Buchecke


:: Home
:: Suche


:: 24 (4)
:: Abenteuer (55)
:: Alias (1)
:: Babylon 5 (7)
:: Buffy & Angel (25)
:: Comics (diverse) (17)
:: Die Bibliothek von Babel (30)
:: Fantasy (diverse) (181)
:: Farscape (1)
:: Heftromane (314)
:: Horror (diverse) (168)
:: Komödien (diverse) (2)
:: Krimi (diverse) (59)
:: Literatur (diverse) (26)
:: Mystery (diverse) (102)
:: Perry Rhodan (122)
:: Roswell (4)
:: Sachbücher (103)
:: Science Fiction (diverse) (715)
:: Star Trek (43)
:: Stargate (1)
:: Thriller (61)
:: TV (diverse) (10)
:: Vampire (37)
:: Zeitschriften / Magazine (15)


:: Artikel (6)
:: Interviews (7)
:: Nachrufe (2)


:: Weitere Sendungen


:: SciFi-Forum: Buchecke


Horror (diverse)



Peter Straub

Esswood House

rezensiert von Thomas Harbach

Peter Straubs Novelle „Esswood House“ erschien in abgewandelter und kürzerer Form schon in der herausragenden Novellensammlung „Houses without Door“.
Für diese Veröffentlichung hat Peter Straub den Text komplett überarbeitet. Umgeschrieben wäre vielleicht ein zu hartes Wort, träfe aber im Kern zu.
In einer inhaltlichen Zusammenfassung erscheint der Text wie die intellektuelle und deswegen nicht weniger interessante Variante Stephen Kings herausragendem Roman „The Shining“. In Kings Buch sind es geisterhafte Erscheinungen des ein abgelegenes Hotel hütenden literarischen Amateurschriftstellers, die schließlich seinen Wahnsinn zum Ausbruch kommen lassen. Im Kern geht es King um den Zerfall einer nicht mehr intakten Familie. Das Hotel holt sich das schwächste Element der Familie – in diesem Fall den Vater.Peter Straubs Protagonist dieser Novelle scheitert zweimal bei der Gründung einer Familie. Er zwang seine Frau, das erste Kind abzutreiben, da er der Meinung gewesen ist, es sei nicht von ihm. Jetzt ist sie wieder schwanger und kurz vor der Entbindung verlässt der zweifelnde Ehemann sie, um in England seine ins Stocken geratene Doktorarbeit zu beenden. Er bringt eine räumliche Distanz zwischen seine schwangere Frau und sich, gleichzeitig flieht er in eine innere Isolation.

In mehreren Interviews sowie im aufschlussreichen Nachwort dieses Paperbacks erläutert Peter Straub seine Intention, eine Geschichte um ein altes, geschichtsträchtiges Haus und seine Herrin zu schreiben. Daraus entstand die Story eines Mannes, der seine Frau zu einer Abtreibung gegen seinen eigenen inneren Willen zwingt. Fortan quälen ihn Alpträume, in denen verlorene Kinder und bösartige Babys vorkommen. In wenigen markanten Rückblicken drückt der Autor diese innere Zerrissenheit mit prägnanten, nachhaltigen Bildern aus.

Peter Straubs Novelle teilt sich in zwei unterschiedliche und qualitativ uneinheitliche Abschnitte auf. Die klassische Einleitung mit der Entwurzelung des Protagonisten. Er reist vom modernen Amerika zurück in das 19. Jahrhundert. Mit einem einfach literarischen Trick erreicht der Autor den Zustand der Entfremdung. In einem von der Welt abgeschiedenen Dorf wird aus dem Touristen mit einer beruflichen Mission ein einsamer Mensch. Als er schließlich das Herrenhaus erreicht, in dem er die obskuren Gedichte einer entfernten Verwandten studieren soll, verbergen sich unter seiner jovialen Art schon Angst und Misstrauen. In diesem ersten Teil des Romans zelebriert Straub eine lesenswerte Hommage an die klassischen Geisterhausgeschichten. Mit Esswood House und seinen vielen kleinen Geheimnissen erschafft er eine faszinierende, unheimliche und doch anziehende Welt. In diese wirft er einen entwurzelten, mit dem Leben unzufriedenen und überforderten Theoretiker, der sich am liebsten in der Einsamkeit mit seinen Studien unbekannter Gedichte verschließen würde. Trotzdem klammert er sich an die Chance, mit der Beendigung seiner sekundärliterarischen Arbeit auch einen Lebensabschnitt zu beenden und als neuer Mensch innerlich gereinigt und mit neuer Lebensenergie erfüllt wieder aufzuwachen. Diese Transformation schenken ihm weder das Leben noch der Autor.

