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Rezensionen > Nothomb, Amélie: Attentat |
Amélie
Nothomb: Attentat. Roman.
Mit ihrer Hilfe bringt er es zum Star-Model: Bei Modenschauen tritt er als professionelles Laufstegmonster, als lebende Kontrastfigur auf, welche so die Schönheit der Mädchen umso schillernder zur Geltung bringen soll. Epiphane genießt die unerklärliche Zuneigung seiner Schönen und leidet zugleich darunter. Denn sie bleibt platonisch, berührungslos, unbefriedigend. Er, das bedauernswerte Opfer einer üblen Laune der Natur, die wandelnde physiognomische Gesetzlosigkeit, will mehr von seiner bezaubernden Freundin, wagt es jedoch nicht, sich das einzugestehen: Der verunstaltete Gentleman genießt eben nicht und schweigt. Schließlich, davon ist Epiphane überzeugt, repräsentiert Ethel jene "absolute" Schönheit, die es gegen das profane System "normierter" Ästhetik zu verteidigen gilt. Nur die "wahre" Schönheit, so die krude Philosophie, wird die Welt erretten, bedarf dazu jedoch der Abscheulichkeit. Doch auch die Libido verlangt ihr Recht; als er sich schließlich offenbart, kommt es zur Katastrophe: Die Angebetete weist ihn entsetzt und angewidert ab, Epiphane tötet sie und landet im Gefängnis - schon in Nothombs Roman "Im Namen des Lexikons" (2003) mutmaßte die Hauptfigur, dass Mord eine stärkere Verbundenheit unter den Beteiligten stifte als ein Geschlechtsakt. Die belgische Starautorin Amélie Nothomb erzählt wie gewohnt rasant, schnörkellos und pointiert, zuweilen amüsant und durchaus humorvoll. Aber ihre allzu wilde Prosa der Atemlosigkeit ufert in bloße Geschwätzigkeit aus, gaukelt dort intellektuelles Vergnügen vor, wo meist fade Belanglosigkeit waltet. Die provokative Potenz, die ihren Texten so gern unterstellt wird und die für einige ihrer zahlreichen Bücher, etwa für den Erstling "Die Reinheit des Mörders" (1992) auch Gültigkeit beanspruchen darf, hat sich hier weitgehend abgenutzt. Das ist entschieden zu wenig, um sich nachhaltig ins literarische Gedächtnis einzuschreiben. Leider. Holger Dauer © TourLiteratur
/ Autor Eine leicht gekürzte Fassung der Rezension erschien unter dem Titel "Die Schöne und der Schaurige" zuerst in der "Allgemeinen Zeitung", Mainz ( vom 11. April 2006). Buchcover: © Diogenes Verlag, Zürich |