
Geschlechterklischees Mad Women
Meine Freundin Rebecca mag meine Lieblingsserien nicht. "Die Sopranos" findet sie zu brutal, "The Wire" zu kompliziert, "Six Feet Under" zu düster und bei "Boston Legal" hat sie schon nach den ersten Szenen mit Denny Crane die Augen verdreht. Aber "Mad Men" liebt sie. Wir haben alle Staffeln im Rekordtempo geschaut, manchmal drei oder vier Folgen an einem Abend. Ich kenne keine Frau, die "Mad Men" nicht mag. Ich kenne nicht mal eine Frau, die eine Frau kennt, die "Mad Men" nicht mag. Mad Women! Sind die Frauen verrückt geworden?
Warum Männer die Serie toll finden, ist klar: Kerle wie Don Draper oder Roger Sterling haben einen geilen Job, sind saucool, dürfen qualmen bis zum Exitus, gönnen sich in der Lunchpause einen Drink aus der Schublade und kriegen jede Frau, die sie wollen.
Wenn die eigene Frau zu alt oder zu nervig wird, nimmt man sich eine junge, gutaussehende, die zu einem aufschaut; gerne auch die, die bis gestern noch vor der Bürotür die Briefe getippt und die Anrufe entgegengenommen hat. In meiner Lieblingsfolge verschwindet Don während einer Geschäftsreise nach Kalifornien einfach für drei Wochen und gibt sich der Dolce Vita hin.
Aber was finden Frauen an der Serie toll? Offenbar nicht die Kerle. Meine Freundin hält Don Draper für einen noch größeren Schürzenjäger als Danny Crane, "ekelhaft" sagt sie auf dem Sofa neben mir und schüttelt den Kopf.
Das Ziel: Mrs. Chef werden
Und was ist mit dem Frauenbild? Wenn Alice Schwarzer schon tot wäre - sie würde im Grab rotieren. Von "So will ich eigentlich auch sein"-Frauenserien wie "Sex and the City" oder "Desperate Housewives" ist "Mad Men" weit entfernt. Die Frauen sind meist Sekretärinnen, deren Lebensinhalt es ist, gut auszusehen, zu kichern, noch ein wenig mehr zu kichern, wenn der Chef zudringlich wird, Klatsch und Tratsch in der Mittagspause zu verbreiten, und darauf zu hoffen, dass irgendeine Affäre mit irgendeinem höhergestellten Kerl in eine Hochzeit mündet und man Mrs. Chef wird.
Dann hat man es geschafft, sitzt gelangweilt zu Hause, bläst den verzogenen Gören riesige Wolken Zigarettenrauch ins Gesicht, tratscht mit der ebenso gelangweilten Nachbarin und wartet auf den Ehemann, der immer häufiger abends zu spät nach Hause kommt, weil er "Überstunden" machen muss.
Peggy Olson, die es in der Serie von der Sekretärin zur Kreativtexterin bringt, zählt nicht als Ausnahme: Für die Karriere braucht sie vier Staffeln, und auch sie lässt sich von einem Vorgesetzten schwängern. Und dass Mrs. Donald Draper sich scheiden lässt und einen anderen, nicht ganz so schmierlappigen Kerl heiratet? Zu vernachlässigen, denn zufriedener macht sie das auch nicht.
"Das waren halt die sechziger Jahre", sagt meine Freundin. Sie sagt das mit einer Überzeugung, dass man denken könnte: Mensch, klar, die sechziger Jahre! Als die meisten Männer ihre Frauen noch an der Leine ausführten, Frauen- statt Hammerwerfen olympisch war und sie weder Auto fahren noch wählen durften. Oder verwechsle ich da was?
Die Kleider erfüllen den Straftatbestand der sexuellen Nötigung
Nein, die Gründe für den Erfolg von "Mad Men" liegen auf der Hand. Die Ausstattung sieht aus, als hätten sich Depot und Manufactum zusammengetan und eine Deluxe-Nostalgie-Interieur-Design-Serie herausgegeben. Diese stoffbezogene Nachttischlampe! Diese cremebraunen Sofakissen! Und diese verzierten Griffe an der Schublade über dem Herd!
Das Schönheitsideal dieser Zeit entspricht offenbar den weiblichen Sehnsüchten. Die rothaarige Christina Hendricks ist in ihrer Rolle als Joan Harris schon nach wenigen Folgen zum Sex-Symbol aufgestiegen, auch von Frauen kommt nur Bewunderung: Was wäre das schön, auch heutzutage solch üppige Formen am Arbeitsplatz zur Schau stellen zu können, ohne gleich von den Kollegen gefragt zu werden, ab wann man in den Mutterschutz gehen will. Und diese tollen Kleider, die in Zeiten des Hosenanzugs schon fast den Straftatbestand der Nötigung oder gar sexuellen Belästigung erfüllen!
Vielleicht ist der Erfolg der Serie auch ein Indiz für das langsam um sich greifende Kristina-Schröder-Syndrom. Dieses Gefühl von Frauen um die 30, sich sofort schwer emanzipiert zu fühlen, wenn sie Kinder kriegen und zudem nicht nur "Hausfrau" in ihrer Vita stehen haben, sondern irgendwas, was nach Karriere aussieht. Und sich insgeheim doch an Heim und Herd (am besten mit Prämie) zurücksehnen und sei es nur, indem man "Mad Men" schaut und denkt, wie toll es doch wäre, einen erfolgreichen Mann zu haben, etwas mehr Zeit für die Kinder und den Klatsch und Tratsch mit der besten Freundin.
Aber ich will den Frauen nichts unterstellen. Ich stehe lieber da wie Don Draper, Sonnenbrille auf, weißes, luftiges Kurzarmhemd, eine Hand in der Tasche, lächle leicht und nehme einen tiefen Zug von meiner Zigarette...
"Mad Men" läuft in Deutschland bei ZDFneo, nächster Sendetermin: 5. September, 22.50 Uhr, und bei dem Pay-TV-Sender Fox: Dort beginnt am 24. September um 21:45 Uhr die deutsche Erstausstrahlung der fünften Staffel.