Literaturauszeichnung Sasa Stanisic erhält den Preis der Leipziger Buchmesse

Wo sich Fuchs und Ossi Gute Nacht sagen: Für seine Uckermark-Tragikomödie "Vor dem Fest" erhält Sasa Stanisic den Preis der Leipziger Buchmesse. Der Roman galt vor der Kür auch als Favorit für die Auszeichnung.

Leipzig-Sieger Sasa Stanisic: "Ein Roman als furioser Chorgesang in Prosa"
Katja Sämann

Leipzig-Sieger Sasa Stanisic: "Ein Roman als furioser Chorgesang in Prosa"


Leipzig/Hamburg - Eine Dorfgemeinschaft mit Landschaftsmalerin, Sterni-Proleten und Heimatarchivarin: In seinem Roman "Vor dem Fest" wagt sich der gebürtige Bosnier Sasa Stanisic tief in urgermanische Gefilde und erzählt von der Nacht vor dem traditionellen Dorffest. Sein Porträt eines fiktiven Uckermark-Weilers überzeugt durch Witz, Tragik und stilistisches Raffinement - und ist geografisch das Gegenstück von Stanisics Debüt "Wie der Soldat das Grammofon repariert", das vom Jugoslawien-Krieg und der Flucht nach Deutschland handelte.

Das nun ausgezeichnete Zweitwerk des 36-jährigen erscheint acht Jahre nach dem international erfolgreichen Vorgänger und aktualisiert das Genre des Dorfromans mit seinen skurrilen Archetypen und überpräsenten Uraltgeschichten.

Jetzt wurde der Autor mit dem Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik geehrt. Die Auszeichnung ist mit 15.000 Euro dotiert. "Ein Roman als furioser Chorgesang in Prosa", urteilte die Jury.

In der Kategorie Sachbuch/Essayistik ging die Auszeichnung an Helmut Lethen für das Buch "Der Schatten des Fotografen". In einem Streifzug durch die Kunst- und Mediengeschichte des 20. Jahrhunderts geht er der Wirkung von Fotos nach. Den Preis für die beste Übersetzung erhielt Robin Detje für seine Übertragung des Buches "Europe Central" von William T. Vollmann aus dem amerikanischen Englisch. Der Preis der Leipziger Buchmesse wurde zum zehnten Mal verliehen. Den Belletristik-Preis hatte im Vorjahr David Wagner erhalten.

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Er kauft immer den falschen Käse. Sie weigert sich, nachts das Licht auszumachen. Yasmina Reza hat in ihrem neuen Roman "Glücklich die Glücklichen" die Kunst der Eskalation perfektioniert. Und das Glück ziemlich gut versteckt.

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Rassismus, Klassensystem und Coolness: In "London NW" fügt Literaturstar Zadie Smith ein faszinierendes Mosaik urbaner Biografien zusammen. Ihr bestes Buch.

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Korrektur: Thomas Bernhard ist nicht tot. In Alexander Schimmelbuschs "Murau Identität" lebt er inkognito auf Mallorca. Ein äußerst unterhaltsames Buch, das in seiner gemeingefährlichen Smartness an den jungen Christian Kracht erinnert.

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Was vor Lampedusa geschah: Ryad Assani-Razakis "Iman" erzählt von jungen Afrikanern, die unter Lebensgefahr nach Europa fliehen - obwohl das, was sie erwartet, nicht besser ist als ihr altes Leben.

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Psychogramm eines Nazis, das ohne Nazi-Klischees auskommt: In "Flut und Boden" erzählt Per Leo die Geschichte seines Großvaters, eines überzeugten SS-Führers - ihm gelingt, woran kaum einer noch geglaubt hätte: eine Wiederbelebung des Familienromans.

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Ein weltweit konkurrenzloser Schriftsteller liefert den verdichteten Beweis seiner Kunst: In "Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki" erzählt Haruki Murakami die Geschichte einer Selbstfindung - und von einer Frau, die alles entscheidet.

