Blitz-Analyse der Griechenland-Wahl Das Tsipras-Comeback

Alexis Tsipras: Große Auswahl an Koalitionspartnern
Foto: LOUISA GOULIAMAKI/ AFPWer ist der Gewinner?
Den bisherigen Zahlen zufolge hat Alexis Tsipras mit seinem Linksbündnis Syriza erneut klar den Sieg errungen. Der Abstand von Syriza zur konservativen Nea Dimokratia (ND) dürfte rund sieben Prozentpunkte betragen. Die erstplatzierte Partei bekommt in Griechenland einen Bonus von 50 Sitzen. Tsipras kann erneut auf die Unterstützung der rechtspopulistischen Anel bauen und hat außerdem mehrere weitere Koalitionspartner zur Auswahl. Nach einer ersten Amtszeit von nur sieben Monaten dürfte er damit erneut zum Premierminister gewählt werden.
Wer sind die Verlierer?
Der ND-Spitzenkandidat Evangelos Meimarakis ist Tsipras eindeutig unterlegen. Allerdings schlug er sich deutlich besser als noch vor wenigen Wochen zu erwarten war. Die ND bleibt damit neben der neu etablierten Syriza die zweite große Partei des Landes und vermeidet das Schicksal der sozialistischen Pasok, die sich mit voraussichtlich sechs bis sieben Prozent aber wieder etwas erholen konnte.
Der Einfluss extremerer Parteien bleibt trotz jahrelanger Dauerkrise begrenzt. Die rechtsradikale Goldene Morgenröte wird zwar erneut drittstärkste Kraft, spielt mit etwa sieben Prozent aber für die Mehrheiten keine Rolle. Die Volkseinheit (Laiki Enotita), die sich aus Protest gegen Tsipras' Kehrtwende von Syriza abspaltete und eine Rückkehr zur Drachme fordert, könnte es zwar aus dem Stand ins Parlament schaffen. Sie verfehlt das angestrebte zweistellige Ergebnis aber klar und wird bei den Koalitionsverhandlungen ebenfalls keine Rolle spielen.
Ein deutlicher Verlierer ist auch die liberale Potami, die mit rund vier Prozent deutlich unter ihrem Ergebnis im Januar bleibt.
Mit wem wird Tsipras regieren?
Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE ist Tsipras entschlossen, erneut eine Koalition mit Anel zu bilden. Falls diese wieder die Mehrheit von mindestens 151 Sitzen erreicht, würden beide Parteien zunächst offiziell ein Bündnis eingehen. Anschließend könnten sie jedoch weitere Parteien wie Pasok oder Potami zur Teilnahme einladen, um ihre Mehrheit auszubauen. Beide Parteien wollten schon beim letzten Mal mit Syriza koalieren. Am späten Abend bestätigte Anel-Chef Panos Kammenos, dass es erneut ein Bündnis geben solle.
Falls es mit Anel allein nicht für eine Mehrheit reicht, will Tsipras Pasok oder Potami von vornherein eine Teilnahme anbieten - allerdings zu seinen Bedingungen. Mit Pasok soll es für diesen Fall bereits fortgeschrittene Gespräche geben. Potami scheint eine Dreierkoalition unter Beteiligung von Anel dagegen bislang abzulehnen.
Sollten die Verhandlungen sowohl mit Pasok als auch mit Potami scheitern, könnte Syriza auch der Zentrumsunion ein Angebot machen. Ihr Parteichef Vasilis Leventis ist seit Jahrzehnten eine Kultfigur des griechischen Trash-Fernsehens.
Wie laufen die Koalitionsverhandlungen ab?
Am Montag bekommt Tsipras als Parteichef mit den meisten Stimmen ein Mandat des Staatspräsidenten, um Koalitionspartner zu suchen. Dafür hat er drei Tage Zeit. Andernfalls bekäme Nea Dimokratia als zweitstärkste Kraft ihre Chance, gefolgt von der drittplatzierten Goldenen Morgenröte. Beim letzten Mal ging es allerdings viel schneller: Schon am Montag vereinbarte Tsipras die Koalition mit Anel.
Was steht der neuen Regierung bevor?
Die Aufgaben sind weitgehend durch neue Vereinbarungen mit Griechenlands Gläubigern vorgezeichnet. Von diesen erhält das Land allein mindestens zehn Milliarden Euro für seine Banken, von denen in den dramatischen Wochen am Rande der Staatspleite Milliarden abgezogen wurden. Zur Stärkung des Finanzsektors muss Griechenland außerdem klarere Regeln für Insolvenzen und faule Kredite erlassen.
Besonders umfassende Reformen sind im Steuerrecht geplant: Neben bereits beschlossenen Erhöhungen der Mehrwertsteuer und einer sogenannten Solidaritätsabgabe, soll die Besteuerung von Bauern, Privatunterricht und Mieteinnahmen ausgeweitet werden. Auch die Steuervorauszahlungen von Unternehmen und Selbstständigen sollen erhöht werden. Die ermäßigte Mehrwertsteuer für griechische Inseln wird schrittweise abgebaut.
Das Rentenalter soll auf 67 steigen, die Zahl der Frühverrentungen sinken. Ladenöffnungszeiten werden ausgeweitet, Heizöl-Subventionen um 50 Prozent gekürzt. Nicht zuletzt muss die Regierung in Kürze einen neuen Privatisierungsfonds auf den Weg gebracht haben, der mit dem Verkauf von Staatsbesitz 50 Milliarden Euro einnehmen soll.
Droht Griechenland noch der Euro-Austritt?
Nein, diese Gefahr scheint vorerst gebannt. Griechenland hat sich mit dem dritten Hilfspaket weitgehend den Forderungen seiner Europartner gebeugt. Die Finanzierung des Landes ist dadurch vorerst gesichert, eine zwischenzeitlich drohende Staatspleite abgewendet. Zudem wurde während der jüngsten Zuspitzung der Krise deutlich, dass eine Mehrheit der Euroländer einen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Spiel gebrachten vorübergehenden Austritt nicht unterstützen würde.
Allerdings könnte innerhalb der Regierung bald neuer Widerstand gegen den Sparkurs aufkommen. Nachdem sich ein Teil der Partei bereits aus Protest in der Volkseinheit abgespalten hat, gibt es nun einen neuen Protestflügel. Die sogenannte "Bewegung der 53" haben bereits angekündigt, sie seien gegen das neue Sparpaket und könnten gegen weitere Reformgesetze stimmen. In diesem Fall dürften sich die Beziehungen zu den übrigen Eurostaaten schnell wieder verschlechtern.