Spex #328: Kunstsprache Theater – Christoph Schlingensief, Helene Hegemann, Monika Gintersdorfer und René Pollesch

Spex #328 (Titel Pop-Up), die September/Oktober-Ausgabe 2010 mit der Spex-CD #92 mit 16 Titeln ist ab Freitag, den 20. August 2010 am Kiosk erhältlich. Weitere Informationen, Ergänzungen sowie ausgewählte Texte aus der neuen Ausgabe folgen in Kürze auf spex.de.

MUSIK:

HURTS Modular gebauter Hype
Text: Walter W. Wacht | Fotos: Yves Borgwardt

ALOE BLACC Politik des alten Soul
Text: Oskar Piegsa | Foto: Norman Konrad

1000 ROBOTA Das Lied vom feinen Menschen
Text: Elias Kreuzmair | Fotos: Yves Borgwardt | Styling: Saskia Schmidt
Ihre Worte besitzen Widerhaken, ihr Sound ist der Rockmusik längst entwachsen: Die Posterboys des deutschsprachigen Post- Punks 1000 Robota haben sich auf ihrem neuen, zweiten Album »Ufo« ihren jugendlichen Zorn bewahrt und setzen auf bewusste Widersprüche. Die geteilten Meinungen sind vorprogrammiert.

ARCADE FIRE Entscheidende Schritte in Richtung Epos
Text: Sebastian Hammelehle
Ihr Weg ins Stadion führt Arcade Fire in die Nähe von U2 und Bruce Springsteen. Auf ihrem neuen Album »The Suburbs« entledigen sich die Kanadier aller Verschrobenheiten – als Ausgleich bieten sie Gesten der Freundschaft, die sich jedoch als gängige Marktlogik entpuppen. Sebastian Hammelehle über eine prototypische Erfolgsband, die ihre Karriere strategisch plant.

LADY GAGA, ROBYN, CHRISTINA AGUILERA UND JANELLE MONÁE Die MenschmaschinInnen – Die neuen Automatenfrauen im Pop
Text: Wibke Wetzker
Sie tragen Chrom, Zahnrädchen und Stromkabel und schicken sich an, Björk, dem bislang berühmtesten Cyborg der Musikvideo-Geschichte, Konkurrenz zu machen. Während Chris Cunningham die isländische Sängerin in »All Is Full of Love« 1999 als Fetischmaschine inszenierte, die beim Petting mit ihrem eigenen Double jegliche geschlechtliche Eindeutigkeit unterlief, will diese Gratwanderung heute nur den wenigsten Automatenfrauen gelingen, die den aktuellen Pop bevölkern. Ihr Schöpfer heißt in den meisten Fällen: Männerfantasie.

VORSPIEL FÜR OMD »Da konnte man nur Kabel reinstecken …«
Interview und Musikauswahl: Max Dax und Martin Hossbach | Fotos: Markus Feger
Mit ihrem zuckrigen, spartanisch instrumentierten Synthpop ebneten sie Depeche Mode, Soft Cell oder Propaganda den Weg. Gegründet 1978 von Andy McCluskey und Paul Humphreys, prägten Orchestral Manoeuvres In The Dark, kurz: OMD, die frühen Achtziger mit Hits wie »Enola Gay« oder »Maid of Orleans«. Zwischen 1983 und 2009 arbeitete McCluskey meist allein – Jahre, die das Duo heute als künstlerisch wenig relevant bewertet. »History of Modern«, das neue Album, soll das nun ändern. McCluskey, 51, und Humphreys, 50, sind aufgekratzt, schließlich haben sie seit 24 Jahren nicht mehr gemeinsam Interviews gegeben. Das Vorspiel für sie besteht u.a. aus Stücken von La Roux und Scooter sowie – bei einer Band aus Liverpool obligatorisch– einem Beatles-Hit.

