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Markus Heitz

Kinder des Judas

rezensiert von Thomas Harbach

Mit „Kinder des Judas“ legt Markus Heitz nach dem Doppel- Werwolfroman „Ritus“/ „Sanctum“ seinen Vampirroman vor. Wie der Werwolfband verbindet Heitz zwei Handlungen miteinander, die stringent und chronologisch aufeinander zulaufen. Im Vergleich allerdings zu „Ritus“ und „Sanctum“ nimmt die in der Gegenwart spielende Handlung zu Beginn nicht nur einen breiteren, sondern vor allem den weit aus interessanteren Teil des Spannungsbogen ein. In der zweiten Hälfte des Buches kümmert sich Heitz sehr stark um die Ereignisse der Vergangenheit und vernachlässigt teilweise für den Leser frustrierend die Gegenwartshandlung.
Die Krankenschwester Theresia besitzt die Fähigkeit, den baldigen Tod anderer Menschen vorherzusehen. Sie begleitet die Sterbenden, fühlt sich aber nicht in der Lage, den überlebenden Angehörigen Trost zu spenden. Für die Patienten ist sie die Seele des Krankenhauses, der Trost in den letzten Stunden spendet. Sie hat aber – wie es sich fast gehört – ein Doppelleben neben ihrer durchschnittlichen bürgerlichen Existenz. Sie ist eine scheinbar alterlose Vampirin, die dem Bündnis der "Kinder des Judas" angehört und bereits über dreihundert Jahre alt ist. Neben ihrem Beruf als Krankenschwester nimmt sie an illegalen Gladiatorenspielen teil, die sie dank ihrer übermenschlichen Kräfte nie verliert. Als ihr Bruder auftaucht und sie wieder zu manipulieren beginnt, ordnet sie ihre Gedanken und schreibt – sicherlich auch um sich vor dem eigenen Gewissen zu rechtfertigen – ihre Geschichte auf. Diese beginnt im von den Türken besetzten Osteuropa des Jahres 1670. Die achtjährige Jitka lebt dort alleine und in stolzer Armut mit ihrer Mutter. Jitkas Mutter wird nach einer Intrige von den Besatzern gefangen genommen und getötet, dem Mädchen gelingt die Flucht auf den Hof des Lehnsherren. Bald darauf nimmt sie der angeblich im Krieg gefallene Vater Karol bei sich auf. ist. Er ist ein edel aussehender Wissenschaftler, der eine abgelegene Mühle bewohnt. Das wissbegierige Mädchen fasst Vertrauen und wird in den folgenden Jahren von ihm unterrichtet.

Mit vierzehn Jahren erfährt Jitka, die sich nun Scylla nennt, dass ihr Vater einem Geheimbund von Forschern angehört, in den sie ebenfalls eintreten soll. Scylla muss jedoch erkennen, dass die Mitglieder nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Vampire sind. Auch sie trägt dieses Erbe mit sich herum. Als sie sich in einen jungen Burschen verliebt und ihre Unschuld verliert, wird sie zu einer Gefahr für den Bund der Kinder des Judas. Weiterhin verbirgt sich hinter dieser Vereinigung mehr als eine Gruppe von wissenschaftlich orientierten Vampiren.
Ganz bewusst hat MarKus Heitz seine Vampirsaga – wie auch seinen Werwolf- Roman – auf historischen Fakten aufgebaut und sich bemüht, dem Klischees des edlen Grafen Dracula ebenso zu entkommen wie der mörderischen, blutrünstigen Bestie. Von beidem findet sich etwas im vorliegenden Buch, aber es ergänzt eher die Lebens- und Leidensgeschichte der Protagonisten. Diese dient als Spiegel des Betrachters, wie sie lernt der Leser die heimliche Geschichte der Vampire. Diese bemühen sich, ihrer Schwäche nach Blut nicht all zu offen nachzugehen, jede Popularität ist ihnen zuwider. So glauben sie in ihrer Religion an ihre Abstammung von Judas und tragen sogar das Kreuz als Zeichen ihrer Christusverehrung. Ohne Judas gäbe es die christliche Religion und darum bezeichnen sich die Vampire als Judaskinder. Für die einfache Bevölkerung sind es Gottesverräter. Das liegt zum Teil auch an den Forschungen der Vampire, die sehr stark an Baron Frankenstein erinnern. Diese Ähnlichkeit ist sicherlich von Markus Heitz beabsichtig, denn in ihren Kellern erinnern an die Wissenschaftler des Bundes der Judaskinder an den berühmten Baron. Und wenn sie Leichen oder Körperteile konservieren, um ihre Forschungen voranzutreiben, nimmt der Leser Heitz´s Vampire als frühintellektuelle wahr. Diese verschobenen Perspektiven beherrscht der Autor nicht zuletzt durch seine subjektive Erzählstruktur sehr gut. Der Leser erfährt – wie die „Heldin“ – die wichtigsten Informationen nicht in Scheibchen und nicht selten stellen sich die ersten Hinweise als absichtliche Finten heraus. Das erhöht die Spannung auf der einen Seite, auf der anderen Seite erhält der Leser sehr spät einen zufrieden stellenden Gesamtüberblick über das Geschehen. Die ominösen Hinweise in manchem Kapitelschlusssatz wirken eher konstruiert als wirklich literarisch überzeugend.
Außerdem hat man das Gefühl, als sollte „Kinder des Judas“ auch wieder ein Zweiteiler werden. Ob Autor oder Verlag sich entschlossen haben, statt dessen einen umfangreichen Paperback zu veröffentlichen, bedarf der Klärung. Der Text wirkt in einigen Phasen sehr unausgewogen, die Balance zwischen einigen Begebenheiten, die ungewöhnlich detailliert und überzeugen beschrieben worden sind, und anderen ebenfalls wichtigen Stellen, die oberflächlich und im Vorbeigehen behandelt werden, ist spürbar.

