Recoins: Was ökologische Währungseinheiten leisten

Sie gewannen den Ideenwettbewerb „Code_n“ auf der Computermesse Cebit, das Postdamer Startup „Changers.com“. Die Idee: Die Etablierung eines Bezahlsystems mit eigener Währungseinheit, das umweltbewusstes Verhalten belohnt, im Kampf von David (dem Verbraucher) gegen Goliath (den Klimawandel).

Den Jungunternehmern schwebt vor, unser aller Verhalten hin zum Besseren zu verändern. Besser, das heißt in diesem Fall, uns dazu zu bringen, über unseren Energiebedarf und –verbrauch nachzudenken und uns dazu zu ermuntern, sparsamer mit unseren natürlichen Ressourcen umzugehen.

Zu diesem Zweck haben die Gründer die Plattform „Changers.com“ gegründet. Wie funktioniert das Modell beziehungsweise wie wollen die jungen Gründer ihre zugegebenermaßen innovative Idee in die Tat umsetzen? Über leichte, tragbare Solarmodule kann jeder selbst Energie erzeugen und anschließend sein Handy oder Tablet aufladen. Auch Nutzer, die statt mit dem Auto mit dem Rad oder Bus fahren, werden auf der Plattform belohnt.

Es wird dabei gemessen, wie viel CO2 der Nutzer durch sein umweltfreundliches Verhalten eingespart hat. Diese Daten werden auf die Konten der Nutzer gebucht und in die digitale Währungseinheit, die so genannten Recoins, umgerechnet. Für jedes eingesparte Gramm CO2 erhält der Nutzer also ein bestimmtes Kontingent an Recoins, die er dann gegen bestimmte Produkte und Dienstleistungen eintauschen kann. Auf „changers.com“ wird umweltfreundliches Verhalten also mit einem realen Tauschmittel, den „Recoins“ belohnt.

Die Changers setzen auch darauf, den Wettbewerb unter den Plattformnutzern anzufachen. Denn auf der Plattform sind die CO2 Einsparungen eines jeden Users sichtbar und vergleichbar. Wer spart mehr Energie ein? Wer verhält sich vergleichsweise umweltfreundlich und Ressourcen schonend? Auszeichnungen und Ranglisten sollen die Nutzer nicht nur zum Mitmachen, sondern auch zu ständigem Wettbewerb untereinander und Verbesserungen anhalten.

Die Plattformbetreiber setzen gleichermaßen auf Motivation, Wettbewerb und Belohnung. Der große Vorteil des  „Recoin“: Er basiert auf realen Anreizen zu einem umweltkonformen Verhalten. Er erzeugt sauberen Strom quasi als „Abfallprodukt“. Der Recoin ist nachhaltig, Bewusstseins bildend, kurz, er bindet die Menschen ein in die Bemühungen, das Problem „Klimawandel“ offensiv anzugehen.

Kann dieses Konzept aufgehen? Letztlich müssen alle beteiligten Partner gleichermaßen profitieren. Die Unternehmen etwa kaufen Recoins bei der Plattform „Changers“, sie vergeben Credits für CO2-sparende Aktivitäten, sie sind dadurch in der Community sichtbar und können ihre Zielgruppe direkt adressieren. Auch individualisierte Preise lassen sich ausloben oder Promotionen starten. Ganz nebenbei können Unternehmen so auch neue Zielgruppen erreichen und etwas für das Image tun.

Neue Weiterentwicklungen der Bitcoin-Revolution in Form von grünen Währungseinheiten verfolgen somit das Ziel, die Bürger für die globale Energiewende in Bewegung zu setzen. Der Kreativität dieser Idee scheinen zwar kaum Grenzen gesetzt. Das Einsparen von CO2-Emissionen kann durchaus Spaß bereiten.

Aber der Erfolg der grünen Währungseinheit hängt wesentlich davon ab, ob die Gesellschaft insgesamt reif ist für ein neues Denken und Handeln. Das Fernziel der „Changers“, dem Impulsgeber der Recoins, wäre immerhin die Vision einer „smarten“, sprich umweltfreundlichen Innenstadt, mit deutlich weniger Lärmbelastung, Treibhausgasen, Ozonwerten und Feinstaubbelastung.

Fintechs: Können sie die Banken ersetzen?

Nein, die Fintechs können die Banken wohl nicht ganz ersetzen, oder doch? Auch in den Banken tobt darüber der Streit. Während die Commerzbank gestern via Main Incubator mit einem ersten Investment von 15 Mio. Euro in die Fintech-Startup-Finanzierung  eingestiegen ist, lässt die Deutsche Bank simultan über Reuters verlauten, dies gehöre nicht zu den Kernaufgaben einer Bank.

Ungewöhnlich bis befremdlich – Banken managen “Risiko”, sie verwalten Kundengelder – und jetzt gehört bei der Deutschen Bank die Finanzierung von Startups nicht zu diesem Aufgabenfeld. Dies sei vielmehr Aufgabe von “Risikokapital” – mehr zu den Motiven aus der Sicht von Deutsche Bank Chef Jürgen Fitschen hier via Nachrichtenagentur Reuters.