DIE GROSSE GESCHICHTE:

CHRISTOPH SCHLINGENSIEF, HELENE HEGEMANN, MONIKA GINTERSDORFER, RENÉ POLLESCH Auf der Suche nach einer eigenen Kunstsprache – Überwindung des Theaters
Interviews: Max Dax / Philipp Ekardt / Jan Kedves / Anne Waak / Wibke Wetzker | Fotos: Andreas Rentz / Oliver Schultz-Berndt
Wie entstehen Texte für die Bühne und wer hat hier die Deutungshoheit? Das sind die Fragen, die den folgenden vier Gesprächen zugrunde liegen: Christoph Schlingensief und Helene Hege- mann bezweifeln das literarische Potenzial ›authentischer‹ Erlebnisse. Monika Gintersdorfer lässt Übersetzungsprobleme produktiv werden. René Pollesch kritisiert den Verblendungszusammen- hang der Moral. Dabei hatten vor allem die jüngsten Debatten um Autorschaft und angeblich skandalöses ›Abschreiben‹ einen stark moralisierenden Unterton. Grund für uns, die Spex-Reihe »Kunstsprache«, die bislang Musikern vorbehalten war, in Richtung Theaterpraxis zu öffnen.

MODE:

MODESTRECKE Electric Teatime (feat. Robyn)
Fotografie: Per Zennström | Fotograf Assisstenz: Jakob Olsson | Styling: Claudia Hofmann | Styling Assistenz: Marlen Kaminsky | Prop Styling: Guido Frinken | Hair+Make Up: Andreas Bernhardt | Produktion und Art Direction: Jozo Juric | Ressortleitung Mode: Jörg Sauer
Draußen hat die nukleare Endkatastrophe die Welt in eine kaleidoskopische Strahlenhölle verwandelt, im Theater treffen sich die letzten Überlebenden zur elektronischen Teezeit. In den Hauptrollen: die robotische Gentlewoman (Robyn) und ihre Gespielen, die Gentleboys. Eine Modestrecke, passend zum Automatenfrauen-Essay und Kunstsprache-Schwerpunkt in diesem Heft. Robyn wurde in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin fotografiert, die das Amphitheater der Gegenwart ist: unmittelbar, überraschend und anders, wie Berlin nur anders sein kann.

MODE-INTERVIEW: RICK OWENS »… die Mode hat die Kunst inzwischen intellektuell überholt.«
Interview: Jan Kedves
Kaum ein anderer Modeschöpfer war in den letzten Jahren stilprägender als Rick Owens. Zwischen den Looks amerikanischer Streetgangs, mittelalterlichen Mönchskutten und den Prinzipien des Dandyismus stellt der 1962 in Kalifornien geborene Designer verblüffende Bezüge her. Madonna und Courtney Love lieben seine Entwürfe, die als Kopien längst auch beim H&M-Ableger COS hängen. Der bisexuelle Designer, der mit der 65-jährigen Gastronomin Michèle Lamy verheiratet ist, arbei- tet seit sieben Jahren in Paris und hat sein Unternehmen bislang vor Übernahmeversuchen großer Konglomerate wie LVMH bewahrt. Im Interview spricht Owens über seine Lieblingsfarbe Schwarz, seine Models Jay-Z und Rick Ross, seine dekadenten Möbelentwürfe und seinen Steroid-Körper.

WEIBLICHE URSZENEN DER SPORTSWEAR Die Ausstellungen »American Woman« und »American High Style« in New York
Text: Philipp Ekardt
Die Frauenmode in den USA orientierte sich lange an europäischen, speziell an Pariser Modellen. Erst im späten 19. Jahrhundert entwickelten sich eigene Stile. Doch passen Mode und ›nationale Identität‹ überhaupt zusammen? Zwei Ausstellungen in New York behaupteten dies – konnten aber nicht überzeugen. Dafür brachten sie umso besser das folgenreichste Geschenk der USA an die Modewelt zur Geltung: die Sportswear, der einst das sogenannte Gibson Girl den Weg bahnte.

