Spottziel Cristiano Ronaldo Public Enemy Number Seven
Ronaldo-Bashing hat Konjunktur. Kein Fußballer wird so sehr mit Spott und Häme überschüttet wie der Portugiese. Das ist ebenso vorhersehbar wie erbärmlich.
Haben Sie in Ihrer Umgebung am Samstagabend um 22.34 Uhr laute Jubelschreie und hämisches Lachen gehört? Wenn nicht, dann sind Sie vielleicht gerade auf der Internationalen Raumstation. Oder Sie wohnen auf Madeira, der Heimatinsel von Cristiano Ronaldo. Um 22.34 Uhr schoss der Superstar kurz vor Schluss des EM-Spiels gegen Österreich einen Elfmeter gegen den Pfosten. Zur großen Freude der Öffentlichkeit.
Überraschend ist das nicht. Wenn man mit Menschen im Fernsehen ein Fußballspiel ansieht, in dem Cristiano Ronaldo mitspielt, muss man sich auf eines gefasst machen: Nach kurzer Zeit wird jemand ein Bekenntnis ablegen. "Ich mag diesen Ronaldo nicht", hört man dann, und die Person, die einen der besten Fußballer aller Zeiten nicht mag, zählt die Gründe für ihre Abneigung auf.
Die Motive sind dabei komplett vorhersehbar: Zu viele Pflegeprodukte in den Haaren, zu selbstsicheres Auftreten, zu durchtrainierter Körper, zu viel Eigensinn auf dem Platz, zu weinerlicher Gesichtsausdruck. 90 Prozent aller Ronaldo-Gegner hat man damit schon abgedeckt. Nun kann natürlich jeder seinen eigenen Frisurengeschmack haben, und man muss seinen Kindern ja auch nicht beibringen, immer breitbeinig beim Freistoß zu stehen.
364 Tore in sieben Jahren: zu eigensinnig?
Die globale Ronaldo-Feindschaft hat aber schon lange einen kritischen Punkt überschritten, ab dem solche eher ästhetischen Fragen sich mit der Bewertung Ronaldos, des Fußballers, untrennbar vermischen. Obwohl er in sieben Jahren 364 Tore für Real Madrid erzielt hat, obwohl er der beste Europapokaltorschütze der Geschichte ist, erzählen einem die Ronaldo-Gegner immer gerne, wie unwichtig sein Beitrag zum Erfolg seiner Mannschaften sei.
Das gilt, und hier wird es interessant, sowohl für Quartals-Fußballgucker, die nur bei Welt- und Europameisterschaften den Fernseher einschalten, als auch für Hardcore-Fans und Taktiknerds. Sie alle sind davon überzeugt, dass Ronaldo "in Wahrheit" gar nicht so toll sei, wie er gesehen werde. Nur sieht ihn halt tatsächlich außerhalb Portugals und von Real-Madrid-Fanklubs kaum jemand positiv.
Wie kann das sein? Schließlich ergeht es Lionel Messi, dem anderen Weltstar dieses Jahrzehnts, ganz anders. Niemand zweifelt dessen Klasse an. Zu Recht, denn Messis Talent ist dem Ronaldos sicher noch überlegen. Dass der Portugiese trotzdem noch mehr Tore erzielt als der Argentinier, spricht ja aber gerade nicht gegen Ronaldo. Es zeigt, dass er hart daran arbeitet, der Beste zu sein. Genauso wie sein athletischer Körper davon zeugt, dass er sein ganzes Leben dem Sport widmet. Warum sollte man das einem Profi zum Vorwurf machen?
Liegt es also doch an Ronaldos Persönlichkeit, dass die "Bild"-Zeitung ihn gerade als "der arroganteste Fatzke der Welt" beleidigte? Das ist nicht nur ein Boulevardthema: In der ARD witzelte Moderator Matthias Opdenhövel, Ronaldo habe "seine Pumps vergessen". Undenkbar, dass ein deutscher Sportler im Ersten so respektlos behandelt würde. Spott über Ronaldo aber geht immer. Das dachte sich auch der damalige Fifa-Präsident Joseph Blatter, als er 2013 erklärte, Messi besser zu finden als Ronaldo, weil der Portugiese "mehr Geld beim Friseur" ausgebe.
Aber was ist an Ronaldos Persönlichkeit auszusetzen? Er ist alleinerziehender Vater. Er hat sich aus ärmlichen Verhältnissen auf der Insel Madeira zum bekanntesten und reichsten Sportler der Welt emporgearbeitet. Und was macht er mit seinem Geld? Gibt er es wie der gefeierte George Best nur für "Alkohol, Frauen und Autos" aus? Nein, Ronaldo trinkt keinen Alkohol, auch, weil sein Vater Alkoholiker war und daran gestorben ist. Anders als viele Fußballer hat er keine Tätowierungen, weil er dann nicht mehr regelmäßig Blut spenden könnte.
Kaum ein Sportler der Welt gibt mehr für wohltätige Zwecke aus als Ronaldo, der schwer kranken Kindern Operationen finanziert und Millionen für Schulen im Gazastreifen spendet. Das kann man auch würdigen, wenn man es nicht mit den Millionen Euro vergleicht, die Messi und sein Vater an Steuern hinterzogen haben sollen.
Vielleicht ist es aber der völlig falsche Weg, Ronaldos Leistungen auf dem Rasen und sein Verhalten als Multimillionär zu würdigen, um seine Rolle zu verstehen. Vielleicht hat die weltweite Häme, die ihm entgegenschlägt, weniger mit ihm zu tun als vielmehr mit einem Grundbedürfnis, sich über erfolgreiche, attraktive Menschen lustig zu machen und sich zu freuen, wenn ihnen etwas misslingt. Wie früher auf dem Schulhof sucht man sich dann einen aus, und alle lachen über ihn. Ist das menschlich verständlich? Vielleicht. Sympathisch ist es nicht.