rezensiert von Thomas Harbach
Mit “Scattered Suns” legt Kevin J. Anderson den vierten Roman seiner “Saga um die sieben Sonnen” vor. Ursprünglich als umfangreiche Trilogie geplant, hatte er nach dem Erfolg des zweiten Buches und dem nicht unbedingt aus Notwendigkeit umwachsenden Umfang seiner Serie einen weiteren Vertrag über die Bände vier bis sechs unterzeichnet. Zählt der Leser noch eine Graphic Novel hinzu, welche den Beginn der Geschichte aufhellt, handelt Anderson seinen Zyklus allerdings nach dem Titel gehend in einer adäquaten Zahl ab. Für Neueinsteiger fasst der Autor die Handlung in einem Prolog zusammen. Allerdings ist es absolut nicht empfehlenswert, mit diesem Band in die Serie einzusteigen. Die Anzahl der handelnden Personen ist trotz Glossar inzwischen übersichtlich geworden und die einzelnen Handlungsstränge trennen und mischen sich scheinbar bunt durcheinander. So bleibt die Zusammenfassung auch der Rettungsanker für die Fans, welche sich wie manchmal auch der Autor nicht mehr in diesem Universum auskennen. Nach fast zweitausend Seiten zeigen sich immer deutlicher die Stärken und Schwächen der Serie. Ganz bewusst orientiert sich Anderson an den alten Meistern wie E.E. Smith und Edmond Hamilton. So stehen die Bücher der sieben Sonnen auch in einem Kontrast zu den postmodernen barocken britischen Space Opera eines Alistair Reynolds und eines M. John Harrison, denen es gelungen ist, klassische Plots dieses Sub Genres durch ihre sprachliche Intelligenz und vor allem ihre Fähigkeit, groteske, aber die Fantasie anregende Hintergründe und interessante Charaktere zu neuem Leben zu erwecken. Anderson dagegen folgt den Spuren eines Frank Herberts. Leider nicht immer mit den Ideen eines “Wüstenplaneten”, sondern seiner teilweise unleserlichen Fortsetzungen. Nicht umsonst schreibt Anderson zusammen mit Brian Herbert, dessen Sohn, an zahllosen Fortsetzungen und Prequells zu Frank Herberts einzigartiger Schöpfung, die vor langen Jahren schon unter literarischen Denkmalschutz hätte gestellt werden müssen. Wie die “Dune” Romane der beiden Autoren versucht Anderson im vorliegenden Zyklus einfach des Formel zu kopieren, ein wenig zu verändern und zu seiner eigenen Idee zu machen. Ein Vorhaben, das zum Scheitern verurteilt ist. Ach der vorliegende Band bewegt sich selbst für die vielen Handlungsplätze wie ein kranker Wal unentschlossen und ohne festes Ziel hin und her. Die Idee, die Handlung innerhalb von zwei Wochen belaufen zu lassen, ist sicherlich faszinierend und gibt dem Leser zumindest theoretisch die Möglichkeit, näher an das Schicksal der Charaktere heranzurücken, aber dafür opfert Anderson zu viel Platz. Das erkennt man am ehesten, wenn man versucht, die Handlung in wenigen Worten zusammenzufassen.
Auf der Erde versuchen König Peter und Königin Estarra nicht nur mehr Macht zu gewinnen, sie kämpfen um das Leben ihres noch nicht geborenen Kindes. Basil Wenceslas ist der Imperator hinter den Herrschern - siehe die ersten beiden neuen “Star Wars” Filme -, der unter dem Druck der verschiedenen Probleme immer erratischer und unvorhersehbarer König Peter manipuliert. An sich der Kern des Buches, der viel intensiver und vor allem packender hätte beschrieben werden müssen. Die Fakten liegen schon seit dem dritte Band auf dem Tisch und der Leser hätte erwartet, das sich um Verhältnis zwischen Wenceslas und zumindest König Peter, der dominierenden Figur der ersten beiden Bücher, etwas ändert oder zumindest weiterentwickelt.
Die weiterhin den Koronas der Gasriesen lebenden Hydroger greifen natürlich auch im vorliegenden Band insbesondere die menschlichen Siedlungen an. Den Menschen sind die in den Sonnen lebenden Aliens zur Seite gesprungen. Auf Flüssigkeit basierende andere Aliens versuchen ebenfalls mit Hilfe des menschlichen Agenten Jess Tamblyn wieder auf der politischen Oberfläche zu erscheinen, nachdem sie lange als ausgestorben galten. Das letzte Element ist der große Geist des Waldplaneten Theroc. Im letzten Band ist dieser durch die Hydroger fast gänzlich zerstört worden. Dieser Geist greift wieder auf der politischen Bühne ein. Ein Krieg der Elemente untereinander und die Menschen mitten drin, ist eine interessante Extrapolation einiger Fantasy- Themen in die ferne Zukunft. In den ersten Bänden lernte der Leser die Mitglieder dieser außerirdischen Rasse mehr oder minder gut kennen. Insbesondere die Antagonisten beschreibt Anderson nur halbherzig und lässt sie durch ihre “unmenschlichen” Handlungen überzeugen. Im vierten Band sind alle vier Elemente bekannt. Trotzdem hat die Suche und vor allem die Kontaktaufnahme viel zu lange gedauert und immer wieder hat Anderson versucht, seine Grundidee vor dem Leser unnötigerweise zu verstecken als diesen an den Wundern der Galaxis teilhaben zu lassen.
