Globale Proteste gegen Banken 99 Prozent blieben zu Hause

Globale Proteste gegen Banken: 99 Prozent blieben zu Hause
Foto: THIERRY CHARLIER/ AFP"Revolution" stand auf den Plakaten, die Demonstranten am Samstag in Frankfurt, London und New York in die Höhe hielten. Hunderttausende hatten sich rund um die Welt auf die Straßen begeben, um am globalen Aktionstag gegen die Banken teilzunehmen. "Wir sind die 99 Prozent", riefen sie.
Es waren beeindruckende Listen, die bei den Kundgebungen verlesen wurden: Tokio, Seoul, Hongkong, Manila, Sydney, Rom, Paris, London, New York. Es schien so, als stünde die ganze Welt gleichzeitig gegen die vermeintlichen Unterdrücker in Nadelstreifen auf.
In Deutschland fanden die größten Demonstrationen in der Bankenmetropole Frankfurt am Main und in der Hauptstadt Berlin statt, in beiden Städten protestierten rund 5000 Menschen. Max Bank vom Attac-Koordinierungskreis wertete dies als großen Erfolg. "Der Funke ist übergesprungen, die Bewegung ist da", jubelte er.
Rückendeckung bekamen die Banken-Kritiker aus der Politik. "Auch in Deutschland ist es gut, wenn möglichst viele Menschen an Initiativen und friedlichen Demonstrationen gegen die Herrschaft der Finanzmärkte teilnehmen", sagt SPD-Chef Sigmar Gabriel im SPIEGEL- Interview. "Die Anbetung der grenzenlosen Freiheit der Märkte hat die Welt an den Rand des Ruins gebracht."
Man wollte es den New Yorkern nachmachen, die seit Wochen unter dem Motto "Occupy Wall Street" in Lower Manhattan ein Protestcamp betreiben. Am Samstagmittag zogen dort wieder mehrere hundert Demonstranten lautstark vor eine Filiale der US-Großbank JPMorgan Chase , um gegen die Macht des US-Branchenriesen zu demonstrieren.
Eine wirkliche Massenbewegung ist dies noch nicht
Und so sprachen viele Teilnehmer stolz von einer "weltweiten Bewegung". Tatsächlich war dieser Tag wahrscheinlich der globalste koordinierte Protest in jüngster Zeit - dem Internet sei Dank. An rund tausend Orten in 80 Ländern soll es Demonstrationen gegeben haben.
Doch bleibt trotz der langen Listen festzuhalten: Eine wirkliche Massenbewegung ist dies noch nicht. Zwar kommt der Slogan "Wir sind die 99 Prozent" der in Umfragen gemessenen öffentlichen Meinung recht nahe: Große Mehrheiten finden, dass Steuergelder nicht zur Bankenrettung verwendet werden sollen.
Aber auf der Straße manifestiert sich dieser Volkszorn nur sehr bedingt. Außer in Rom, wo mehr als 100.000 zu einer Großdemo aufmarschierten und es zu schweren Krawallen kam, blieb das Ausmaß der Proteste relativ begrenzt. An den allermeisten Orten waren es nur wenige hundert, die sich aufrafften, um gegen das System zu protestieren. In Paris etwa folgten 200 Menschen dem Aufruf zum Protest der "Empörten". Ähnlich sah es an anderen Brennpunkten aus: etwa hundert am Finanzplatz Tokio, 500 am Finanzplatz Hongkong, 1000 am Finanzplatz London - ein Aufstand der Massen sieht anders aus.
Bewegung ohne klare Forderungen
Obendrein waren es häufig die üblichen Verdächtigen, die unterwegs waren. Bei der Kundgebung in London sprach Berufsrevoluzzer Julian Assange von den Stufen der St. Paul's Cathedral. Er nutzte die Gelegenheit, um nicht nur gegen das Finanzsystem zu wettern, sondern gleich auch noch den Bogen zur Unterdrückung seiner Enthüllungsplattform WikiLeaks zu schlagen.
Warum es nur so wenige waren, darüber lässt sich nur spekulieren. Mögliche Gründe sind die grundsätzliche Apathie des Normalbürgers oder die Angst vor Polizisten in Kampfmontur. Es könnte aber auch schlicht die Überzeugung sein, dass Demonstrationen "gegen das Finanzsystem" nicht sonderlich zielgerichtet sind. Denn dies ist das große Manko der Proteste: Sie scheinen primär dazu da, Wut abzulassen. Angesichts der täglichen Horror-Schlagzeilen über die Schuldenkrise macht sich das Gefühl breit: Es muss etwas passieren - nur was, weiß keiner so genau.
Wenn man überhaupt von einer Bewegung sprechen kann, so ist es eine Bewegung ohne klare Forderungen: Die anstehende Banken-Rekapitalisierung einfach ausfallen zu lassen und zu sehen, was passiert, wäre ein riskantes Spiel - und vor allem keine Idee, die irgendeinen Politiker außerhalb der Linkspartei überzeugen wird. Und die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer ist alles andere als revolutionär. In Europa sind sich die Regierungschefs längst einig, dass sie wünschenswert wäre. Dazu müssten allerdings die Weltmächte USA und China mitziehen. Doch die weigern sich - wie man beim anstehenden G-20-Gipfel Anfang November in Cannes wieder wird beobachten können.
Da die konkreten Forderungen fehlen, wird der Einfluss dieser Proteste wahrscheinlich gering bleiben. Die Wall-Street-Banker betrachten die Camper vor ihrer Haustür jedenfalls allenfalls amüsiert - bedroht fühlen sie sich nicht.