An 10 Tagen im Frühling präsentiert der Heidelberger Stückemarkt seit 1984 die Avantgarde des Theaters: Neue Stücke werden gelesen und herausragende Uraufführungen aus dem deutschsprachigen Raum zu Gastspielen eingeladen.
Dabei werden gesellschaftliche Diskurse angestoßen und ästhetische Tendenzen unserer Theaterlandschaft reflektiert. Das internationale Highlight des Heidelberger Stückemarkts ist das jährlich wechselnde Gastland. Die Gastländer der vergangenen Jahre waren Griechenland, Finnland, Mexiko, Belgien, die Ukraine und Südkorea. Wie sich das Theater unter Recep Tayyip Erdoğan verändert hat, fragt sich das Leitungsteam des Stückemarkts und lädt die Türkei 2019 nach Heidelberg ein.
»Drift« von Ulrike Syha eröffnet den Heidelberger Stückemarkt 2019
Eröffnet wird der Heidelberger Stückemarkt am 26. April 2019 mit der Uraufführung des Gewinnerstücks des letzten deutschsprachigen Autorenwettbewerbs. »Drift« von Ulrike Syha erzählt von einem kleinen Küstenort, in dem die Idylle trügt. Fremde werden hier argwöhnisch beäugt, schon gar, wenn ihre Ferienhäuser den freien Blick aufs Meer verstellen. Die Jüngeren hingegen würden viel lieber in die anonyme Großstadt ziehen, schaffen es aber nur selten, sich von einer Gemeinschaft abzunabeln, in der jeder mit jedem verwandt oder verschwägert ist und jeder jeden kontrolliert. Als ein tödlicher Unfall geschieht, der vielleicht sogar ein Mord war, brechen alte Feindschaften neu aus und Verschwörungstheorien greifen um sich. Doch nicht nur das soziale Gefüge wankt: Schon lange nagt die Meeresbrandung an der Landschaft und lässt die bebauten Klippen gefährlich bröckeln.
Inszeniert wird das Eröffnungsstück vom Schweizer Regisseur für Sprech- und Musiktheater Gustav Rueb. Ruebs Regiearbeiten führten ihn unter anderem schon an das Düsseldorfer Schauspielhaus, das Schauspielhaus Graz, das Staatstheater Darmstadt sowie die Deutsche Oper am Rhein, die Oper Frankfurt und das Staatstheater Stuttgart. Mit »Drift« gibt Rueb nun sein Regiedebüt am Theater und Orchester Heidelberg.
Gülhan Kadim ist Scout für das Gastlandprogramm Türkei.
Gülhan Kadim wurde 1976 in Deutschland geboren, kehrte aber im Alter von neun Jahren zurück in die Türkei. Sie wuchs in Istanbul auf und studierte Geologie am Lehrstuhl für Ingenieurswissenschaften an der Technischen Universität Istanbul. Gemeinsam mit anderen Theatermacher*innen gründete sie die Theatergruppe »Altıdan Sonra Theater« und eröffnete die Spielstätte »Kumbaracı50«. Sie ist sowohl die Leiterin und Koordinatorin der Theatergruppe als auch der Spielstätte und arbeitet in leitender Funktion am »Tomi Education Center«. Als Schauspielerin war sie in »Nihayet Makamı«, »Barefoot Musichall«, »Lost in Language« (koproduziert mit dem fringe ensemble aus Bonn), »Economania« (koproduziert mit dem Theater an der Ruhr), »Murder Game«, »A Carefree Play«, »The Cloven (Viscount), »444«, »You died, Got it!«, »Cyrano de Bergerac«, »G.C.D.–Greatest Common«, »Philadelphia Here I Come« und »Divisor Death of a Salesman« zu sehen. Sie inszenierte »The Waiting Room« und »Barzo and Konserve« und war Co-Autorin von »Time of Pera« (koproduziert mit dem Pera Palace Hotel Jumeirah). Außerdem wirke sie als Performerin in dem Projekt »Other Voices«, choreografiert und ausgestattet von Ilyas Odam mit und ist eine der Projektdesignerinnen und Puppenspielerinnen in »Rhythm of Pleasure«.
Der AutorenPreis des 35. Heidelberger Stückemarkts geht an Ulrike Syha

Ulrike Syha mit Laudator Andreas Jüttner
Ulrike Syha wurde am Sonntagabend, 29. April 2018, zum Abschluss des Theaterfestivals mit dem AutorenPreis für ihr Stück Drift ausgezeichnet. Der AutorenPreis wird seit 2008 von der Manfred Lautenschläger-Stiftung ausgelobt und ist mit 10.000 Euro dotiert.
Yeon-ok Koh, Autorin aus dem diesjährigen Gastland Südkorea, erhielt für Das Gespür einer Ehefrau den Internationalen AutorenPreis. Die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung wird vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg finanziert.
Der JugendStückePreis geht an Sergej Gößners Mongos. Mit seinem Stück über zwei Jugendliche war Gößner 2016 im Autorenwettbewerb des Heidelberger Stückemarkts nominiert. Zu Gast war jetzt die Uraufführungsinszenierung von Grit Lukas für das Theater Magdeburg. Der 2012 erstmals vergebene JugendStückePreis ist mit 6.000 Euro dotiert und wird durch das Heidelberger Unternehmer-Ehepaar Bettina Schies und Klaus Korte gestiftet. Zusätzlich wird die prämierte Inszenierung im Rahmen der Kooperation bei den Mülheimer Theatertagen NRW gezeigt.
Drei sind wir von Wolfram Höll wird in der Inszenierung von Valerie Voigt-Firon am Burgtheater Wien mit dem NachSpielPreis ausgezeichnet. Der undotierte Preis ist verbunden mit einer Gastspieleinladung zu den Autorentheatertagen am Deutschen Theater Berlin. Drei sind wir wird 2019 im dortigen Rahmenprogramm gezeigt.
Rinus Silzle erhält den Publikumspreis. Sein Stück Legal Highs erhielt die meisten Stimmen der Zuschauer*innen, die im Anschluss an die Lesungen in geheimer Wahl über ihren Favoriten abstimmen konnten. Stifter des mit 2.500 Euro dotierten PublikumsPreises ist der Freundeskreis des Theaters und Orchesters Heidelberg.
Die Laudationes der Jury können Sie hier nachlesen.
Und wie geht es 2019 weiter? Gastland des 36. Heidelberger Stückemarkts ist ein alter Bekannter: Das Leitungsteam des Stückemarkts fragt, wie sich das Theater unter Recep Tayyip Erdoğan verändert hat, und lädt nach 2011 ein zweites Mal die Türkei nach Heidelberg ein.

Foto Sebastian Bühler