Familie wieder zu gewönnen. Im ersten Band hat er in den finsteren Sümpfen der Marram- Marschen den bösen Zauberer DomDaniel besiegen zu können. Seine Waggefährten sind inzwischen zu Freunden geworden. Gleich zu Beginn des zweiten Buches wird das Skelett aus den Sümpfen geborgen, der mächtige Zauberer ist nicht tot, nur in seiner Ehre besiegt. Das sich aus dieser Wiedererweckung Unheil für die Heaps ergeben wird, ist klar. Das erste Opfer ist allerdings nicht Septimus, sondern Jenna, die Pflegetochter der Heaps, welche sich in aller Ruhe auf ihre Aufgaben als zukünftige Königin vorbereitet. Nach einem langen Exil kehrt der jähzornige, eifersüchtige Bruder Simon zurück in den Familienschoss und raubt in einer spektakulären Aktion seiner Stiefschwester aus dem Schoss der Familie. Septimus muss sich aufmachen, um das junge Mädchen zu befreien und seinen Bruder zu stellen. Die Autorin lässt ihrem Hauptcharakter und damit auch den Lesern nicht die Zeit und den Raum, um richtig durchzuatmen. Auf eine weitergehende Einführung in den Hintergrund wird verzichtet – es ist empfehlenswert, mit dem ersten Band diese Reihe zu beginnen, insbesondere viele Hintergrundinformationen und Präsentationen von im Laufe des zweiten Buches immer wichtiger werdenden Charakteren finden sich dort, eine Wiederholung von zu vielen Fakten hätten den Lesefluss zerstört – Septimus muss gleich wieder die Familie verlassen, um in diesen Fall gegen ein Mitglied dieser Großfamilie zu handeln. Damit stellt die Autorin ihren Protagonisten gleich vor einen inneren Konflikt. Wie hart darf er gegen einen Bruder zuschlagen, der ihn hasst? Könnte er mit einer zu harten Bestrafung die labile, aber glückliche Struktur seiner neu gewonnenen Familie zerstören? Wie könnte Simon seiner Pflegeschwester Jenna schaden? Handelt es sich vielleicht doch nur im jugendlichen Imponiergehabe? Insbesondere in Simons Charakterisierung zeigen sich zu Beginn des Buches auffällige Schwächen. Die schwarz weiß Zeichnung ist zu plakativ, es wäre sinnvoll gewesen, den Charakter nuanciert und facettenreicher zu beschreiben. In ihrem ersten Buch war bis auf DomDaniel keine Figur wirklich durch und durch böse. Oder auf der anderen Seite rein. Immer wieder zeigten ihre Protagonisten menschliche Schwächen, welche halfen, die Brücke zwischen dem Leser und der farbenprächtigen fremdartigen Welt, in welcher diese agierten, zu überwinden. Hier ist der Auftakt des Buches sehr rasant, sehr packend geschrieben, was letzt endlich in dieser Exposition untergeht, sind die zwischenmenschlichen Komponenten. Augenscheinlich ist diese Entführung nur der Auftakt eines rasanten Verschwörungsplots, in dessen Mittelpunkt wieder die Zukunft des Reiches steht. Nachdem die Entführung einigermaßen glimpflich abgeschlossen worden ist – richtig spannend hat sie im Kern nie gewirkt, der Leser weiß, dass Septimus seine Schwester retten wird und Simon den Kürzen ziehen muss, nur die Frage nach dem Motiv erzeugt Spannung – beginnt Angie Sage ein wenig unentschlossen mit weiteren Handlungsfäden zu spielen, die schließlich alles wie ein Mosaikstück im letzten Augenblick zusammenfallen. Dabei greift sie auf die Vielfalt ihrer Charaktere aus dem ersten Buch zurück. Diese Vertrautheit überdeckt die Tatsache, dass im Grunde auf mehr als einhundert Seiten nichts geschieht. Es wird viel geredet, übereinander, miteinander und schließlich gegeneinander. Diese Dialoge sind gut übersetzt worden, manchmal sind sie einfach nur lustig, dann wieder unterhaltsam. Aber die Idee, dass Heap Stiefvater/ Stiefmutter eines Babydrachens wird, erinnert fatal an die ersten Robert Asprin Romane um den Zauberer Skeeve. Der Humor ist ähnlich – es gibt immerhin ein Handbuch, das Drachenpflegeeltern das Überleben sichern könnte -, voller Witz und Ironie geschrieben, aber es passiert zu wenig. Nachdem alle Protagonisten in Position gegangen sind, erfolgt die zweite Konfrontation mit Dom Daniel und seinem willigen Helfer Simon. Das Motiv der Eifersucht, das Gefühl, das jemand einem etwas weggenommen hat, mit dem er selbst – wenn er ehrlich mit sich ist – nichts anfangen konnte, ist ein interessantes Motiv, das aber zu schwach herausgearbeitet worden ist. Hat sich das erste Buch noch mit der Suche nach einer eigenen