Der zweite Teil der Novelle – der schleichende Übergang vom Forscher zum Wahnsinnigen – vollzieht sich in einer Reihe von zum Teil drastisch beschriebenen Alpträumen. Hier greift der Autor auf einzelne Bilder moderner Gruselliteratur zurück und verdichtet nicht die unheimliche und unheilvolle Atmosphäre, sondern zerstört den dicken nebeligen Schleier, der sich um den Verstand seines Protagonisten zu legen droht. Aus dem sympathischen, fast tölpelhaften Literaturmenschen wird eine unzufriedene und eifersüchtige Kreatur. Wirkte er zu Beginn noch wie ein Alter Ego Straubs, verzerrt der Rest der Handlung jegliche Charakterzüge und ein Abgrund tut sich vor ihm auf. Bei einer so intensiven und auf eine einzige Figur zugeschnittenen Geschichte ist es elementar wichtig, die Basis zum Leser immer im Auge zu behalten. Peter Straub hat hier die Schwierigkeit, die Handlung fortzuschreiben – im Grunde sind die letzten fast achtzig Seiten ein unbefriedigender Stillstand mit einem Ende, das eine Hommage an Poe sein soll, an der Ausführung allerdings scheitert – und gleichzeitig fortzuentwickeln. Er konzentriert sich auf die Fortschreibung und drängt das Haus, das fesselnde Element zugunsten des stetig wachsenden Irrsinns seines Charakters in den Hintergrund.

Dabei ist Peter Straub Autor genug, um die Aufmerksamkeit seiner Leser zumindest phasenweise mit Beschlag zu belegen. Doch wie Stephen Kings Romane die Tendenz zum Schwafeln in sich tragen, wirkt Straubs Geschichte unentschlossener und schwächer, sobald er sich von dem inneren Geheimnis entfernt. Wer erinnert sich nicht mit Freude an „The Blue Rose“, das große Geheimnis, das eine Reihe seiner Bücher durchzog. Hier erwartet der Leser – vielleicht unfair, weil es sich nur um eine kürzere Arbeit, eine Novelle handelt – einen Kern, um den sich diese Geschichte rankt. Mit der Abtreibung, der erneuten Schwangerschaft und der Unfähigkeit seines Charakters, seine eigene Eifersucht zu durchbrechen bzw. Freude für etwas Neues zu empfinden, trifft Straub eine starke emotionale Schwäche vieler Männer, die zu lange Liebe entbehrt haben und die nicht in der Lage sind, zu teilen. Allerdings macht er als Vater vieler Romane und Kurzgeschichten letztendlich zu wenig aus dieser Idee und vergräbt sie zu erst hinter einer fesselnden Vorgeschichte, um dann zu erkennen, dass er selbst zu wenig Emotionen in den Stoff einbringen kann.

Auch handlungstechnisch gelingt Peter Straub die Mischung zwischen einer atmosphärisch dicht erzählten Geschichte und einer Tour durch die zerklüftete innere Seelenlandschaft nur teilweise. Im Gegensatz zu Stephen Kings „The Shining“ erkennt der Leser zu schnell, dass Straub keinen äußeren Schrecken inszeniert, sondern ein Seelenstudium propagiert. Dadurch verliert –im Gegensatz zu dem intelligenter gestalteten, wenn auch weniger subtil geschriebenen King Roman – die Novelle schnell eine Handlungsebene. Peter Straub braucht den Raum eines Romans, um seine Geschichten intelligent und einfühlsam zu erzählen. Im Nachwort zu dieser schönen und von Joachim Körber kongenial übersetzten Paperbackausgabe der Edition Phantasia berichtet Straub, dass er diese Geschichte nach der Fertigstellung seines umfangreichen Romans „Koko“ angefangen hat. An diesem hat er fast drei Jahre geschrieben und er wollte sich von seinem Baby nicht trennen. Für diesen Schmerz suchte er ein literarisches Ventil. Das hat er mit dieser Novelle noch nicht gefunden. Ansätze sind da, aber wie in der Realität bleibt das Thema Verlust unerklärlich und schwer in Worte zu fassen. Weiterhin und nach „Estwood House“ mehr denn je.

Peter Straub: "Esswood House"
Roman, Softcover
Edition Phantasia 2005

ISBN 3-9378-9707-0

Weitere Bücher von Peter Straub:
 - Hellfire Club- Reise in die Nacht
 - Okkult
 - Schattenstimmen

Leserrezensionen

:: Im Moment sind noch keine Leserrezensionen zu diesem Buch vorhanden ::
:: Vielleicht möchtest Du ja der Erste sein, der hierzu eine Leserezension verfasst? ::