Rezensionen 2007
Regina Hilber, ich spreche bilder.
Mit Bildern von Herbert Fuchs.
Innsbruck: TAK – Tiroler Autoren Kooperative 2005, 66 S.
In kühlen Fabrtönen präsentiert sich der Lyrikband von Regina Hilber, sieht man auf den Umschlag des Bandes. Auf den zweiten Blick dann, beim Öffnen desselben, beginnt eine Serie von Bildern abzulaufen, wie der Titel der Sammlung ankűndigt, tritt mit leis-leidenschaftlicher Geste vor Aug und Ohr des Lesers. Der synästhetische Lyrikbach, in den man von der ersten Seite an hineinfűhlen kann, um ihm eventuell bis zur letzten Biegung zu folgen, fließt mal wortreich, mal lakonisch dahin, mal handelt es sich um lyrische Prosa, verdichtete Monologe eines lyrischen Ichs, dann wieder um mehr oder weniger heftig alliterierende Sprachspiele oder aber um poetische Prosaskizzen aus dem Alltag der dichtenden Instanz. Vor dem inneren Auge entfaltet sich ein breites, wiederum nur auf den ersten Blick, unhomogenes Repertoire von poetischen (Sprach-) Reflexionen.
Was dem Lyrikbach seinen Verlauf gibt, was konstant bleibt, so scheint es, ist der sehr persönliche, geradezu intime Ton, welcher die Textstűcke verbindet – und wenn der Ton „privat“ anmutet, so tun dies die Perspektiven, in welche das lyrische Ich sich versetzt, mindestens ebenso. Diese, daraus entspringende Grundgestimmtheit amalgamiert mitunter disparat wirkende Aus- (etwa zur Gstaadbäuerin nebenan) und Einblicke (innere Zwiesprache mit der Dichtermuse Semja) und bringt somit die Wege tatsächlich zum Laufen (s. „ ich spreche bilder/ und wege laufen“, S. 7), indem sie gleichermaßen den lyrischen Schaffenprozess durchwirkt, wie auch – was sich als sinnig-komplementär darstellt – die Wesen- und Behaustheit des lyrischen Ichs daraus entfaltet. Die Bilder, die gesprochen werden, die Wege die Laufen lernen, steuern immer wieder auf ein Inneres zu, sei es nun, ob ein Blick in die Dichterstube geworfen wird
„Eine karge Kammer oberflächlich betrachtet, bei näherem Hinsehen aber eine Schatztruhe, ein Silbenlager, vollgestopft mit Lettern, verstaubte Schimmelsätze in jeder Ecke, Wortfetzen in den Ritzen des Riemenbodens. / Nur nicht lűften, sonst kommt mir noch ein Wort abhanden“ (S. 10)
oder ins Dorf, woraus Passagen mit manchmal – im wahrsten Sinne des Wortes – geradezu stichartiger Prägung entstehen
„Selbst die Kirche hat sich das Erwachen seiner Bergschafe zu Eigen gemacht. In keiner Jahreszeit treibt michdas Glockengeläute so vehement in den Wahnsinn wie im Frűhling. […] Die Weidenzweige haben sich gerade noch rechtzeitig mit pelzigem Kätzchen geschműckt, die Erika blűht schon länger./ Von mir aus kann das Heilige Pflaster mit seinen Bräuchen in seinen gedrungenen Hausfluren bleiben.“ (S. 26)
Die Autorin zirkuliert also dichtend in ihrer unmittelbaren (Um-)Welt, reibt sich am Dorf- und Stadtleben, hadert mit eigenen Sprachlosigkeiten, hält mehr oder weniger ergiebige Zwiesprachen und fädelt nebenbei viele Facetten von Einsamkeiten auf. Das lyrische Ich, welches meist aus einem konkreten Anlass herausbricht, verfűgt über demenstprechend viele Untertöne wie Räume, in denen sich die Texte ausbreiten: das Repertoire erstreckt sich mal mehr, mal weniger abrupt vom Sarkastisch-Furiosen bis zum Nachdenklich-Anmutigen. Natur, Sprach- und Selbstreflexion greifen ohne fühlbare stilistische Ebenenwechsel ineinander űber, was das Unprätentiöse der Sprache und die einfach-prägnant Form sowohl der Gedichte als auch der längeren Prosapassagen zusätzlich unterstűtzt.
Vieles „läuft“ also in diesem Lyrikband und einiges kann an Bildern ausgelőst werden bei demjenigen, welcher Lust hat, sich darauf einzulassen, wenn das lyrische Ich sich beim Besprechen seiner Welt belauschen lässt.
Sabine Eschgfäller