Die Roamers leiden weiterhin unter den Hydroger und vor allem auch den Menschen, die in ihnen nicht mehr als moderne Piraten sehen, welche die Rohstoffe - notwendig für die Raumfahrt - aus den Gasatmosphären der Hydrogerwelten ziehen. Ihr Anführer Peroni muss sich mit den verräterischen Klickiss auseinandersetzen, eine alte Roboterrasse, welche inzwischen die anderen Maschinenwesen infiltriert hat. Bedenkt der Leser, wie viel Raum Anderson insbesondere der archäologischen Expedition und dem Auffinden dieser legendären Roboter eingeräumt hat, ist ihre Verwendung im vierten Band unterdurchschnittlich und vor allem konterproduktiv. Diese Handlungsebene bewegt sich nicht entscheidend weiter und anstatt ihren Anteil am Roman deutlich zu reduzieren, fließt sie relativ zäh und vor allem auch lustlos entwickelt zwischen den anderen Strängen hindurch.
Zu Guter Letzt gibt es noch die Ildirans, die von Beginn an vorsichtig auf der Seite der Menschen gestanden haben. Anderson hat ihnen fast “gottgleiche” Fähigkeiten zugeschrieben. Sie müssen sich mit einer Rebellion in den eigenen Reihen auseinandersetzen, die ihre Handlungsfähigkeit natürlich stark reduziert. Die Ildirans haben immer den Frieden propagiert und sich geweigert, in militärische Konflikte einzugreifen. Durch die Aktionen des religiösen Fanatikers Rusa´h sind sie jetzt gezwungen, auf den Schlachtfeldern aufzutreten. Währenddessen versucht die junge, noch nicht geschulte Tochter des gewählten Anführers Osira´h eine Friedensmission zu den Hydroger.
Betrachtet der Leser die Zusammenfassung, so ergibt sich ein Bild von den aufs Minimale reduzierten Handlungssträngen. Anderson treibt allerdings die einzelnen Spannungsbögen nicht nur mit wenig Effektivität voran, teilweise hat der Leser das Gefühl, als entwickele sich die Handlung in einigen wichtigen Teilen sogar rückwärts, um ausreichend Raum für die folgenden Romane zu haben. Die einzelnen Kapitel sind teilweise sehr gut und vor allem spannend geschrieben, aber dann bricht der Autor den Handlungsstrang im Grunde ohne Not wieder ab, um mit dem nächsten Schauplatz die Energie und vor allem das Tempo wieder aus dem Roman zu nehmen. Bei den einzelnen Charakteren betont er immer wieder und inzwischen im vierten Band penetrant ihre Motivation. Das wirkt wie eine Schablone, in welcher der Autor das Geschehen wie auf dem Reißbrett fortführt. Stilistisch gibt es keine Unterschiede zwischen den einzelnen Kapiteln, alles wirkt sehr harmonisch, aber auch langweilig, gedehnt und vor allem ohne jegliche Tempowechsel niedergeschrieben. Anderson behandelt einen seitenlangen Dialog wie ein Raumschlacht. Spätestens mit dem folgenden fünften Band sollte der Autor das Tempo seines Epos deutlich anziehen, die vorhandenen guten und vor allem exotischen Ideen nicht weiter entwickeln, sondern konsequent in den allerdings eindrucksvoll umfangreichen Plot integrieren und dem Leser die Möglichkeit geben, nicht nur ein überdimensionales, farbenprächtiges, aber im Grunde verstaubtes Gemälde zu betrachten, sondern an einer interessanten, vielschichtigen und vor allem handlungstechnisch innovativen Space Opera teilzunehmen, welche den alten Geist der Pulpmagazine und Frank Herberts fremdartig faszinierende “Wüstenplanet” Schöpfung in einer Buchreihe vereinigt. Bis dahin ist es noch ein langer Weg und “Gefallene Sonnen” ist im Grunde nur Anhängern der “Saga der sieben Sonnen” wirklich zu empfehlen, die mit Sitzfleisch ausgestattet ihre Geschichten sehr sehr lang mögen.
Kevin J. Anderson: "Gefallene Sonnen"
Roman, Softcover, 671 Seiten
Heyne 2008
ISBN 9-7834-5352-3685
Leserrezensionen
:: Im Moment sind noch keine Leserrezensionen zu diesem Buch vorhanden ::
:: Vielleicht möchtest Du ja der Erste sein, der hierzu eine Leserezension verfasst? ::
|