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Special: Rezensionsprojekt Winnweiler (2004) > Rezensionen > Egloff, Joël: Leichenschmaus |
Joël
Egloff: Leichenschmaus. Roman. Mit seinem Debütroman "Leichenschmaus" gelang Joël Egloff auch außerhalb des Filmgeschäfts der Durchbruch. In diesem sehr knapp gehaltenen Buch (128 Seiten) kann er vor allem durch seine eigene locker-ironische Schreibweise gefallen, ohne einen gewissen Tiefgang vermissen zu lassen. Schon auf den ersten Blick ist der Roman als ein kompaktes Werk zu erkennen, bei dem bereits der Titel auf eine etwas makabre Handlung schließen lässt. Die kindliche Zeichnung auf dem schwarzen Grund des Covers deutet auf eine nicht ganz so ernst gemeinte Geschichte hin. Alles beginnt in einem verschlafenen Nest der französischen Provinz. "Keiner kommt rein, keiner kommt raus". Die Geschäfte des Bestattungsunternehmers Ganglion laufen bereits seit Jahren schlecht und fehlender wirtschaftlicher Erfolg treibt das Dreimann-Unternehmen, das zu guten Zeiten, noch mit mehr Angestellten, geradezu florierte, an den Rand des Ruins. Edmond Ganglion übernimmt den Part des raffgierigen und verbitterten Bosses, der, nachdem seine Frau ihn wegen eines anderen verlassen hat, lediglich das Wohl seines Unternehmens als Lebensinhalt hat. Er lässt sogar die Dorfälteste von seinem ältesten Mitarbeiter, dem wortkargen Georges, der nur noch seiner baldigen Rente entgegensieht und jegliche Veränderungen scheut, ihrem Wunsch entsprechend untersuchen, um sie ja als Kundin zu sichern. Ganz anders als Ganglion und Georges ist der jüngste Mitarbeiter Molo, ein junger hilfsbereiter Mensch, der mit seiner offenen und naiven Art den Leser gleich für sich einnimmt. Der Tagesablauf, der schon seit Jahren nur aus dem Polieren von Grabsteinen, dem Säubern des Geschäfts und der Buchhaltung besteht, erfährt eines Tages eine plötzliche Wende. Nach Leichenschmaus und Trauerzug machen sich Molo und Georges mit der Leiche im Gepäck, eskortiert von Pfarrer und zwei Angehörigen ihres neuen Auftrages, auf den Weg in ein Dorf der näheren Umgebung, in dem der Tote beigesetzt werden soll. Nachdem sie ihre Begleiter unglücklich verloren haben und ohne Karte oder jegliche Wegkenntnis im Leichenwagen über die Landstraßen irren, schlittern sie von einer Überraschung in die nächste. So kommt Molo zum Beispiel zum ersten Mal ans Meer, von dem er bis dato gar nicht wusste, wie nah es an seinem Heimatort liegt, und sie haben einen Unfall, der alles andere als tödlich endet. Mit einer gehörigen Portion schwarzen Humors, der durch den parataktischen Stil noch trockener wirkt, nimmt Egloff die Verbohrtheit der Provinzler auf die Schippe, die keine Ahnung haben, was um sie herum geschieht, aber auch nicht unbedingt daran interessiert sind, da dies ihre einfache Welt ins Wanken bringen könnte. Der Dorfpfarrer steckt mit seiner Vorstellung von Sünde und Sitte noch im Mittelalter und straft selbst den Straßenköter, der sich am Hintern leckt, aufs Übelste ab und der Wirt des einzigen Cafés versenkt kurzerhand eine Camperfamilie samt Wohnwagen im Dorfteich, als die nicht das einzige Getränk seines Ladens, Zwetschgenschnaps, bestellen will. Der geradlinige Aufbau ohne Rückblicke oder Parallelhandlungen unterstreicht die unterhalterische Absicht des Autors. Wenn auch die Handlung einen nicht vom Hocker reißt, macht Egloffs britischer Humor das Buch zu einem lesenswerten Lückenfüller, wenn man mal keine Lust hat auf todernste Wälzer mit verworrenen Handlungssträngen und absehbarem Ende. Johannes Follmann, Sandro Scheffler © TourLiteratur
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