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Mystery (diverse)



Zoran Zivkovic

Versteckte Kamera

rezensiert von Thomas Harbach

Zoran Zivkovic erblickte 1948 in Belgrad das Licht der Welt. In der ehemaligen Hauptstadt Jugoslawiens und des heutigen Serbiens lebt er seit dem. 1973 beendete er sein Literaturstudium, erwarb 1982 die Doktorwürde. Nach insgesamt fünf sekundärliterarischen Titel, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der Science Fiction auseinandersetzen, hat er als Herausgeber in seinem Verlagshaus Polaris mehr als zweihundert oft aus dem angelsächsischen Raum stammende Science Fiction Romane publiziert und selbst mehr als ein Dutzend Bücher veröffentlicht. Ungewöhnlich ist die Tatsache, dass seine Werke in Serbien neben dem serbischen Original auch als englische Übersetzungen durch Alice Copple-Tosic erschienen sind. Als erstes ausländisches Magazin kaufte das englische „Interzone“ seine Kurzgeschichten. Einige der längeren Novellen sind im angesehen Kleinverlag ps publishing erschienen. Neben Veröffentlichungen in allen osteuropäischen Ländern erschienen seine oft humorvoll- ironischen „Fugen“ auch in einigen asiatischen Ländern und den Vereinigten Staaten. Neben einigen jugoslawischen Preisen erhielt Zivkovic für seinen Episodenroman „The Library“ den World Fantasy Award. Nach Patrick Süßkind der zweite nicht englische/amerikanische Autor in den langen Geschichte des Preises.

Einige seiner Kurzgeschichten sind von der BBC als Hörspiele ausgestrahlt worden. Die meisten seiner Romane und Episodenwerke sind über Internethändler wie Amazon gut zu erhalten. Mit „Versteckte Kamera“ erscheint einer seiner handlungstechnisch stringenten Romane im DTV Verlag auf Deutsch. Im Herbst folgt eine weitere Veröffentlichung. Stringent ist die Handlung in erster Linie durch seinen zielgerichteten Aufbau, während Zivkovic ansonsten im Allgemeinen Zivkovic mit der Fugentechnik arbeitet. Eine Handvoll auf den ersten Blick nicht zusammenhängender Kurzgeschichten mit einem Oberthema wie zum Beispiel „Bücher“, die in der letzten Story gekonnt und vor allem überzeugend zusammengefasst werden.


In 2004 erschien sein Roman „Hidden Camera“, in dem er sich über den Trend der versteckten Kamera im Allgemeinen und der Realityshows im Besondern mittel der Satire auseinandersetzt. Ein Angestellter bei einem Beerdigungsinstitut – der gerade über den Vorruhestand nach einem langweiligen Arbeitsleben nachdenkt – findet in seine Haustür eingeklemmt einen weißen Briefumschlag mit einer Einladung zu einer anscheinend privaten Kinovorstellung. Zuerst glaubt er an einen innovativen Reklamegag und will den Briefumschlag wegwerfen. Außerdem findet die Vorstellung um sechs Uhr statt, und die Zeit bis dahin reicht nicht einmal, um gesittet ins Kino zu kommen. Plötzlich besinnt er sich anders und eilt doch zur Vorstellung. Am Kino angekommen, wird ihm mitgeteilt, dass man selbstverständlich auf ihn gewartet hat. Der Saal ist bis auf einen Platz leer, in dem eine Frau sitzt. Ihm wird der Sitz neben ihr zugeteilt. Die Vorstellung beginnt. Es ist ein Film über ihn. Er sitzt auf einer Parkbank, liest ein Buch und bemerkt nicht die Frau, die sich neben ihn setzt. Eben diese Frau. Diese bizarre Situation ist der Ausgangspunkt einer Schnitzeljagd durch die Stadt. Immer wieder wird er zu Orten „eingeladen“. Schnell ist er der Meinung, im Mittelpunkt einer Fernsehshow der versteckten Kamera zu stehen. Trotzdem kann er sich – trotz vieler innerer Zweifel – nicht dem Zwang entziehen, den unbekannten Machern und ihren anonymen Briefen zu folgen. Mit jedem einladenden Umschlag werden die Situationen, in die sich in erster Linie der Protagonist selbst bringt, verrückter. In einem Buchladen findet er einen Roman, der er selbst schreiben wird, bei einem nächtlichen Zoobesuch fühlt er sich bedroht, die Angestellten des Kinos und seine Sitznachbarin tauchen in verschiedenen Inkarnationen immer wieder auf. Dazu kommen die seltsamen Blackouts, die den Protagonisten immer mehr beunruhigen.