KUNST:

CYPRIEN GAILLARD Was tun? Es in die Luft jagen?
Interview: Max Dax und Anne Waak | Foto: Frank Johannes
1980 in Paris geboren, zählt Cyprien Gaillard derzeit zu den Shootingstars des Kunstbetriebs. Bekannt wurde der Installations- künstler mit Arbeiten über dystopische Architekturen wie etwa verschüttete deutsche Atlantikwall-Bunker, mexikanische Hotelburgen oder gesprengte Wohnsilos. Indem er an diesen Orten Ausgrabungen inszeniert oder aus dem Bauschutt zerstörter Häuser Denkmäler errichtet, definiert er die Land Art neu. Mit Gaillard sprachen Max Dax und Anne Waak anlässlich seiner bevorstehenden Ausstellung im Frankfurter MMK.

POUL GERNES Dem nie etwas zu bunt wurde
Text: Esther Buss
Abschied vom Kunstwerk im herkömmlichen Sinn: Der Maler und Bildhauer Poul Gernes (1925-1996) führte einen öffentlichen Farbenfeldzug mit dem Ziel, die Tristesse der Grautöne wegzumalen. »Sein Werk ist eine unorthodoxe Mischung aus hippieskem Minimalismus, konzeptuellem Hand- werk und pop-affiner Sozialethik«, schreibt Esther Buss über den störrischen Dänen, der erst seit einigen Jahren international Beachtung findet und in dessen Arbeiten sich Ideen der 1960er wie Kollektivismus und Anti-Elitarismus genauso wieder finden wie Einflüsse der Fluxus-Bewegung. Die Hamburger Deichtorhallen widmen Poul Gernes im Herbst nun eine große Retrospektive.

LITERATUR:

KAPITALISMUS UND POP-MORAL »… So Why Don’t You Kill Me?«
Essay: Robert Misik
Kapitalismus ist ein Virus und Pop das subversive Heilmittel. So lautete früher das Versprechen. Doch die Verhältnisse haben sich umgekehrt, der Kapitalismus hat vom Pop gelernt. Damit setzt sich Robert Misik in diesem Text auseinander, der im Band »Kapitalistischer Realismus« beim Campus Verlag erschienen ist. Die Bilder auf den folgenden Seiten stammen von dem Fotografen Reinier Gerritsen. Entstanden während der Finanzkrise 2009 in der New Yorker Metro rund um den Banking District, zeigen sie den Schockzustand, den der Kapitalismus dank seiner Pop-Anpassungsfähigkeit längst wieder überwunden hat.

FILM:

DAS AKTUELLE ENDZEITKINO Apokalypse im Wandel der Zeiten
Text: Georg Seesslen
Braun, gelb und grau hängt die Apokalypse überm Horizont, der keinen Baum und keinen Ozean mehr kennt, nur noch Schutt und Sand. Das aktuelle Endzeitkino ist zur Reise ohne Ziel geworden, In Filmen wie »The Road« von John Hillcoat oder »The Book of Eli« von den Hughes-Brüdern gibt es keinen Neuanfang, statt- dessen geht es in ihnen ums nackte Überleben. Georg Seeßlen wirft einen Blick auf die brachen Kinolandschaften, durch die das »Mad Max« Erbe in einem Einkaufswagen geschoben wird, und muss feststellen, dass Post-Apokalypse-Filme immer noch ein Ort sind, an dem der Mensch seiner Metaphysik begegnet.

DIE NEUE US-TV-SERIE »GLEE« Mit der Ehrlichkeit einer Rockballade
Text: Barbara Schweizerhof
Und noch eine TV-Serie, die man nicht verpassen sollte: »Glee« ist der singende, klingende »Nip / Tuck«-Nachfolger von Ryan Murphy und fängt da an, wo der Erfolg von Casting-Show-Formaten aufhört. In paillettenbesetzten Kostümen meistern Cheerleader, Rollstuhlfahrer und Klassenbeste den Highschool-Alltag.