Meine erste These gleich vorweg: Die Banken sitzen im Innovationszug in der Finanzbranche bereits auf dem Rücksitz statt am Steuer. Wie aber sollen sie aus dem Dilemma herauskommen. Vielleicht gibt es ja einen “Königsweg”?

Das Phasenmodell zur Innovationsspirale in der Finanzbranche, so wie es Social Banking 2.0 sieht:

Erste Etappe (2007 – 2013): Präsentation und Etablierung der “Fintech-Szene”

Zweite Etappe (2013 – 2020): Professionalisierung der Gestaltungsansätze durch Synergien und neue Kooperationen

Dritte Etappe (2020 ff.): Die Geschäftsmodelle skalieren, die Banken rücken in den Hintergrund gegenüber den großen IT-Playern und versierten Spezialisten

Das Ganze nun etwas ausführlicher: Vom (früheren) bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (CSU) ist der historische Ausspruch übermittelt: Deutschland braucht Bayern, Bayern braucht Deutschland. Diese banale Politikerweisheit aus der Zeit des Kalten Krieges gilt im übertragenen Sinne auch für die Finanzwelt.

Denn Banken brauchen neben qualifiziertem Personal vor allem innovative Technologien, um im Zeitalter der digitalen Agenda auf Augenhöhe mit dem Kunden zu sein.

Und ebenso benötigen die Innovatoren, sprich die aufstrebende Startup-Szene, den Brückenschlag zur etablierten Bankenwelt. Kurz: Die vielen Davids brauchen Goliath genauso wie umgekehrt, um sich für die Zukunft des Bankenzeitalters 2.0 zu rüsten.

Zweifellos verändert die Startup-Kultur durch zahlreiche technologisch-soziale Innovationen das Gesicht unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Zur FinTech (Financial Technologies) zählen dabei Innovationen aus unterschiedlichen Zielgebieten, beispielsweise Mobile-Payment, Crowdlending, Crowdinvesting, Social Trading, Core Banking, Security „in the cloud“ oder Personal Finance Management.

Ob dieser Trend allerdings zu der häufig von Bankenkritikern in Aussicht gestellten „Disintermediation“ im Banking führt, also die Banken in ihrer Rolle als zentrale Finanzintermediäre unter Druck setzt, darüber sind sich die Experten noch uneins.

Darauf kommt es aber letztlich gar nicht an. Denn mittlerweile öffnet sich auch ohne großen gesellschaftlichen Wurf so manch ein erfolgreiches, aber mittlerweile in die Wechseljahre geratenes Großunternehmen für neue Ideen. Zugegeben, nicht immer ganz freiwillig, vor allem um künftig wettbewerbsfähig zu sein und sich parallel dazu neue Marktfelder zu erschließen.

Um die Frage letztlich zu klären, ob die Innovation ohne die Banken stattfindet – und sie vor allem durch IT-Player getrieben wird, empfehle ich einen Blick in meine Bankentrilogie. Sie behandelt die Frage in einer vielschichtigen Art und Weise, sie beleuchtet die neuen Geschäftsmodelle jenseits von Glorifizierung, sie rechtfertigt nicht die alte Bankenlandschaft, zeigt aber auch, dass und wie sie sich ändern muss.

“Die Bank sind wir” – Sachbuch zu den Chancen von Social Banking (Heise Verlag)

Der Hackerroman “Schattenbanken”

Das pointierte Thesenbuch Bank 2.0: Die Killerapp 

Zusammengefasst:

Erstens: In der digitalen Agenda der Bankenbranche rücken externe Kooperationen von der Peripherie in den Mittelpunkt der Geschäftsstrategie.

Zweitens: Der Kunde und andere Stakeholder aus der Wertschöpfungskette sitzen mit am Regiepult, vom Produktdesign bis hin zum Design neuer Dienstleistungen.

Drittens: Die zahlreichen Fintech-Startups treiben als Leitsterne die Innovationsdynamik in der Finanzbranche weiter voran.

„Grüne“ Gründerlust: Wagnis mit vielen Unbekannten

Um die mit der Energiewende und dem Atomausstieg verbundenen Ziele zu erreichen, sind neue Akteure notwendig. Denn die in der Energiewirtschaft traditionell tätigen Unternehmen – insbesondere die führenden Stromkonzerne – sind kaum in der Lage, auf die veränderten Rahmenbedingungen angemessen zu reagieren.

Deshalb hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die herausfinden soll, welche Potentiale in jungen Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien stecken, mit welchen Schwierigkeiten sie sich konfrontiert sehen und wie erfolgreich sie letzten Endes sind (http://www.bmwi.de/DE/Mediathek/publikationen,did=639222.html).