Der erste harte Sprung folgt nach Scyllas Erkenntnis, das sie eine Vampirin ist. Vergleicht man den Zeitraffer, in dem mehrere elementare Jahre abgehandelt werden mit der Zeit nach der Aufnahme bei ihrem Vater und den Beginn ihrer insbesondere intellektuellen Ausbildung, wirkt der zweite, im Kern wichtigere Abschnitt oberflächlich und hektisch zusammengerafft. Gegen Ende des Buches fasst sie in erstaunlich wenigen Worten ihr immerhin zweihundertjähriges Leben, dem der Leser über weite Strecken ja literarisch durch ihre Memoiren gefolgt ist, noch einmal unnötigerweise zusammen. Dann folgen zwei Kämpfe, in denen Pyrrhussiege erringt. Insbesondere diese emotional wichtigen Szenen beschreibt Markus Heitz enttäuschend distanziert, unabhängig davon, dass die Plotausrichtung schon sehr weit im Vorwege auf diese Doppelkonstruktion hinweist. Ihr fehlend dem Roman überraschende Elemente und interessante Alternativen. Auch der Abstecher in die Undergroundringerszene wird letzt endlich auf einen Katalysator reduziert. Das sie sich als Vigilantin versucht, ist ein weiteres interessantes Versatzstück, das der Autor mehr oder minder nach belieben hin und her schiebt, aber letzt endlich nicht bis in den Kern beleuchtet. Der Kontrast zwischen ihren Reaktionen auf diverse Angriffe und ihrer eigenen Haltung als Angreiferin hätte in einem emotional befriedigenden Roman deutlich nuancierter und teilweise subtiler beschrieben werden können. Die erste wirklich unrealistische Reaktion kommt, als ihr Vater mit knapper Not einem tödlichen Angriff entkommt und Scylla in ihren Tagebuchaufzeichnungen - das stellen ja im Grunde die Zwischenkapitel letzt endlich nur da - ihre Verängstigung und Unsicherheit in extrem nüchternde Worte fasst. Am Ende ist die Auseinandersetzung mit den schnell als wahrscheinlichste Opponenten herausgestellten Charakteren blutig, bestialisch und doch vorhersehbar. Am zwischen den einzelnen zu abrupten, hektischen Kapiteln, welche darauf hindeuten, dass das ursprüngliche Konzept deutlich ambitionierter und zumindest für mehr als einen Paperback konzipiert worden war, finden sich ruhige, interessante Passagen. Diese leben in erster Linie von den gut gezeichneten, wenn auch nicht immer absolut überzeugenden Charakteren.