Position in der Gesellschaft – diese ist fast archaisch, aber nicht weniger komplex oder kompliziert, was Magie nicht alles verändern kann – auseinandersetzt gesetzt, stehen hier noch schwer begreifliche Emotionen wie Eifersucht und Liebe im Mittelpunkt. Im Auftaktband konnte sich die Autorin fast ausschließlich auf Septimus Position konzentrieren, hier wird die Bühne breiter. Neben Simon taucht auch wieder der Wechselbalg auf, der Septimus Position eingenommen hat. Im ersten Buch hatte sie das Schicksal eines namenlosen Kindsoldaten beschrieben, der schließlich sich als Septimus herausgestellt hat. Der Leser hat diese Tatsache schon lange vor allen Protagonisten geahnt, aber die Entwicklung dieser Figur war so faszinierend ergreifend beschrieben worden, dass man ihn trotzdem gefolgt ist. Hier fehlt das entsprechende Element und stellenweise wirkt die Konzeption zu geplant, zu wenig emotional und vor allem zu wenig spontan. Eine spürbare Leere breitet sich in der Mitte des Buches aus, diese kann Angie Sage auch nicht mit ihren originellen und unterhaltsamen Schöpfungen schließen. Gute Ideen aus dem ersten Buch – wie die Botenratte mit ihrem übersteigerten Ego – werden erwähnt, aber nicht genutzt, andere Ansätze – zum Beispiel der Versuch, einen Teil des Buches aus Simons verzerrter, aber vielleicht nachvollziehbarer Perspektive zu erzählen, aus der ersichtlich wird, dass die reine Verführung durch die dunkle Seite der Macht nicht nur Vorteile mit sich bringt, sondern das Simon vielleicht auch seine Familie und deren Bindung vermisst, dass er verzweifelt versucht, diese Gefühle einzuordnen oder zu verstehen – bleiben in ihren Anfängen stecken. Trotz dieser Schwächen ist „Flyte“ kein schlechtes Buch. Angie Sage kann erzählen. Ihr gelingt es – auch in der deutschen Übersetzung von Reiner Pfleiderer schwingt das nach – eine magische Welt zu erzeugen, die fremdartig ist und doch vertraut erscheint. Se versucht sich in der Konzeption des Hintergrunds nicht z sehr vom Wissen ihrer jugendlichen Leser zu entfernen, ganz bewusst finden sich immer wieder Anspielungen auf unsere nicht magische Realität. Einige Passagen wirken ein wenig zu klamaukartig geschrieben, andere enthalten einen packenden, warmherzigen Humor. Natürlich ist die Aufzucht von Drachenbabys keine neue Idee, aber zumindest schreibt sie kurzweilig darüber. Und für einige Lacher ist „Feuerspei“ gut. Diese Auflockerung des geradlinigen Plots ist eine willkommene Ablenkung. Die eigentliche Geschichte ist in zwei Teile aufgeteilt- Jennas Entführung und Befreiung und schließlich der nächste Versuch – wie das Ende suggeriert, wieder ein Pyrrhusssieg, das Böse ist immer und überall - , den verführerischen Einfluss der dunklen Mächte zurückzudrängen. Auf den letzten Metern des Buches fallen die Handlungsebene zu nahtlos, zu glatt ineinander und bilden eine Allianz gegen das Böse. Die finale Konfrontation – Bruder gegen Bruder – ist gut und emotional überzeugend geschrieben, es springt aber aus unerklärlichen Gründen nicht der berühmte Funke auf den Leser über. „Flyte“ ist eine klassische Fantasy inzwischen mit Drachen, Zauberer, einer mittelalterlichen Welt und sympathischen Charakteren, die zumindest im zweiten Band der Serie wie hinter Glas agieren. Für das obligatorische nächste Buch empfiehlt es sich, neben einem originelleren Plot insbesondere den im Auftaktband so faszinierenden emotionalen Weg der einzelnen Protagonisten nicht zu wieder zu beleben, sondern vor allem auszubauen. „Septimus Heap“ ist kein Ableger von „Harry Potter“, es ist High Fantasy vor einem Hintergrund, der an Walter Moers außergewöhnliches Zamonien erinnert – ein wenig fehlt ihr noch die Skurrilität eines Walter Moers, aber die Autorin arbeitet daran -, aber wie Walter Moers manchmal Schwierigkeiten hat, Hintergrund und Handlung zu einer zufrieden stellenden Einheit zu verschmelzen, hat Angie Sage das Problem, die emotionelle und handlungstechnische Ebene zu einem packenden komplexen Buch zu verbinden. Im Auftaktband ist es ihr dank einiger überzeugender Ideen und ungewöhnlicher Perspektive deutlich besser gelungen.
Angie Sage: "Septimus Heap 2- Flyte"
Sachbuch, Hardcover, 464 Seiten
Hanser 2007
ISBN 3-4462-0794-5
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