Rezensionen 2005

Quart Heft für Kultur Tirol. Nr. 5 / 2005.
Herausgeber: Land Tirol. Redaktion: Andreas Schett / Stv. Chefredakteure: Heidi Hackl.
Innsbruck: Skarabaeus, 2005.


Seit 2003 erscheint halbjährlich Tirols Kulturzeitschrift Quart. Nr.5/05 liegt nun vor und ist kürzlich vom Land Tirol mit einem Preis ausgezeichnet worden; Grund genug, diese Ausgabe eingehender zu betrachten.

Die bunten Ringe auf weißem Hintergrund von Walter Obholzer auf der Titelseite ziehen den Blick unwillkürlich auf sich. Gern nimmt man dieses Heft in die Hand dreht und wendet es und erblickt auf der Rückseite - bunte Kreise auf dunklem Hintergrund von Walter Obholzer. Welcher Zusammenhang besteht da? Das Heft macht neugierig, man will mehr erfahren: das Inhaltsverzeichnis bringt eine rasche Erklärung: Titelseite - Fragezeichen; Rückseite - Ausrufezeichen. Eine gelungene Umschlaggestaltung, denn erwartend und fragend, auf Antwort heischend kann man nach sorgfältigem Lesen oder nur nach raschem Durchblättern den Blick befriedigt auf dem Rufezeichen verweilen lassen.

Was hat Quart inwendig zu bieten? Kurz gesagt: Die Zeitschrift vermittelt ein klares und ausgewogenes Bild der Tiroler Kultur und seiner Schaffenden. Sowohl Tradition und Vergangenheit als auch die Gegenwart des aktuellen bildnerischen, literarischen und musikalischen Geschehens sind hier zu finden. Man denke nur an die kürzlich im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum - Art Box gezeigte Ausstellung ex.Position Avantgarde Tirol 1960/75, u.a. mit Bernhard Leitners Klang-Skulpturen und Ton-Räumen, der für diese Quart Ausgabe in seinem Atelier besucht wurde.
Fotografien, Malereien, Literarische Texte, ein Interview mit dem Komponisten Beat Furrer über "Neue Musik", eine Bastelanleitung und immer wieder Karteieinträge aus dem Schlagwortkataloges des Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum lassen den Blick von links nach rechts wandern, lassen nach vor- und rückwärts blättern. Ein "Reisebericht" der besonderen Art von Walter Klier und Stefanie Holzer führt quer durch Tirol; die in diesem Heft abgedruckte Sequenz 5 der so genannten "Landvermessung No.1" endet nach abwechslungsreichem Auf und Ab durch Landschaft und Sprache im Osttiroler Virgental.

Beim ersten Durchblättern bleibt man unwillkürlich bei den "Hochbehältern" stehen. Nikolaus Schletterers Fotoarbeiten, deren bestimmendes Thema die Urbanität ist, richten diesmal den Blick nicht nach Außen, ins Freie oder über etwas hinaus, sondern in etwas hinein: nämlich in den faszinierenden Raum und in die Abgeschlossenheit der Innsbrucker Wasserspeicher.
Hans Platzgummer beleuchtet Walter Obholzers Arbeiten und Denken und bereitet somit auf den nachfolgenden Bildteil vor.
Martin Waldes Originalbeilage mit Anleitung lassen den mehr oder weniger talentierten Leser sein eigenes "Handmate" fabrizieren. Aus der Wachsrinde eines Geheimratskäses kann eine Kühlschrankrose erblühen.
Der bildende Künstler Paul Thuile und der Schriftsteller Heinz D. Heisl greifen das Thema Wände auf. Am geografisch neuralgischen Punkt - Trennung Tirols in Nord und Süd - den die Brennergrenze darstellt, entstehen Wandzeichnungen und Heinz D. Heisl führt mit seinem Text "Abrißatmen" in die obskure Wörter-Welt eines Mannes.
Ein bei aller Akribie nicht nur für Spezialisten interessanter Aufsatz über den Oberstleutnant Robert Musil als Redakteur der (Tiroler) Soldatenzeitung fächert die inhaltliche Vielfalt ebenso weiter auf wie Ulrich Ladurners amüsante und einfühlsame Auseinandersetzung mit der Frage, wie in Meran Spitznamen entstehen. Der Witz und der Ernst liegen in diesem Heft nah beieinander, gleich wie Tradition und Postmoderne.

Die grafische Konzeption und Gestaltung ist ansprechend, zeitgemäß und frei von  älplerischem Lokalkolorit. Der sehr gute Druck und die haptische Anmutung sind weitere Pluspunkte und auf der Höhe der zumeist qualitätvollen Abbildungen.
Ein dynamisches Prinzip wird wirksam: so wie man sich durch das Heft bewegt, bewegt man sich auch gleichzeitig durch Tirol. Die Zeitschrift löst damit die Erwartungen und den nicht geringen Anspruch ein, ein Spiegel für Heute sowie ein bleibendes Dokument für das Tiroler Kulturleben zu sein. Sie hebt sich damit aus ihren geografischen Grenzen und muss den überregionalen, gar internationalen Vergleich nicht scheuen.

Verena Gollner