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Science Fiction (diverse)



Thomas Finn

Der Funke des Chronos

rezensiert von Thomas Harbach

Eines der bezaubernden Zeitreiseabenteuer der letzten Jahre ist zweifellos Niffeneggers „Die Frau des Zeitreisenden“. Die Romanze funktioniert auch ohne die phantastischen Elemente. Die Zeitreise ist zwar der Katalysator einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte, aber die Geschichte könnte auch ohne funktionieren. Ähnliches gilt für Thomas Finns historischen Hamburgroman. Weite Teile des Buches könnten ohne den Zeitreisenden als Mysterienthriller am Vorabend des großen Brandes des Jahres 1842 für spannende Unterhaltung sorgen.

Thomas Finn wurde 1967 in Chicago geboren und lebt natürlich in der Stadt seines Romans. Daher auch die liebevolle, insbesondere zu Beginn der Handlung fast euphorisch verliebte Beschreibung der traditionsreichen Kaufmannsstadt. Der ausgebildete Werbekaufmann hat neben seiner Tätigkeit als Spieleautor und Dramaturg in einem Drehbuchverlag als Chefredakteur des Magazins „Nautilus“ und für die Zauberzeit gearbeitet. Als Theaterautor verfasste er eine Reihe von Stücken. Aus seiner Tätigkeit im Spielebereich heraus erfolgten die ersten Romanveröffentlichungen unter anderem für „Das schwarze Auge“. Beim Piper-Verlag hat er an der Romanserie „Die Gezeitenwelt“ unter Pseudonym mitgeschrieben. Der phantastische Thriller „Der Funke des Chronos“ ist seine erste Handcoververöffentlichung.

Der Hauptprotagonist Tobias ist Waise und findet auch schwer Kontakte. Er studiert Medizin und das Fechten ist sein Hobby. Ein wichtiger Wettkampf steht an, bei dem er seine Ex- Freundin und ihren neuen Liebhaber wieder trifft. Das motiviert den ambitionierten jungen Mann noch mehr. Jedes Jahr zu Weihnachten trifft bei ihm das Geschenk eines anonymen Spenders ein. Ein Hinweis auf seine Eltern? Dieses Jahr ist es eine CD und ein seltsam geforderter Kristallstab. Der Weg führt ihn in ein Uhrmachergeschäft in der ABC Straße und dort offenbart ihm ein Uhrmacher das Geheimnis der Zeitmaschine. Durch einen Zufall landet er fast 165 Jahre in der Vergangenheit. Wenige Tage vor dem großen Brand, der fast die gesamte Innenstadt vernichtete. Bevor er sich in der neuen Zeit orientieren kann, wird er überfallen, die Zeitmaschine droht in einem der Fleets zu versinken, ein Massenmörder sucht die Stadt heim und er rettet eine junge Dame und ihre Freundin vor einem Attentäter. Dabei wird er vom Kutscher der Damen niedergeschlagen. Als er in deren Hause wieder aufwacht, versucht er mit Hilfe einer perfekten Theatervorstellung einen Gedächtnisverlust vorzutäuschen. Wie diese einzelnen Komponenten zusammenhängen, ist der Hauptteil des interessanten Buches.