OLIVER STONES »WALL STREET« (1987) Bilder, die die Welt bewegten
Text: Ralf Krämer

KOLUMNEN & RUBRIKEN:

These Beats Are Legal (mit Stephan Szillus)
Direct Cuts (mit Gerd Janson)

Odyshape (mit Joachim Ody)

Don’t Cry – Work (mit Gunnar Klack)

Bessere Zeiten klingt gut (mit Max Dax)

Zehn besondere Songs (mit Martin Hossbach, Walter W. Wacht und Wibke Wetzker)

TONTRÄGER / POP-BRIEFING:

Platte der Ausgabe: Freilands »Freiland Klaviermusik«

Video der Ausgabe: iamamiwhoamis »t«

Musik zur Zeit: Cyprien Gaillard /// Helene Hegemann /// Mario Koell

Questionnaire: Gonzales

!!! »Strange Weather, Isn’t It?« /// Devo »Something for Everybody« /// Dwele »W.ants, W.orld, W.omen« /// Foals »Total Life Forever« /// Greie Gut Fraktion »Baustelle« /// Grinderman »Grinderman 2« /// HGICH.T »Mein Hobby: Arschloch« ///I Am Kloot »Sky at Night« /// Interpol »Interpol« /// Kraków Loves Adana »Beauty« /// Kylie »Aphrodite« /// M.I.A. »Maya« (»///Y/«) /// Marteria »Zum Glück in die Zukunft« /// Menomena »Mines« /// Janelle Monáe »The Archandroid« /// PVT »Church With No Magic« /// Stella »Fukui« /// Tired Pony »The Place We Ran From« /// Tricky »Mixed Race«

LIVE:

Helge Schneider versus / mit Chilly Gonzales, Traumzeit Festival, 3. Juli, Duisburg
Anvil, C-Club, 2. Juli, Berlin
Matthew Herbert presents »One Club«, Robert Johnson, 08. Juli, Offenbach

SONSTIGES:

Editorial /// Mitarbeiter der Ausgabe (Elias Kreuzmair, Robert Misik, Per Zennström) /// Reaktionen

VOR 28 JAHREN:

Andy McCluskey (OMD) erörtert für Ralf Behrendt den Kapitalismus

BEILAGE:

Spex-CD #92Spex-CD #92 (Cover-Pop-Up)
01. Erobique & Jacques Palminger feat. Shaggy Sharoof – Totaler Spinner (Staatsakt / RTD)
02. Greie Gur Fraktion – Wir bauen eine neue Stadt (Monika Enterprise / Indigo)
03. Stella – Nobody Can Do Me No Harm (Snowhite / Clouds Hill / Universal)
04. John Roberts – Lesser (Dial / Kompakt)
05. Marteria – Endboss (Four Music / Sony)
06. HGICH.T – Der geile Max (Tapete / Indigo)
07. 1000 Robota – Fahr weg (Buback / Indigo / Finetunes)
08. Interpol – Lights (Coop / Universal)
09. Gonzales – Bittersuite (Gentle Threat / Edel)
10. Orchestral Manoevres In The Dark – New Holy Ground (Bluenoise / RTD)
11. Dwele – What’s Not to Love (E1 Music / Groove Attack)
12. Aloe Blacc – Take Me Back (Stones Throw / Groove Attack)
13. Menomena – Five Little Rooms (City Slang / Universal)
14. Tired Pony – Dead American Writers (Polydor / V2 / Coop / Universal)
15. Nufa – Tägerwilen (Klangbad / Broken Silence)
16. Zpyz – Nightreceiver (ZPYZ / DEAG / Warner)
Zusammenstellung: Martin Hossbach /// Gestaltung: Spex

Spex #328 – Die September/Oktober-Ausgabe ab dem 20. August 2010 am Kiosk.

Die nächste Ausgabe – Spex #329 – erscheint am 22. Oktober 2010.