Die grundlegende Idee ist spätestens seit Robert Sheckleys Romanen nicht neu. Zivkovics gelingt es trotzdem, dem altbekannten Stoff eine interessante Prämisse abzuringen. Währends Sheckleys Protagonisten ganz bewusst an einem Menschenverachtenden Spiel teilnehmen, basiert hier die Teilnahme auf einen Hauch Verzweifelung. Für den namenlosen Protagonisten stellen die Briefumschläge einen Ausbruch aus seinem langweiligen Leben dar. So sehr er sich gegen sie sträubt, so sehr bilden sie auch eine erhoffte Einladung, die bekannten Muster wenn auch nur für einen Augenblick und vor allem Schuld bewusst hinter sich zu lassen. Der Autor zeichnet ein einfühlsames Portrait seines Protagonisten, ordnet ihm ausreichend Exzentrizitäten zu, um die Neugierde des Lesers aufrechtzuerhalten. Damit Zivkovics sehr pointierter, von der Ausstattung ganz absichtlich karg gehaltener Roman überhaupt funktionieren kann, muss der Protagonist eine absolute Sympathiefigur sein. Wenn sich der Leser nicht mit dem tragischen Helden identifizieren kann, zerfällt der Roman in einzelne, nicht immer befriedigende Anekdoten.

Besonders zu Beginn des Buches gelingt es Zivkovic sehr gut, eine unheimliche, surrealistische Atmosphäre aufzubauen. Der Kinobesuch ist der erste Höhepunkt des Buches und rückt den Plot deutlich in Bereiche, die David Lynch cineastisch fast einzigartig ausfüllt.

Das Frage- und Antwortspiel erreicht seinen zweiten Höhepunkt in der Buchhandlung. Hier beginnt der Protagonist seine eigene Existenz zu hinterfragen und der Leser erkennt, dass es sich nicht nur um einen gewaltigen Scherz handelt, wie ihn Fernsehshows wie „Die versteckte Kamera“ so gerne spielen. Trotz seiner Kürze läuft aber nicht alles rund beim vorliegenden Buch. Zwar fügt Zivkovic wie in einem Puzzlespiel die einzelnen Teile geschickt vor den Augen des Protagonisten und noch mehr des Lesers zusammen, der Roman kann plottechnisch nur durch die stetige Bewegung vorwärts, das nächste Rätsel, die Hinweise zum nächsten Treffpunkt funktionieren. Über eine gewisse Anzahl von Seiten lässt sich so in der kontinuierlichen Bewegung die Spannung aufrechterhalten, danach muss allerdings folgerichtig der nächste Schritt folgen. Diese zögert Zivkovic fast zu lange heraus.

Sicherlich sieht der Autor seinen Roman auch als Parabel auf eine immer gläserner werdende Welt, aber diesen Aspekt arbeitet Zivkovic in seiner verspielten Handlung nur sehr verhalten und diskret heraus.

So gut die atmosphärische Seite aufgebaut ist, so sehr steht sich Zivkovics Protagonist selbst im Weg. Oft möchte man ihn schütteln und die Frage stellen, warum er denn überhaupt sich an diesem Spiel beteiligt. Braucht er im Grunde die Aufregung? Der Leser vermutet es, der Autor weiß es. Diese Position arbeitet Zivkovic phasenweise zu indirekt und damit ungenügend heraus. Irgendwann im Verlaufe der Schnitzeljagd muss sich die Einstellung des Charakters gegenüber dem „Spiel“ ändern, das andauernde Zögern macht dann keinen Sinn mehr. Diesen Zeitpunkt verpasst der Autor und sieht sich dann genötigt, in der zweiten Hälfte zu oft und zu hektisch gegenzusteuern. So herrscht beim Leser nicht selten Neugierde vor, welches die nächste Aufgabe ist, ohne das noch an der dramatischen Schraube gedreht werden kann. Weiterhin kann der Autor nicht diese unterschwellige Spannung adäquat in einem zufriedenstellenden Höhepunkt kumulieren zu lassen. Zwar befriedigt Zivkovic am Ende die Neugierde seiner Leser und bringt die Geschichte zu einem offenen, doch phantastischen Ende, im Mittelteil aber strapaziert er die Geduld seiner Leserschaft zu sehr, fügt den Facetten seines Protagonisten zu wenig Neues hinzu und übertreibt es mit den Rätseln. Trotz dieser Schwächen ist der vorliegende Roman eine intellektuelle, aber auch abschnittsweise positiv kritische Auseinandersetzung mit der versteckten Kamera, von der wir uns alle manchmal beobachtet fühlen.


Zoran Zivkovic: "Versteckte Kamera "
Roman, Softcover, 220 Seiten
DTV Verlag 2008

ISBN 3-4232-4625-1

Weitere Bücher von Zoran Zivkovic:
 - Das letzte Buch

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