Gleich zu Beginn des Romans überflutet Thomas Finn den Leser mit Informationen über das alte Hamburg. Dabei gelingt ihm nicht nur ein überzeugendes und ungemein lebendiges Portrait dieser Epoche, literarisch greift er auf eine interessante Facette zurück. Er lässt die kaufmännische Oberschicht der Stadt Hochdeutsch sprechen, die einfachen Arbeiter und Mägde sprechen plattdeutsch. Seine Beschreibungen sind ungemein detailliert und wenn er in seinem Nachwort von jahrelangen Recherchen spricht, dann erscheint das glaubwürdig. Dabei droht die Balance zwischen einer spannenden Handlung und einem dreidimensionalen Hintergrund aus dem Gleichgewicht zu geraten. Auch wenn der Auftakt des Buches rasant ist, verliebt sich Thomas Finn anschließend im zweiten Viertel des Buches in sein Hamburg und möchte die besondere Atmosphäre mit den Lesern teilen. Die Handlung schleppt sich hier von einem sekundären Höhepunkt zum nächsten. Schnell erkennt der Leser, dass im Grunde alles mit der Zeitreise in den Zusammenhang gebracht wird. Das ist aber nicht notwendig, denn Geheimgesellschaften, verbotene Forschungen, Massenmorde und das kritische Verhältnis zwischen die arroganten und egoistischen Oberschicht und der breiten in Armut lebenden Masse hätten auch sehr gut zu einem rein historischen Roman gepasst. Tobias nimmt in der Vergangenheit anfänglich zu wenig Rücksicht auf die Kontinuität der Zeit und versucht eher, das Herz der schönen Tochter zu gewinnen, die Bestandteile und den Aufenthaltsort seiner Zeitmaschine zu eruieren und gerät letzt endlich durch dieses Vorgehen in immer größere Schwierigkeiten. Die besondere Note des Buches liegt in der Tatsache begründet, dass sich Finn nicht scheut, einen realistischen historischen Roman zu schreiben. Das Leben im Dreck, der Besuch im Gefängnis und schließlich die tragischen Opfer bei der Brandkatastrophe stehen in einem krassen Kontrast zu den reichen Villen am Elbufer und den Stadtwohnungen.

Die Charakterisierung der einzelnen Protagonisten steht etwas hinter dem komplexen Hintergrund der Geschichte zurück. Insbesondere der Dichter Heinrich Heine wirkt blass und kann sich kaum im Vergleich zum intelligenten, agilen und dank des Wissens der Zukunft gebildeten Tobias in Szene setzen. So interessant die Integration eines weltberühmten Charakters in diese fiktive Handlung ist, so wenig macht Finn wirklich aus dieser Konstellation. Da erscheinen eine Reihe anderer historischer Figuren – alle im Anhang kurz erläutert – mit sehr kurzen Auftritten überzeugender.

Bei der Figur der Caroline macht es sich Thomas Finn leicht- er erschafft einfach eine junge Frau, die mehr in unsere Gegenwart als die steife Vergangenheit passen könnte. Beim Anblick eines schrecklich zugerichteten Körpers fällt sie als Hommage an die Zeit in Ohnmacht, aber ansonsten befreit sie mit einer Freundin in ihrer Freizeit gequälte Tiere, haut Gassenjungen übers Ohr und durchschaut erstaunlich schnell Tobias allerdings sehr simple Fassade. Natürlich kann der Autor nicht auf das romantische Element verzichten und sehr schnell finden die beiden zusammen, zumindest platonisch zusammen.

Trotzdem lebt der Roman von seinen Protagonisten und mancher eher zweidimensionaler Beschreibung gelingt es Finn, insbesondere die Nebencharaktere sehr gut in Szene zu setzen. Vom Fechtlehrer Gerstenberg über den Polizeiakuar Kettenburg zum Nachtwächter mit seinen vielen angeheirateten Schwäger und seinen vielen Brüder – mit wenigen Zeilen seiner Feder macht Finn aus diesem Running Gag einen erstaunlich sympathischen Charakter – überzeugen sie durch eine sensible Charakterisierung der manchmal ruppigen Charaktere. Sie verfügen alle über markante Eigenheiten. Bevor seine Figuren aber zu skurril werden, findet Finn wieder in seine Handlung zurück.

