Bundestrainer Löw "Gut, durch so ein Stahlbad zu gehen"

Bundestrainer Löw: Im Achtelfinale gegen England
Foto: KAI PFAFFENBACH/ REUTERSFrage: Herr Löw, wie erleichtert sind Sie nach dem Weiterkommen?
Löw: Es war ein intensives Spiel. Bei uns hat man in manchen Phasen gemerkt, dass der Druck vorhanden war in einem Spiel mit vielen jungen Spielern, die ihre erste WM spielen. Aber wir haben dem Druck standgehalten. Wir haben in einer wichtigen Phase das Tor erzielt durch Mesut Özil. Nachdem er eine große Chance vergeben hatte, hat er mit aller Entschlossenheit den Ball im Tor versenkt.
Frage: Was bedeutet dieser Sieg für den weiteren Turnierverlauf?
Löw: Für so eine junge Mannschaft ist es gut, durch so ein Stahlbad zu gehen in einem Spiel um alles oder nichts. Wir freuen uns jetzt auf das Spiel gegen England. Das ist immer etwas ganz Besonderes. Es lebt ja auch von der Geschichte, da könnte man viele Dinge erzählen. Das ist ein besonderes Spiel für alle.
Frage: Der Druck wird jetzt sicher nicht kleiner. Befürchten Sie, dass die Mannschaft nie wieder so locker auftritt wie beim 4:0 gegen Australien?
Löw: Befürchten muss man gar nichts. Dass diese junge Mannschaft nicht immer ihren hohen Rhythmus findet, ist doch normal. Das passiert auch erfahrenen Mannschaften. Bei dieser WM haben das schon Frankreich, Italien oder auch England erlebt. Man kann nicht erwarten, dass alles perfekt läuft. Aber wir haben uns gegen den Druck gewehrt, haben uns dagegen gestemmt. Wir sind Gruppenerster, das ist für die Spieler eine wichtige Erfahrung.
Frage: Warum haben Sie Jérôme Boateng für Badstuber ins Team genommen?
Löw: Ghana hatte drei unglaublich schnelle Spieler vorne. Da war es wichtig, Boateng mit seiner Schnelligkeit in der Abwehr zu haben. Er ist auf den ersten zehn, 15 Metern sehr schnell. In der Defensive hat er das gut gemacht. Ich konnte nicht erwarten, dass er in der Offensive viele Akzente setzt.
Frage: Per Mertesacker wirkte alles andere als sicher. Wie beurteilen Sie seine Leistung?
Löw: Sagen wir mal so: Ihm ist der eine oder andere Ball weggesprungen, beim Klären sah er in der ersten Hälfte unglücklich aus. Aber ich bin der Meinung, dass die Innenverteidiger schon auch einige Duelle gewonnen haben, Arne Friedrich fast jedes. Ihn habe ich sehr gut gesehen, er gab uns den Halt. Bei Per Mertesacker weiß man, dass er in solchen Spielen wichtig ist. Und gerade auch, wenn es gegen starke Gegner geht, die viel Druck machen und mit Flanken operieren, ist Mertesacker stark hinten.
Frage: Wie schätzen Sie die Engländer ein?
Löw: Man erlebt, dass Mannschaften erst im Verlaufe eines Turniers auf Touren kommen. Auch wenn England bislang nicht die allerbeste Form gezeigt hat - diese Mannschaft ist mit hervorragenden Spielern besetzt, ob Gerrard, Lampard, Cole und natürlich Rooney. Diese Mannschaft ist brandgefährlich.
Frage: Wayne Rooney ist noch nicht viel gelungen.
Löw: Aber bei ihm weiß man, dass er explodieren kann. Dieser Mann ist zu allem fähig. Er hat in der Premier League unheimlich viele Tore gemacht. Er ist schwer zu kontrollieren. Da wird unsere Abwehr vor eine große Aufgabe gestellt.
Frage: Kann das Team nach dem Erfolg gegen Ghana jetzt nicht frei aufspielen?
Löw: Befreit aufspielen? Völlig befreit aufspielen kann man bei einem Turnier nie. Bei einer WM ist jedes Spiel mit Druck behaftet. Es war mir vor Turnierbeginn klar, dass es mit den vielen jungen Spielern nicht immer einfach wird. Selbstverständlich wird auch gegen England eine Drucksituation vorhanden sein. Das ist ein K.o.-Spiel, da herrscht nicht völlige Befreiung. Aber ich denke, dass wir immer besser mit dieser Situation umgehen.