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Michael Marshall

Engel des Todes

rezensiert von Thomas Harbach

Mit „Engel des Todes“ legt Michael Marshall nach „der zweite Schöpfer“ den Mittelband seiner Trilogie um die „Straw Men“ vor. In England ist sehr erfolgreich im Frühjahr 2007 der dritte und aus heutiger Sicht abschließende Roman erschienen. Unter dem Namen Michael Marshall Smith hat der Autor eine Reihe von Offbeat Science Fiction Romane veröffentlicht, die alle außerhalb der gängigen SF Reihen auch in Deutschland erschienen sind. Im Jahre 2002 kürzte er nicht nur seinen Namen, sondern überraschte mit „Der zweite Schöpfer“ seine bisherigen Leser. Keine Spur mehr von dem britischen schwarzen Humor, das Buch ist ein dunkler Thriller, der phasenweise durch die beklemmende, nihilistische und verzweifelte Atmosphäre seinem Leser Angst machen. Es gibt eine Gruppe von „Straw Men“ genannten Männern, die Massenmorde inszenieren. Geführt werden sie von „The Upright Man“. Auf die Verschwörung dieser mächtigen Untergrundorganisation, die aus sadistischer Freude mordet, ist der Protagonist Ward Hopkins gekommen, als er in den Unterlagen seiner bei einem Unfall ums Leben gekommenen Eltern einen Hinweis findet, dass diese womöglich nicht tot sind, sondern sich nur abgesetzt haben. Außerdem soll er einen Bruder gehabt haben, der ausgesetzt worden ist. Auf der Suche nach der Wahrheit trifft er auf John Zandt, dessen kleine Tochter ebenfalls ein Opfer dieser Gruppe geworden ist. Im einsamen Kampf – die Behörden sind von ihnen unterwandert und können ihnen nicht helfen – schließt sich noch die Polizistin Nina an. Am Ende gelingt ihnen zumindest ein Pyrrhus- Sieg. Die „Straw Men“ zerstören vor einem neuen Massenmord ihren Stützpunkt in den Bergen und die drei Helden verstreuen sich. Das die Suche nach Paul, dem Upright Man weitergehen muss, steht außer Frage. Dieser ist natürlich rechtzeitig entkommen.