Im Mittelpunkt beider Erzählstränge steht Scylla, die als kleines Mädchen noch Jitka heißt, sich später nach der Rächerfigur aus der griechischen Mythologie umbenennt und im einundzwanzigsten Jahrhundert den Namen Theresia trägt. Ihre Namensänderungen spielen nur zum Teil ihr sich veränderndes Wesen wider. Insbesondere Teresia ist nicht nur der Engel des Krankenhauses, sondern ein Adrenalinjunkie. Weiterhin hat sie eine Liste von Namen entfernter vampirischer Verwandter, die sie töten möchte, damit sich die Art nicht weiterverbreitet. Wie Teresia nach Herausforderungen - daher auch die Undergroundkämpfe - und Nervenkitzel - sie ist unter anderem auch weiblicher Türsteher in einem Gothic Club - sucht, jagt Jitka nach der Aufnahme bei ihrem Vater nach Wissen. Der Kontrast ist gut gezeichnet, der Leser erkennt deutlich, das die beiden Frauencharakteren in eine Person sind und welchen Einfluss insbesondere die Erlebnisse der Vergangenheit auf die Gegenwart haben. Der Schwerpunkt des Buches liegt allerdings in ihrer Vergangenheit Der Leser wird Augenzeuge, wie die wissbegierige Jitka in einer abergläubischen, barbarischen Welt heranwächst, wie sie unter dem sorgsamen Blick ihres geheimnisvollen Vaters zu einer Gelehrten reift, deren Leben sich vorwiegend in der Bibliothek und im Labor abspielt. Sie vertraut ihrem Vater grenzenlos. Ihre Welt bricht erst zusammen, als sie sich in jugendlicher Naivität in einen Hirtenjungen verliebt und ihm versucht, zumindest einen kleinen Teil ihres Wissen beizubringen. So anrührend diese Szenen auch erscheinen, teilweise bemüht Markus Heitz auch jedes Klischees auf dem Niveau des Heimatromans. Natürlich wird sie schwanger, was die Pläne ihres Vaters durchkreuzt, der sich schließlich in seinem Zorn an dem Schänder rächt und gleichzeitig seiner Tochter eine Lehre erteilen möchte. Damit beginnt er weniger den Keil in sein Verhältnis zu seiner Tochter zu treiben, sondern sie von der ehrenwerten Forschergesellschaft der Kinder des Judas mit fatalen Folgen bis in die Gegenwart zu entfremden. Scylla bleibt eine zum Teil waghalsige Einzelkämpferin im Grunde gegen die Menschen - obwohl sie zumindest die Bewohner der ihr anvertrauten Gemeinde schützt - und die übernatürlichen Wesen. Über weite Strecken des Buches durchaus glaubhaft werden ihre Zwiespälte geschildert, Gegen Ende des Romans überfliegt Markus Heitz allerdings im wahrsten Sinne des Wortes die Jahrhundert, greift ein wenig lesbische Liebe auf und entwickelt seine interessante Figur in einigen elementaren Szenen zu wenig weiter. Aber zumindest die Liebesgeschichte ist weites gehend ohne Kitsch erzählt, auch wenn Heitz in diesen Szenen Scylla auf ein Niveau einer normalen, hübschen Frau mit einem ungeheuren Wissensdrang teilweise reduziert. Es darf nicht vergessen werden, dass der Leser Scyllas Tagebuchaufzeichnungen - einige Generationen später geschrieben - liest und hier wäre es sinnvoller, nicht den klassischen Ton des Historienromans per se anzuschlagen. Denn Scylla will dem Leser ihr Leben erzählen und keine Geschichte erfinden. Darum ist der Kontrast zwischen der immer noch teilweise unbekannte Teresia und der Scylla des 17. Und 18. Jahrhunderts fast zu stark, zu streng. Die zweite, interessanter angelegte und eher den Vorstellungen des Vampirfürsten entsprechende Figur ist natürlich Scyllas Vater. Von klein auf glaubte Jitka, ein Jugendfreund ihrer Mutter, der als Soldat gefallene Radomir, sei ihr Vater gewesen, bis plötzlich Karol Illicz vor ihr steht und sie bei sich aufnimmt. Seine vornehme Kleidung samt Weißhaarperücke verwirren sie, auch seiner Angabe, dass er viele Jahre krank gewesen sei und sich daher nicht eher melden konnte, mag sie nicht recht trauen. Immerhin hat das Mädchen gerade seine Mutter verloren und dank des Auftauchens dieses Retters aus höchster Not kann sie nicht nur überleben, sondern ein Leben führen, wie sie es sich in ihren Träumen nicht vorgestellt haben mag. Andererseits fühlt sie sich rasch geborgen bei ihrem noch fremden Vater, der der einzige Mensch geblieben ist, dem sie noch vertrauen kann. Je älter sie wird, desto mehr ahnt sie, dass es Geheimnisse zwischen ihnen gibt. Ein Vertrauensbuch, sie erkennt nicht, dass diese in erster Linie zu ihrem eigenen Schutz sind. Auf der anderen Seite spielt ihr Vater ein eigenes gefährliches Spiel gegen den Orden der Vampire. Er verfügt aufgrund seiner Forschungen über Wissen, das die Geschichte der edlen Vampire auf den Kopf stellt. Damit macht er sich mächtige Wesen zum Feind und der Roman bezieht in Hinblick auf seine Figur die Spannung aus seinem teilweise sehr ambivalenten Verhalten.