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Martin Mosebach, Vorzeige-Großbürger der deutschen Literatur, begibt sich in seinem neuen Roman "Das Blutbuchenfest" ins selbstzufriedene Milieu Frankfurter Geldmenschen - und konfrontiert es mit einer bosnischen Putzfrau.

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Kommunisten, Hippies, Occupy-Bewegung: Jonathan Lethem porträtiert in seinem neuen Roman "Der Garten der Dissidenten" mehrere Generationen linker Gegenkultur. Was die Aktivisten verbindet? Dass sie am Ende allein dastehen.

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Als Bummelstudenten noch "Futschikato" sagten: Gerhard Henschels "Bildungsroman" ist das heiter genervte Porträt eines Twentysomethings in den frühen Achtzigern - und zeigt die Ereignislosigkeit der Bundesrepublik, ohne dabei je zu langweilen.

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Konzentriert, konsequent, knallhart - und hochpolitisch. Don Winslow ist derzeit der wichtigste US-amerikanische Thriller-Autor. In "Vergeltung" jagt ein Söldner die Mörder seiner Familie und muss erkennen, dass die Zukunft Kriegsrobotern gehört.

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Ein Tod, so individuell wie sein Leben: Nach einem schweren Schlaganfall bittet der Pariser Kunstsammler André Bernheim seine Tochter Emmanuèle Bernheim, ihm beim Sterben zu helfen. Das Buch "Alles ist gutgegangen" ist ihr ungewöhnlicher, diskreter Bericht.

DPA

Inszenierung von Glück und Genuss, Abkehr von der schnöden Realität: Anna Katharina Fröhlich ist eine eigenwillige Virtuosin - in "Der schöne Gast" erzählt sie eine sinnenfrohe Liebesgeschichte vor mediterraner Kulisse.

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Die Schönste der Schule und ihr vier Jahre jüngerer Verehrer: Navid Kermani erzählt in "Große Liebe" von einer Teenagerliebe in den Zeiten der Friedensbewegung - und dreht dann ab in die islamische Mystik.

DPA/ Rabea Edel/ Berlin Verlag

Bye-bye Jugend: Fabian Hischmanns "Am Ende schmeißen wir mit Gold" beginnt wie ein schwuler Erweckungsroman - und entwickelt sich dann zur Geschichte einer Identitätsfindung, die an Benjamin Lebert erinnert.

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Die Sprache ist schlicht und schnörkellos, der Inhalt aufwühlend: Angelika Klüssendorf hat mit "April" eine Fortsetzung ihres Erfolgsromans "Das Mädchen" geschrieben. Es ist das Porträt einer Heldin, die mit sich selbst kämpft - und dank Kunst und Literatur den Kampf gewinnt.

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Die Agenda des Einschleichers: In "Die Lüge" erzählt Uwe Kolbe von einem Stasi-Mann, der die Kunstszene überwacht - und, angelehnt an die eigene Biografie, eine Geschichte von Vater und Sohn, die sich der Enge der Diktatur durch erotische Eskapaden entziehen.

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Was verloren geht, wenn ein Mensch stirbt: In "Alles ist wahr" erzählt Emmanuel Carrère mit unironischer Aufrichtigkeit von existenziellen Verunsicherungen - und hatte damit in Frankreich großen Erfolg.

Katja Sämann

Anderthalb Nazis, Säufer und ein Fährmann, der mal Angela Merkel befördert hat: In Sasa Stanisics "Vor dem Fest" ist das fiktive Uckermarkdorf Fürstenfelde Idealtyp der wendeversehrten Ex-DDR - und Kulisse für eine ironisch abgefederte Tragikomödie.

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Krieg, Vertreibung, Neurosen - und Affenforschung: In "Sieben Sprünge vom Rand der Welt" schildert Ulrike Draesner die deutsche Geschichte anhand von vier Generationen einer Familie. Ein kolossaler Roman mit skurrilen Figuren.

DPA

Von Berlin aus in Richtung der Schrecken des 20. Jahrhunderts: In "Vielleicht Esther" erzählt Katja Petrowskaja von einer Recherche in der eigenen Familiengeschichte - und schafft ein großartiges, ungewöhnlich erzähltes Panorama des 20. Jahrhunderts.

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