Mit der hier vorliegenden Fortsetzung nimmt Michael Marshall im Grunde alle Handlungsfäden wieder auf. Neuleser werden eher impliziert in diese inzwischen größer werdende Verschwörung einbezogen. Gleich von Beginn an führt der Autor mehrere Handlungsebenen sehr souverän nebeneinander. Selbst kleine Episoden, deren Bedeutung sich erst am Ende des Buches dem Leser erschließt, sind sehr sorgfältig und meistens am emotional überzeugsten konzipiert worden. Mit wenigen Strichen entwirft der Autor dreidimensionale, nicht immer sympathische Charaktere, um diese dann mit einer kleinen Bewegung zu vernichten, zu töten. Die Gewalt kommt immer aus dem Nichts, ist sehr brutal, mit sadistischen Zügen, aber nicht expliziert oder überzogen. Im Gegensatz zum ersten Roman wird der Leser mehr mit den Folgen dieser Gewalteruptionen konfrontiert. Auf der Höhe der Zeit setzt sich Michael Marshall sehr pointiert mit beunruhigen neuen Vergnügen der Menschen oder in diesem Fall der Männer auseinander. Das Spannen per Webcam spielt eine wichtige Rolle. Dabei geht es weniger um die sexuellen Aktivitäten der beobachteten Frauen, sondern die anonymen Männer versuchen passiv an ihren nicht unbedingt aufregenden Leben teilzunehmen. Nicht umsonst heißt der Roman im englischen original „The Lonely Dead“. Das einsam lässt sich auf alle Figuren des Buches übertragen. Während der Upright Man seine Einsamkeit genießt, um seine sadistischen Taten in einem ultimativen Opfer kumulieren zu lassen, leiden seine drei Jäger aus unterschiedlichen Gründen an ihrer Unfähigkeit, eine neue Partnerschaft zu beginnen. Wandt agiert genauso brutal wie seine Gegner. Er scheut sich nicht, Verbrecher zu foltern und zu töten. Dabei überschreitet er mehrmals die Grenzen des Zuträglichen, aber für die Sache ist ihm jedes Mittel recht. Obwohl er über weite Teile des Buches im wahrsten Sinne des Wortes sich im Land verliert und handlungstechnisch untertaucht, ist seine Präsenz nicht zuletzt aufgrund der ständigen Gespräche über ihn immer deutlich spürbar. Nina hatte eine Beziehung oder Affäre nach den Ereignissen von „Der zweite Schöpfer“ mit ihm, die an seiner Unfähigkeit, die Dinge nur für einen Augenblick ruhen zu lassen, gescheitert ist. Sie selbst ist einsam. Sie verkriecht sich in ihren Beruf als FBI Agentin ohne Privatleben. Trotzdem bleibt eine spürbare Leere in ihre zurück, die insbesondere in ihren wenigen ruhigen Szenen an die Oberfläche tritt. Wandt Hopkins ist in der ersten Hälfte des Buches auf der Flucht vor den „Straw Men“. Es scheint, als wollten diese mit ihm spielen. Ihre Macht zeigen sie ihm, als sie sein Konto bis auf einen Cent elektronisch abräumen und ihm somit die Bewegungsfreiheit zu nehmen suchen. ER selbst ist besessen von dem Gedanken, seinen Bruder, sein Alter Ego zu treffen und zumindest gefangen zu nehmen. Zusammen mit Nina vertritt er in diesem dunklen Buch die menschliche Seite, die nicht nach dem biblischen Prinzip des „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ lebt. Aber Nebenfiguren wie die ältere Patricia, deren Lebens- und Liebesgeschichte außergewöhnlich warm und einfallsreich zusammengefasst wird, geben dem Thriller eine überraschende Tiefe. Michael Marshall lässt sich in Bezug auf seine Protagonisten Zeit, deren Isolation zu durchbrechen. Sie müssen die spektakulären Ereignisse des ersten Bandes erst verarbeiten, Luft holen. Kaum beginnen sie die Ereignisse zu verarbeiten, werden sie an unterschiedlichen Fronten, deren Zusammenhang sich dem Leser erst später erschließt, wieder von den Ereignissen eingeholt. Auch wenn die Organisation der „Straw Men“ immer noch aktiv ist, konzentriert sich der Autor schließlich auf die vorerst finale Konfrontation zwischen den beiden Brüdern. Hier präsentiert der Autor in den einsamen Wäldern einen sich über fünfzig Seiten hinziehenden packenden Showdown. In der Erhabenheit und Endlichkeit der amerikanischen Wälder kämpft eine Handvoll Menschen ums Überleben und um den eigenen Verstand.

