
WikiLeaks-Doku auf Arte Alle gegen Assange
- • WikiLeaks-Veröffentlichung: USA stellen Manning vor Kriegsgericht
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Muss man noch eine Dokumentation zu WikiLeaks sehen? Gibt es Neues zu erzählen? Unbedingt, was man der ersten Hälfte von "WikiLeaks - Geheimnisse und Lügen" allerdings nicht unbedingt anmerkt. Da wird noch einmal erzählt, womit die Enthüllungsplattform so berühmt geworden ist: Geheime Dokumente aus den Kriegen in Irak und Afghanistan, schließlich Hunderttausende Botschaftsdepeschen von US-Diplomaten.
Das mag altbekannt sein, liefert aber die nötige Grundlange für den zweiten Teil von Patrick Forbes' knapp anderthalbstündigen Film. WikiLeaks wird gezeigt als die mutige Idee einer Truppe furchtloser Helden, angeführt von Australiens einstigem Superhacker Julian Assange. Eine Internet-Gang, die es mit den Vereinigten Staaten aufnimmt.
Die Anfänge von WikiLeaks - Enthüllungen in Afrika, in Island - spart sich Forbes. Nur nicht zu viel Zeit vergeuden, denn nach dem Aufstieg kommt der Fall, und davon handelt dieser Film. Geradezu genüsslich nimmt Forbes das Projekt WikiLeaks auseinander. Das ist brutal - und gerechtfertigt.
Wo WikiLeaks wütet, so erzählt es der Film, gibt es Kollateralschäden. Die Wahrheit fordert Opfer, und eines davon wartet in einem Militärgefängnis in den USA auf sein Urteil. Wenn Bradley Manning nicht durch die Hand eines Henkers stirbt, dann wird er vermutlich bis zu seinem Lebensende gefangen gehalten werden. Er hatte sich selbst in einem Chat als Quelle von WikiLeaks enttarnt.
Sein Gegenüber, der amerikanische Ex-Hacker Adrian Lamo, hatte ihm Vertraulichkeit angeboten. "Ich bin Journalist und Priester, Du kannst Dir aussuchen, ob das hier als Beichte oder Interview behandelt wird." Doch dann ging er zu den Behörden und verriet Manning.
Im Film erzählt ein alter Freund Mannings. Der Inhaftierte habe eine fahle Hautfarbe, sehe ausgelaugt aus. Manning könne kaum noch sprechen, starre Besucher an, ohne zu antworten, "ein schockierender Verfall". Lamo hingegen windet sich selbstgerecht im Interview, der Film zeigt ihn als jämmerlichen Verräter.
Ein Film voller Verräter
Das nächste Opfer ist WikiLeaks selbst, und es wird zerstört von Julian Assange, dem charismatischen Kopf, der das Projekt aufgebaut hatte. Zu Wort kommen der einstige Mitstreiter Daniel Domscheit-Berg, der WikiLeaks im Streit verließ - in Assanges Augen ein Verräter - sowie mehrere Journalisten und die Chefredakteure von "New York Times", "Guardian" und SPIEGEL. Letztere äußern sich noch am ehesten diplomatisch.
Sie erzählen von der Zusammenarbeit mit Assange, und wie es zum Streit kam. Die Redaktionen wollen die Dokumente bearbeiten, wollen Informanten schützen, niemanden in Lebensgefahr bringen. Und sie möchten sich von Assange nicht allzu viel vorschreiben lassen. Assange möchte die Dokumente am liebsten unredigiert ins Web kippen, und er will die Spielregeln bestimmen.
Die Medienallianz veröffentlicht die großen Leaks zeitgleich, in aufwendig aufbereiteter Form. Weil die "New York Times" aber ein kritisches Profil zu Assange druckt, bricht er mit der Zeitung. Der "Guardian" stellt den Kollegen trotzdem die nächste Ladung geheimer Dokumente zur Verfügung - Assange ist außer sich. Die Beziehungen zu den Medien sind vergiftet, fortan gibt es immer heftigeren Streit um Abmachungen.
Einstige Verbündete sind fassungslos
Dann passiert, was nie hätte passieren sollen: Durch Pannen und Schlamperei geraten die unredigierten Botschaftsdepeschen ins Web, was die Informanten der US-Regierung in Gefahr bringt. Assange habe das nicht weiter gekümmert, berichtet ein "Guardian"-Journalist - es seien ja doch nur Informanten der US-Regierung. Die Journalisten sind erschüttert.
Überschattet wird Assanges Geschichte auch von den Vorwürfen zweier Frauen in Schweden, der Australier habe sie vergewaltigt. Der macht daraus eine CIA-Verschwörung - einstige Verbündete sind fassungslos. Seit mehr als einem Jahr steht Assange deshalb in Großbritannien unter Hausarrest und kämpft gegen seine Auslieferung nach Schweden. Der juristische Kampf lähmt WikiLeaks, das Projekt steht still, Dokumente können nicht mehr eingereicht werden.
Für den Film hat Patrick Forbes Julian Assange besucht, aus dem Hausarrest beklagt der sich bitterlich über die einstigen Mitstreiter. Sowohl den "Guardian"-Journalisten David Leigh als auch Daniel Domscheit-Berg bezeichnet er als Judas. Überhaupt seien alle Medienunternehmen korrupt. Auch Assange ist in Forbes' tragischer Erzählung ein Verräter, er hat seine eigene Idee betrogen.
Nick Davies fasst die ganze Tragik in zwei Sätzen zusammen: Die Afghanistan-Veröffentlichung habe Assange moralische Größe, Glaubwürdigkeit und politischen Einfluss gegeben. "Jeglicher Nutzen, den Assange aus der Sache hätte ziehen können, ist verloren."
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