In Bezug auf die Zeitmaschine fügt Finn allerdings ein innovatives Novum hinzu. Den Reisenden sollte ein Serum gewonnen aus der Zwirbeldrüse vor dem Start gespritzt werden, damit sie diese Reise durch die Zeit ohne körperliche und geistige Schäden überstehen. Aus diesem Grund scheint auch der Massenmörder in Hamburg umzugehen. Gegen Ende des Romans dreht Thomas Finn des Plots und erzählt nach einem abenteuerlichen und durchaus spannend inszenierten Showdown die obligatorische Aufklärung der Geschichte. Mit einem Augenzwinkern legt er die Strukturen der Gegenwart in Bezug auf Tobias offen. Manches wirkt eher konstruiert als wirklich fabuliert. Der Fantasy- Autor Finn kämpft hier mit den Science Fiction Elementen seiner Geschichte. Auch gegen Ende überzeugt die Lösung für das Zwirbeldrüsenproblem genauso wenig wie die obligatorische Hommage an H.G. Wells. Um den Bogen zu schließen, hätte zumindest Tobias zu Beginn des Buches die Ähnlichkeit zwischen der ihm präsentierten Zeitmaschine in der Wells´schen Gedankenschöpfung herausstellen sollen. Das geschieht nicht und darum wirkt das Ende eher befremdlich als befriedigend.

Die weitere Handlungsebene sind die Geheimgesellschaften. Hier bemüht sich der Autor, den Lesern entsprechende Informationen an die Hand zu geben. Die Verbindungen zwischen der Bürgerschaft und den Esoterikern werden klar und deutlich beschrieben. Gerade wegen des Detailreichtums, mit dem Thomas Finn den Hintergrund seines Buches entwickelt hat, wirken die Geheimgesellschaften ein wenig blass und die Suche nach dem Kristall und dem Grab gestaltet sich ein wenig einfach. Das für die Rettung Carolines eine Zeitmaschine nötig wird, ist vielleicht eine gelungene Würdigung vieler Science Fiction Abenteuer, wirkt aber nicht unbedingt überzeugend ausgeführt. Die Risiken, dass sich seine Charaktere selbst begegnen und Gegenstände doppelt und dreifach in einer Zeitebene erscheinen, werden als notwendiges Plotelement willentlich integriert. Manche Lösung hätte auch anders gestaltet werden können. Insbesondere das Ende mit den Zeitreisen und der aufgesetzten Personenkonstellation in der Gegenwart wirkt eher als Verbeugung vor den Lesern utopischer Literatur als eine wirkliche Auflösung des bis dahin sehr kompakten und gut angelegten Plots.

Trotz einiger Schwächen funktioniert Thomas Finns Buch als glänzende Unterhaltung. Geschickt verbindet er die Elemente des phantastischen Trillers mit einem spannenden historischen Roman. Ihm gelingt es, die Liebe zu seiner jetzigen Heimat aufs Papier zu bringen. Sein Plot funktioniert. Die meisten seiner Charaktere können überzeugen. Die Liebesgeschichte ist rührend, wenn auch an einigen Stellen seltsam farblos. „Der Funke des Chronos“ hilft seinen Lesern, in eine Zeit zu blicken, über die man relativ wenig weiß und in eine Stadt zu schauen, die selbst Hamburger in diesem Roman neu entdecken können.

Thomas Finn: "Der Funke des Chronos"
Roman, Hardcover, 412 Seiten
Piper 2006

ISBN 3-4927-0128-0

Weitere Bücher von Thomas Finn:
 - Das unendliche Licht
 - Das unendliche Licht
 - Der eisige Schatten- Chroniken der Nebelkriege II
 - Weißer Schrecken

Leserrezensionen

Leserrezensionen
27.02.06, 19:21 Uhr
Florian E. Tietgen
unregistriert


Spannend und gefühlvoll!
Der "Funke des Chronos" gehört für mich zu den spannendsten Neuveröffentlichungen dieses Jahres. Eigentlich stehe ich nicht sonderlich auf die Zeitreisethematik, aber die fällt hier auch nicht so ins Gewicht. Vor allem ist der Roman ein excellent recherchierter Historien-Thriller mit wirklich rührenden Charakteren, der einen von der ersten Seite an fesselt und dessen Spannungskurve dann stetig zunimmt (was bei mir zu einer Marathonlesung von 21 Uhr abends bis 5 Uhr morgens geführt hat).
Vor allem freue ich mich, hier wieder ein beruhigendes Beispiel dafür zu finden, dass sich die deutschsprachige Autorenzunft vor der amerikanischen Konkurrenz nicht mehr zu verstecken braucht. Mein Urteil daher: unbedingt selber lesen!