Rezensionen 2008

Matthias Schönweger, Wie Gott sie schuf. Schäferroman. Die calla die tunte
edition raetia 2006
 

lieber msch 

es ist schon erstaunlich, was dir immer so einfällt und vor allem wie! weil das “was?” wär ja nicht das problem, da liegt im lande soviel glumpert herum, historisches, politisches, künstlerarisches und noch vieles mehr. da wird ja wirklich an den stamm- und schreibtischen mit hingabe geschrieben und gedichtet, aber am ende bleiben dann doch meist nur die berg und die fremmen und die walschen samt der etsch, die sie uns südwärts gestohlen haben und welche daselbst dortunten schon gar kein gscheites wort deutsch mehr verstehen tut. das “was?” also ists nicht, aber das “wie?” schon gewaltig, weil das, was du, lieber msch, da so sang- und klanglos zwischen zwei pappdeckel hast drucken lassen, geht normalerweise auf keine unserer kühe häute heute.
ein schäfer, also der hirte, der seine schäflein einem angemesserenen dasein zuführen will, ohne dabei selbst ganz den boden unter den füßen zu verlieren, wenn er seinen weg bis zu seinem herren in ehre gehen will, das ist einer der helden und der andere ist ein schreiberling. der held und sein erzähler: sind das zwei, oder ist das einer? aber eigentlich löst sich für uns leser die frage bald: der erzähler bevorzugt die schrift normal, der held kursiv. so betrachtet, ein fall für fromme und gläubige, wenn ich dir nicht misstrauen würde, lieber msch, ob du da nicht auch hie und da die eine mit der anderen schrift kopuliert hast.
und deine landschaft ist, wie soll ichs sagen, dem nordtiroler so verdammt verfremdet. bis hin zum lacus benacus gehen da die grenzen, mitunter bis nach rom. benacus, genau. wers nicht weiß, soll sich googln. jedenfalls viel heimatkunde hier in deinem text und eine wahre fundgrube für alle, die glauben und hoffen, nach einem punkt komme doch wieder, nicht gleich vielleicht, aber doch, morgen oder in einem jahr, ein neuer buchstabe, ein neues wort, und die geschichte ginge weiter und ließe sich nicht zu ende erzählen, bevor wir nicht selbst unter oder in der erde verscharrt seien. und wenns nach vorne kein ende gibt, gibts nach hinten hin erst recht keines und so vieles an geschichtchen und geschichten hier in deinem text, lieber msch, dass dir die zuneigung der historiker eines tages ganz gewiss sein wird, nur werden auch die es vorziehen zu warten mit dem lobhudeln, bis du ihnen keinen strich mehr durch die anneliese machen kannst.
ein schwuler pfarrer. gut, da ist man heftigeres gewöhnt. gewöhnt ist man an das, was nicht besprochen werden muss, doch hier stets oft und all zu deutlich. und jeder, der zu lesen vermag, findet sich da wieder, oder nur ein stück davon, oder was aus der familie oder bekanntschaft. der pfarrer gottfried schwarz, dem alles weibliche ein greuel ist, außer seine häuserin, die das programm in seinem namen wohl als einzige zu lesen verstand. schwarz seist du, in gottes frieden. das schwarze schaf zum schäfer gemacht, da kann man sich leicht denken, welch eltern kind der fromme mann gewesen zu sein gezwungen worden war.
und da der schwarz aus langeweile und not auch zum arzt mutieren musste, um seinen schäflein das diesseits nicht zur hölle verkommen zu lassen, und du, lieber msch, dich bei den kräutlein und allem anderen plunder, den die natur in siddhtiroll nach dem sauren regen und der tschernobylwolke noch produziert, bestens auskennst, ist “wie gott sie schuf” auch ein schönes büchlein zum lesen und nachlesen. die eine knospe für die liebe, eine andere dagegen. kopfschmerzen und seelenqualen, alles weiß unsere natur zu heilen, nur wissen tun es wenige. der schäfer des herrn eben, dieser abartige, der doch mehr vom leben (gehabt) hat, als wir mediokren, und du, lieber msch, grenzgänger bei den buchstabenartisten. schleichst dich in den heimischen wäldern umher und bestiehlst die dortige bauernschaft aller alten heilkräutlein, die sie aus inzwischen schon jahrhundertalter ignoranz, dort zwischen den bäumen unbeachtet liegen lässt. und du wickelst lettern herum und vermachst es der nachwelt dann als das deine. die calla wächst dort nicht. die ist in afrika zu finden, auch in sumpfigen gebieten, also dort, wo es mieft und trieft, in der schwüle also, und die calla heißt eigentlich und richtig zantedeschia. und jetzt erzähl mir nicht, lieber msch, du hättest das nicht gewusst: aus zantedeschia lässt sich so leicht die san tedesca machen, die hl. deutsche, den gottfried schwarz, die tunte.
und weil in diesem büchlein so viel steht, was den einheimischen südlich der brennergrenze so in die haut geht, dass sie aus selbiger am liebsten dir direkt ins gesicht springen würden, und es dem rest der welt ein nachschlagewerk über die kunst des lebens und des liebens sein wird, sollte doch verlangt werden, dass es überall dort erhältlich ist, wo sich ein- und zweideutiges die hände reichen: in jedem besseren (als was?) buchgeschäft.
ich will dich lassen, lieber msch, ich weiß, du musst nach mantua, dich vorbereiten auf das große fest im abseits. denn hofer war wie alle anderen auch und wie dein frommer schwuler schwarz:

eng
agiert
 

Peter Giacomuzzi