
Ägyptisches Museum in Kairo Plünderer zerstören Tutanchamun-Schätze
Im "Louvre des Orients", dem Ägyptischen Museum in Kairo, herrschte schon immer das reinste Chaos: In den Kellergewölben schlummern Hunderte Sarkophage und Kisten. Deren Inhalt kennt kaum einer, im Laufe der letzten Jahrzehnte wurden sie dort abgeliefert und einfach abgestellt. Jetzt herrscht auch in den oberen Etagen, dort wo sich jährlich Millionen Besucher vor allem um die Exponate des legendären Pharaos Tutanchamun scharen, heilloses Durcheinander: Plünderer haben sich an einem der größten Erben der Welt zu schaffen gemacht.
"Das waren die Wächter der Museums, unsere eigenen Leute", sagte die ehemalige Direktorin, Wafaa el Saddik, dem "Tagesspiegel". Einige Polizisten hätten offenbar vorher ihre Jacken ausgezogen, "um nicht als Polizisten erkennbar zu sein".
Der Gesamtschaden ließ sich zunächst nicht beziffern, aber das, was die Plünderer angerichtet haben, muss jeden Kulturgutliebhaber erschüttern: Die Randalierer zerstörten offenbar zwei Mumien, zerbrachen Vitrinen mit wertvollen antiken Schätzen und stießen Figuren auf den Boden.
Die Plünderer hätten nur im ersten Stock gewütet, sagte el-Saddik. Dort beherbergt die berühmte Antikensammlung auch den Schatz des Tutanchamun: Zahlreiche Fundstücke aus dem Grab, darunter auch die berühmte goldene Totenmaske des Pharaos. "Es sind sehr viele Figuren auf den Boden geworfen und zerstört worden, darunter auch Götterfiguren aus dem Schatz des Tutanchamun."
Über das Dachfenster eingestiegen
Ob die Plünderer antike Gegenstände gestohlen haben, ist unklar: El Saddik berichtete, dass eine zweite Gruppe der Täter über eine Feuerleiter durch die Dachfenster eingestiegen sei. Sie hätten mehrere pharaonische Schmuckstücke gestohlen. Auch ein erst kürzlich eröffneter Anbau mit einem Andenkenladen sei ausgeraubt worden.
Der Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung, Zahi Hawass, sagte dem Sender al-Dschasira dagegen, der Randalierergruppe sei es nicht gelungen, irgendetwas aus dem Museum zu stehlen. Die Plünderer seien am Freitagnachmittag festgenommen worden. Seinen Angaben zufolge seien insgesamt zehn Artefakte beschädigt worden - sie könnten aber wieder hergestellt werden. Auch die Museumskasse sei geplündert worden.
Zu verdanken sei der glückliche Ausgang mutigen Zivilisten, sagte Hawass. "Gott sei Dank haben einige Ägypter, wirklich gute Ägypter, versucht, die Plünderer aufzuhalten."
In einem al-Dschasira-Film waren einige der zerstörten Gegenstände zu sehen. Margaret Maitland, eine Ägyptologin von der Oxford University, verglich die Aufnahmen der zerstörten Artefakte, die aus dem Grab Tutanchamuns stammen, mit Bildern vor der Zerstörung. In einem Blog schreibt die Forscherin, drei vergoldete Holzfiguren des jungen Königs scheinen von ihrem Sockel abgebrochen zu sein. Eine der Statuetten zeigt Tutanchamun mit einer Harpune stehend auf einem Boot, eine andere den Pharao rittlings auf dem Rücken eines Panthers.
Die Schätze sind nicht versichert
Das Ägyptische Museum, das im Stadtzentrum am Tahrir-Platz gelegen ist, wird nun verstärkt von der Armee bewacht und ist derzeit öffentlich nicht mehr zugänglich. Dennoch ist das Museum weiterhin in Gefahr: Wie der US-Nachrichtensender MSNBC berichtet, droht das Nachbargebäude - die Zentrale der Regierungspartei - zu kollabieren.
"Das macht mir Angst, wenn das Gebäude zerstört wird, fällt es auf das Museum", sagte Hawass. Als das Feuer in dem Gebäude am Freitagnacht ausbrach, habe ein ägyptischer Filmdirektor in einem arabischen Fernsehsender die ägyptische Armee dazu aufgerufen, so schnell wie möglich zum Museum zu kommen, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters.
Zudem drohen weitere Plünderungen, denn wenn die Lage in Kairo weiter eskaliert, stehen möglicherweise nicht mehr genügend Armeesoldaten oder Zivilisten zur Verfügung, um sich dem Schutz des Museums zu widmen.
Auch ein Museum in Memphis sei Samstagfrüh komplett ausgeraubt worden, sagte die ehemalige Museums-Direktorin des Kairoer Museums. "Die Verantwortlichen dort haben mich in ihrer Verzweiflung angerufen und gefleht: "Rette uns, mach etwas"", schilderte el-Saddik "Zeit Online". In den Museen in Luxor und Assuan sei dagegen nichts passiert. "Das größte Problem ist der mangelhafte Schutz unserer Museen überhaupt", sagte sie. "Das Ägyptische Museum in Kairo und alle Museen in Ägypten sind überhaupt nicht versichert."