PERSONALIEN Urs Jaeggi, Werner Ungerer, Jürgen Girgensohn, Helmut Schmidt
Urs Jaeggi, 47, Schweizer Soziologie-Professor an der Freien Universität Berlin, erregte mit seinem Roman »Brandeis« unter Fachkollegen »helle Empörung": In dem weitgehend autobiographischen Buch beschreibt Jaeggi -- unter anderen -- auch den ehemaligen Rektor der Universität Bochum, Kurt Biedenkopf, den er leicht entschlüsselbar Adam Rosenkopf nennt: »Ein Pfannkuchengesicht. Ein dickes, weiches Gesicht, kurzer Körper, zu kurzer Körper und zu kurze Beine, aber wendig, erstaunlich flink ohne jede Hast ... Man kann sich Rosenkopf vorstellen: als Firmenchef. Er könnte Generalsekretär einer Partei sein, Minister, Ministerpräsident, Bundeskanzler? Er bringt es weit, er wird es weit bringen.« Auch die Dozentenkollegen Johannes Papalekas ("Ein hochprozentiger Boche, obwohl angeblich Grieche. Ein Schleimer ... ein Wortscheißer") und Erwin K. Scheuch ("Scheuch und Co. mit ihrem Kokolores über linke Unterwanderung") kommen bei Jaeggi -- unverhüllt -- miserabel weg. In einem Brief verlangt darum der Essener Professor Hans Winkmann beim Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Soziologie eine Ehrenerklärung für die »verunglimpften« Kollegen. Falls Jaeggi' der selbst im erweiterten Vorstand der Soziologen-Zunft sitzt, sich nicht in zwei Fachzeitschriften entschuldigt, droht Winkmann mit dem Austritt, da er sich dann nicht mehr in der Lage sehe, sich »mit dem Umgangsstil' der in die Gesellschaft einzudringen droht, zu identifizieren«.
Werner Ungerer, 51, deutscher Generalkonsul in New York, leistet sich an diesem Montag einen ungewöhnlichen Ausstand. Ungerer lud gut eintausend Freunde und Bekannte in die für 600 Dollar gemietete Carnegie Hall ein, um ihnen vor seiner Rückkehr nach Bonn ein »Abschieds-Konzert« zu geben. Der Amateurpianist, der mit sechs Jahren zum erstenmal am Klavier saß und vor seinem letzten Auftritt in New York eifrig trainierte (Photo), trägt ausschließlich eigene Kompositionen vor, zum Beispiel »Unglückliche Liebe«, »Herbst im Central Park« oder »Lichter am Times Square«. Eine der landesüblichen Cocktail-Partys mochte der Diplomat nicht geben: »Man steht nur herum und kann sich nicht ernsthaft unterhalten.« Ungerer, der die Bundesrepublik drei Jahre lang in New York vertrat, wird in Bonn die Leitung der Unterabteilung 20 des Auswärtigen Amtes übernehmen.
Jürgen Girgensohn, 54, Düsseldorfer Kultusminister, avancierte zum Liebling der nordrhein-westfälischen Schuljugend. Seit Girgensohn wegen der bedrohlichen Straßenverhältnisse den Schülern landesweit zwei zusätzliche Schnee-Ferientage verordnete, frachtete die Post waschkörbeweise Fan-Post ins Kultusministerium. »Es ist wie im Märchen, mein Prinz«, bedankte sich eine Zehnjährige bei Girgensohn für den Extraurlaub' eine Gleichaltrige gestand, sie träume nur noch von »Superstar« Jürgen. Unter Schulstreß leidet offenbar eine andere Schülerin, die dem Minister kundtat, er habe sie »für zwei Tage von Depressionen befreit«. Helmut Schmidt, 60, Bundeskanzler, nahm sich bei seiner ersten diesjährigen Pressekonferenz vor Bonner Journalisten am vorvergangenen Freitag ungewöhnlich viel Zeit. Grund: Der Kanzler hatte nach seinen jüngsten Gesprächen auf Jamaika und Guadeloupe erfahren müssen, welch rufschädigende Wirkung es haben kann, wenn Presseleuten keine Zeit zum Fragen eingeräumt wird. Der Berichterstatter des jamaikanischen »Sunday Gleaner«, wie seine Kollegen nur mit kurzen Erklärungen zum Konferenzverlauf abgespeist, hatte den Kanzler beobachtet und vermerkt, daß Schmidt während der Rede des nigerianischen Generals Obasanjo zu etwas Zigarettenähnlichem gegriffen, es zum Munde geführt und dann in seinen Daumen gebissen habe. In Wahrheit, so der Kanzler, habe es sich um den »im Grunde ja sehr einfachen Vorgang des altdeutschen Schnupfens« gehandelt. Die Mär vom daumenbeißenden Kanzler soll nun Pressesprecher Klaus Bölling in einem Leserbrief an den »Sunday Gleaner« wieder zurechtrücken. Zur Information und zum Vergnügen deutschsprachiger Schnupf-Fans hat sich die Pressestelle im Kanzleramt etwas anderes einfallen lassen: einen Bilderbogen nach Art Wilhelm Buschs' auf dem der Bonner Graphiker Thilo Graf Rothkirch den Kanzler »Die Prise« nehmen läßt (Abb.).