Mit Marek, ihrem Halbbruder, führt Markus Heitz natürlich den notwendigen Antagonisten ein. Er kann charmant sein, begehrt aber seine Schwester über die platonische Zuneigung hinaus. Manchmal Retter - insbesondere zu Beginn des Buches - später Todfeind. Er verfolgt seine Schwester über die Jahrhunderte und ist natürlich der Antagonist in der am Ende unvermeidlichen Konfrontation sowohl in der Vergangenheit als auch der Gegenwart. Allerdings wirkt die Figur eher aus der Spannungsnot geboren und agiert teilweise zu vorhersehbar und klischeehaft. Hier hätte Heitz gegen die Erwartungshaltung des Lesers charakterisieren können und müssen.

Wie in „Ritus“ und „Sanctum“ hat sich Markus Heitz bemüht, die Vergangenheit soweit wie möglich intakt zu lassen und seine Geschichte in das 17. Jahrhundert und das Osmanische Reich zu integrieren. Dabei stehen weder die große Politik noch die Kriege im Mittelpunkt der Erzählung, Heitz konzentriert sich wohltuend auf die kleinen Episoden wie die adligen Tyrannen und den Aberglauben des Volkes. Die tatsächliche Vampirpanik des Jahres 1732 in Medvegia- ein historischer Fakt - wird ebenso in den Spannungsbogen eingesponnen wie der teilweise Rückgriff auf historische Personen, denen die fiktiven Charaktere begegnen. Insbesondere die Vergangenheitsepisoden lesen sich sehr kompakt und spannend, im weiteren Verlauf der Handlung sind die Sprünge allerdings teilweise ärgerlich. Natürlich lässt sich nicht ein ganzes Leben in einen Roman packen - wenn es über zweihundert Jahre andauert -, aber teilweise verliebt sich Markus Heitz selbst in die Vergangenheit der Geschichte und spinnt sie in der Gesamtbetrachtung zu stark aus. Die Gegenwart ist robuster, wenn auch weniger farbenprächtig - das hat nichts mit dem Ambiente zu tun. Nach einem sehr starken Anfang konzentriert sich Heitz vor allem auf eine morbide Atmosphäre und die Attribute - Schnelligkeit, eine überlegene Kraft und Rücksichtslosigkeit -, welche der Leser inzwischen mit einem modernen Vampir verbindet.

„Kinder des Judas“ ist ein unterhaltsamer Vampirroman, der versucht, nicht nur Historie mit einem wohligen Grusel zu verbinden - da reiht sich das Buch in Erzählungen wie „The Historian“ oder „The Book of Renfield“ ein -, sondern eine geradlinige Geschichte spannend, aber teilweise auch Herausforderungen geschickt meidend zu erzählen.
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Markus Heitz: "Kinder des Judas"
Roman, Softcover, 698 Seiten
Knaur- Verlag 2007

ISBN 3-4266-6277-9

Weitere Bücher von Markus Heitz:
 - Blutportale
 - Collector
 - Die Zwerge
 - Judassohn
 - Judastöchter
 - Oneiros- Tödlicher Fluch
 - Ritus
 - Sanctum
 - Schatten über Ulldart
 - Vampire! Vampire! - Alles über Blutsauger

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