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Special: Rezensionsprojekt Winnweiler (2004) > Rezensionen > Ohnemus, Günter: Reise in die Angst |
Günter
Ohnemus: Reise in die Angst. Roman. Reise in die Angst? Das haben wir uns auch gefragt, als wir dieses einfache rosa-schwarz-weiße Layout bei der Auswahl eines zu rezensierenden Buches gesehen haben. "Sicher kann man sich ja nie sein", haben wir uns gedacht, da wir nicht die typischen Leseratten sind, was man schon an unserer Fächerwahl, Deutsch-Grundkurs, deutlich erkennen kann. 304 Seiten ist eine Menge, aber irgendwie mussten wir es schaffen, also: "Augen zu und durch..." Doch wir waren sehr positiv überrascht, als wir uns in die ersten Seiten eingelesen hatten. Günter Ohnemus hatte uns wirklich verzaubert, wie er es auch in einem Interview mit Nicola Bardola (www.droemer-weltbild.de) schildert:
Im Gegensatz zu anderen Büchern mussten wir uns bei diesem Buch nicht durchquälen, sondern lasen es mit Vergnügen und in einer für uns erstaunlich kurzen Zeit. Der 52-jährige Harry Willemer ist seit dreißig Jahren Taxifahrer und war, bevor "es" passierte, Schriftsteller ("Man kann nicht mehr Schriftsteller sein, wenn man niemanden mehr liebt. Wenn man keine Hoffnung mehr hat."). Diese Hoffnung verlor er, als seine Frau, Ellen, bei einem Streit Angst vor ihm bekommen hatte. Ellen baute, nachdem sie ihn verlassen hatte, einen Autounfall, bei dem ihr gemeinsames Kind Jessie umgekommen ist. Harry kommt über die Sache nicht richtig weg, immer wieder lässt er die Szenen Revue passieren, meint aber einen Airbag zu sehen, der zu der Zeit des Unfalls noch nicht erfunden war. Der Taxifahrer hat jetzt nichts mehr und beschließt, wie es seine Mutter immer gesagt hatte, alles aufzugeben und auf Reisen zu gehen, daher kommt ihm sein Beruf als Taxifahrer sehr entgegen. Eines Tages, an einem Donnerstag, steigt eine junge Frau, eine Russin namens Sonja, in sein Taxi ein und bittet ihn, sie zum Flughafen zu bringen. Durch ihr ständiges nach hinten Schauen bemerkt Harry ihre Nervosität. Dadurch kommen sie ins Gespräch. Sonja entpuppt sich als "Mafiabraut", die vor ihrem Mann Aljoscha flieht. Sie hat 4 Millionen Dollar in der Tasche und will nach Luxemburg. Harry bietet ihr seine Hilfe an, indem er sie mit seinem Taxi nach Luxemburg fährt - was er als weniger gefährlich empfindet. Außerdem findet er sie hübsch und verspürt aus unerklärlichen Gründen das Verlangen sie zu beschützen. Ehe Harry weiß, wie ihm geschieht, wird er selbst in die Geschichte hineingezogen - er wird zum Verbrecher und schon bald gibt es kein Entkommen mehr. Obwohl Harry nicht auf jüngere und vor allem russische Frauen steht, da er diese für "anmaßend und unverschämt" hält, schlafen die beiden miteinander. Harry bezeichnet diese Beziehung nicht als Liebe, sondern als "vollkommene Auflösung". Sonja und Harry sind jetzt zusammen in dieser Geschichte und wollen und können sich nicht mehr im Stich lassen. Nach und nach entdeckt sie in ihm eine "kriminelle Energie" und so schmieden sie gemeinsame Pläne, wie sie am besten vor der Mafia und jetzt auch noch vor der Polizei fliehen können. Was uns and dem Buch besonders beeindruckt hat, war nicht unbedingt die eigentliche Geschichte, sondern eher die kleinen Momente der Story. Günter Ohnemus verwendet Gleichnisse aus der Bibel, etwa die Geschichte mit dem Senfkorn, indem von einer Mutter erzählt wird, die vergebens nach einem Haus sucht, in dem noch kein Mensch gestorben ist. Aus diesem Haus solle sie eine Handvoll Senfsamen beschaffen, die durch ein Ritual von Buddha ihren verstorbenen Sohn zum Leben erwecken könnten. Sie muss jedoch feststellen, dass ein solches Haus nicht existiert und sie lernt mit dem Tod umzugehen. Bei dem russischen Märchen beeindruckte uns der Gegensatz zwischen Himmel und Hölle - nichts solle sie unterscheiden, außer dass die Menschen im Himmel ihrem Nachbarn einen zu langen Löffel zum Mund führen. Die Menschen in der Hölle hingegen kommen nicht auf solche Ideen und können somit nicht mit diesen zu langen Löffeln umgehen. Im Vergleich zu anderen Buchvorstellungen lernten wir das Buch schätzen, da es uns noch nach dem Lesen weiterhin beschäftigt hat. Dieses Buch hat uns durch und durch fasziniert und ist deswegen für uns sehr schwer zu beschreiben. Das Ende jedoch hat uns anfangs etwas irritiert und auch enttäuscht, Harry ist einfach weg und lässt Sonja im Stich. Aber wir haben festgestellt, dass ein anderer Schluss einfach nicht gepasst hätte. Abschließend ist zu sagen, dass wir "Reise in die Angst" nur weiter empfehlen können. Günter Ohnemus ist nicht durch Krimis und Thriller bekannt geworden, was einen Fan des Autors bei diesem Buch zu Beginn verwirren könnte, trotzdem ist er noch der Alte geblieben, da er auch in diesem Werk feinsinnig schreibt und auf die kleinen Dinge des Alltags achtet. Das Buch ist für so ziemlich alle geeignet, weil es romantische Elemente, aber auch Aktion enthält. Günter Ohnemus erläutert uns das Leben der Buddhisten, der Russen, der Deutschen und der Juden. Das Buch bleibt unter anderem durch diese Vielfältigkeit abwechslungsreich und wird somit nicht langweilig. "'Reise in die Angst' ist ein spannender Thriller und gleichzeitig eine bewegende Liebesgeschichte" (Der Spiegel). Dem können wir nur zustimmen, wobei anzumerken ist, dass es bei der Beziehung zwischen Sonja und Harry nicht um Liebe geht, was mehrmals im Buch angedeutet wird. Natürlich könnte damit die Liebesgeschichte zwischen Harry und Ellen gemeint sein, dementsprechend sollte dann aber erwähnt werden, dass ihre Liebesgeschichte tragisch ausgeht. Jennifer Hughes, Malwina Krzyworzeka © TourLiteratur
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