„Engel des Todes“ wird in erster Linie durch seine Verschwörungsstruktur aus der Masse der geradlinig klassischen Thriller herausgehoben. Reduziert man die beiden Romane auf ihren grundlegenden zusammenhängenden Plot, bliebe nicht viel Empfehlenswertes über. Junger Mann erleidet einen plötzlichen Verlust, ein Killer bringt Menschen um, wird von der überforderten Polizei und dem jungen Mann gejagt, dieser stellt bei den Recherchen eine unheilvolle Verbindung fest und am Ende wird der Killer gestellt. Um diese sehr geradlinige Handlung herum hat Michael Marshall einen komplexen, griffigen Verschwörungsplot geschrieben. Dazu kommt die ungewöhnliche, fast barocke Atmosphäre, die viele der in einer überzeugenden Gegenwart spielenden Passagen auszeichnet. Schon im ersten Buch hat Michael Marshall angedeutet, dass die gut ausgerüstete Organisation der „Straw Men“ für eine Reihe von Massenmorden verantwortlich ist. Mit dem vorliegenden Buch geht er noch einen Schritt weiter. Anscheinend sind die Vorfahren dieser Männer aus allen Teilen der Welt nach Amerika gekommen Lange vor den ersten europäischen Siedlern. Sie haben mit dem Erzabbau und dem Verkauf ein Vermögen verdient. Als die ersten Europäer in die Weiten des amerikanischen Kontinents eingedrungen sind, haben sie diese ermordet und die Schuld den Indianern in die Schuhe geschoben. Als die Massen zu strömen begannen, haben sie sich in dieser Gesellschaft assimiliert, ihre Sendungsbewusstsein und ihren Glauben, etwas Besseres als die Mitmenschen zu sein, nicht aufgegeben. Sie haben die Massaker organisiert, um die Menschen ihrem Gott zu opfern. Dazu kommen einzelne brutale Taten, um zumindest die Struktur der sie umgebenden Staaten zu kontrollieren. Ihr Einfluss reicht soweit, dass sie sich schließlich zum Königsmord entschlossen haben, um ihren Göttern zu gefallen. Der Ermordung Kennedys. Die Verschwörungstheorien werden von Michael Marshall auf das Podest der Mythen und Sagen erhoben. Der Geschichten, welche die Historie der Vereinigten Staaten seit ihrer Gründung begleitet und geformt haben. Diese mit sehr viel Überzeugung und einer Mischung aus fiktiven und historischen Fakten präsentierte Theorien fügen sich nahtlos in die Geschichte der „Straw Men“ und ihres Kopfes – von Anführer lässt sich aufgrund der Faktenlage noch nicht sprechen – ein. Der Autor versucht dieser geheimnisvollen Organisation eine Geschichte zu geben und damit den Versuch der drei sehr unterschiedlichen Menschen, sie zu zerschlagen, als aussichtslose Unternehmung zu charakterisieren. Dieser dunkle Ton hebt „Engel des Todes“ wie auch „Der zweite Schöpfer“ aus der breiten Masse der simplen Thriller- Unterhaltung heraus. Im Gegensatz zu anderen Autoren nutzt Michael Marshall diese Ideen nicht populistisch aus, sind werden mit der gegenwärtigen Handlungsebene effektiv und nahtlos verbunden. „Engel des Todes“ – auch wenn der deutsche Titel unglücklich gewählt ist, denn insbesondere Paul sieht sich nicht als Engel an, sondern als Sendbote und/oder Vollstrecker – ist ein nihilistisches Buch, an dessen Ende ein kleiner Funke Hoffnung besteht. Der Roman spielt auf einsamen Straßen, in abgelegenen Hotels, in der weiten urwüchsigen Natur. Dazu kommt mit dieser ungeheureren Generationenalten Verschwörungstheorie ein phantastisches, ein fast übernatürliches Element. Die Charaktere sind bodenständig beschrieben worden, der Leser nimmt ihnen die Qual ab, weiter nach dem brutalen Mörder suchen zu müssen. Sie sehen es eher als Last denn als Bestimmung an. Die Actionsequenzen sind sehr gut geschrieben worden. Michael Marshall beherrscht die Fähigkeit, seine Leser von Beginn an zu packen und mit harter Hand durch eine vielschichtige, auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig ablaufende aber in einem Höhepunkt kumulierende Handlung zu führen. Als Mittelteil der Trilogie fehlt dem Roman
aber bis auf die Hintergrundinformationen das Überraschungselement, viele Ideen aus seinem hervorragenden und beängstigendem ersten Roman werden extrapoliert, es kommen aber keine neuen Ansätze hinzu. In soweit ist „Der zweite Schöpfer“ das bessere, das überraschende Buch. Es wäre schön, wenn sich nach der Lektüre des dritten Bandes der Serie „Engel des Todes“ als der Teil erweisen würde, der dem Luftholen gedient hat.

Michael Marshall: "Engel des Todes"
Roman, Hardcover, 455 Seiten
Droemer 2007

ISBN 3-4261-9637-9

Weitere Bücher von Michael Marshall:
 - Blutbruder

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