Auf den ersten Blick hat die vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) gemeinsam mit der E-Bridge Consulting GmbH und dem Verband der Vereine Creditreform durchgeführte Untersuchung recht erfreuliche Ergebnisse zutage gefördert. Die Zahl der im Kontext der erneuerbaren Energien aktiven Jungunternehmen hat seit der Jahrtausendwende rasant zugenommen. Insbesondere bei der Energieerzeugung, -verteilung und -versorgung stellen die Experten eine starke Dynamik fest.

Außerdem entwickeln sich die „grünen“ Neugründungen besser als Neugründungen in anderen Marktsegmenten. Sie weisen einen hohen Innovationsgrad auf, erobern Nischen und bringen neue, wirtschaftliche Produkte zur Energiegewinnung auf den Markt. Darüber hinaus generieren sie schon früh nennenswerte, sprich größere Umsätze – und die grünen Startups zeichnen sich durch ein geringeres Ausfallrisiko als Jungunternehmen aus, die nicht im Bereich der erneuerbaren Energien tätig sind.

Allerdings ist auch hier nicht alles Gold was glänzt. Das Potential, das in den „grünen“ Neugründungen ganz offensichtlich steckt, kann sich oft nur schwer oder auch gar nicht entfalten. Die ohnehin schon mutigen Gründer sehen sich tagaus tagein mit vielfältigen Schwierigkeiten konfrontiert. Grundsätzlich scheitern grüne Gründungen aufgrund des höheren Kapitalbedarfs, längeren Entwicklungszeiten und unübersichtlichen Zielmärkten deshalb oft schon in der ersten Phase.

Zunächst machen den grünen Gründern zwischen Lust und Frust oftmals unklare rechtliche und politische Rahmenbedingungen das Leben schwer. So berichten sie beispielsweise von Schwierigkeiten schon bei der Gründung ihrer Unternehmen. Häufig sind die Genehmigungsbehörden mit ihren Anliegen überfordert, da sie es hier mit neuen Aktivitäten zu tun haben, die Wege erfordern, die diese noch nicht kennen.

Zudem berichten die „grünen“ Gründer häufig von Schwierigkeiten bei der Finanzierung ihrer Vorhaben. Der Finanzierungsbedarf ist gerade in der Gründungsphase vergleichsweise hoch. Nicht selten bedarf es größerer Investitionen in die zunächst schwer einzuschätzenden Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Die benötigten Finanzierungsmittel bekommen sie daher oft nur, wenn sie den entsprechend hohen Finanzierungsanforderungen auch gerecht werden können. Auch für den Investor sind die grünen Startups nur dann ein lohnenswertes Ziel, wenn es nicht darum geht, schnell erfolgreich Kasse zu machen.

Und offensichtlich bleiben diese Schwierigkeiten nicht ohne Folgen. Die Forscher fanden nämlich auch heraus, dass die Gründungsdynamik im Bereich der erneuerbaren Energien zuletzt stark eingebrochen ist. Kurz: Seit 2010 hat sich die Zahl der „grünen“ Neugründungen halbiert. Doch wie konnte es soweit kommen? Was hat sich in den letzten Jahren verändert, so dass der Drang nach „grünen“ Gründungen derart stark abgebremst wurde? Die Experten führen den Einbruch auf die zwischenzeitliche Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke, die zuletzt schier endlosen Diskussionen um die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und – nicht zu vergessen – die Krise in der (deutschen) Solarindustrie zurück.

Vor diesem Hintergrund muss der Dämpfer „grüner“ Innovationsfreude also keineswegs überraschen. Denn Pioniergeist und Unternehmertum brauchen langfristig verlässliche Rahmenbedingungen. Wie sollen die „grünen“ Jungunternehmer denn etwas wagen, wenn die politischen und finanziellen Umstände vor allem dazu führen, die ohnehin schon unsichere Situation noch weiter zu erschweren?

„Grüner“ Gründergeist wird sich also nur innerhalb eines  einigermaßen stabilen finanziellen und politischen Rahmens entfachen lassen. Ohne Maßnahmen, die geeignet dazu sind, Planungssicherheit herzustellen, wird es nicht nur an der Gründungslust, sondern auch an geeigneten Investoren und Geldgebern fehlen. Wenn die Bundesregierung die Energiewende auch weiterhin mittels innovativer Ideen und intelligenter Lösungen von Startups vorantreiben will, dann wird sie den „grünen“ Gründern gleichermaßen klare und verlässliche Rahmenbedingungen bieten müssen.

Vielleicht braucht es auch noch zusätzlichen Rückenwind durch einen maßgeschneiderten und längerfristig angelegten Masterplan für die Förderung grüner Startups, an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Forschung und Politik. Derartige Wachstumsspritzen sollten allerdings jenseits billiger Subventionsgeschenke nicht mit der Gießkanne verteilt werden, denn nur auf den Stärken der deutschen Industrie und der unzähligen kleinen bzw. mittelständischen Unternehmen kann eine „grüne Innovationskultur made in Germany“ wirklich gedeihen.