Rezensionen 2008
C.H. Huber, wohin und zurück. Gedichte
Innsbruck: TAK – Tiroler Autorinnen und Autoren Kooperative 2008
von „thonetlehnenden herrn“ und anderen dingen des lebens…
Wenn C.H. Huber (um nicht mit ihrer Wiener Kollegin Christine Huber verwechselt zu werden, führt sie das Kürzel C.H. und wird unter Kolleginnen liebevoll Ceha genannt) ihre Gedichte öffentlich vorliest, so klingen sie genau kalkuliert und im Ton (mitunter wohlig-, oft auch bedrohlich-) dunkel. Das im Text meist mitschwingende Augenzwinkern - mal etwas versteckt, mal sehr offensichtlich - kann der Vorleserin Huber förmlich vom Gesicht gepflückt werden, es gibt der dunklen Leseart den rechten Stellenwert, verrät das Spiel hinter der Pose.
„Eine Frau reist durch Landschaften, Liebe und Leben, quert Jahreszeiten und Stimmungen, erfasst sie mit lyrischem, dennoch kritischem Blick und ebensolchem Herzen.“ Mit diesem knappen Klappentext in C.H. Hubers neuem Gedichtband wird eine treffende Spur gelegt. Huber ist in der Tat eine Autorin, deren gelebtes Frausein den Text trägt. Sie ist eine, die mit Herz, Verstand und Körper wirklich durchlebt zu haben scheint, was sie literarisch verarbeitet. Damit sei keineswegs ein autobiografisches Schreiben angedeutet. Aber die gestandene Erfahrung und vor allem der gegenwärtige klare Blick bringen den Humor, die Distanz auch in ihre ernstesten Texte hinein.
In C.H. Hubers Werkstatt entstehen seit etwa 15 Jahren Werke der Lyrik und Prosa sowie Dramatisches. Der jetzt vorliegende zweite Lyrikband ist ihr insgesamt viertes Buch - auf die beiden Prosabände „unter tag“ und „Kurze Schnitte“, beide ebenfalls bei der TAK erschienen, sei hier im Besonderen hingewiesen. Der neue Band ist eine Sammlung von balladenartigen Texten, von lyrischen Beobachtungen oder Momentaufnahmen, die wohl seit dem ersten Gedichtband „gedankenhorden“ in den letzten Jahren entstanden sind – zu Hause und auf zahlreichen Reisen, letzteres meist in südlichen Ländern, vornehmlich in Griechenland.
wohin / wege / verortung / zurück: Die vier betitelten Abschnitte innerhalb des Bandes gruppieren die Texte nur ungefähr, charakterisieren aber den durchgängigen gedanklich-emotionalen Bewegungsverlauf von innen nach draußen und von draußen nach innen zurück. In dieser Kreisbewegung gilt es die Beobachtungen äußerer Vorgänge im Inneren auf Tauglichkeit, vielleicht sogar auf Echtheit hin zu überprüfen. Das Falsche, das bloß Vorgegebene ist es denn auch, was die Autorin entlarvt, was manchmal sogar ihren Unmut provoziert.
Hubers Gedichte wollen nicht überflogen und konsumiert werden, sie beanspruchen genaues Lesen. Der Verzicht auf Interpunktion – nur selten gibt ein Schrägstrich die Atempause vor – zwingt den Leser, die Leserin in tiefere Schichten der Sprache hinein. Besonders jene Texte, die keine unterschiedlichen Zeilensprünge aufweisen, sondern optisch wie kleine Blockminiaturen daherkommen, verlangen, dass man sich wirklich auf den jeweiligen Text einlässt. Semantische Mehrdeutigkeiten oder syntaktische Doppelbödigkeiten werden nur durch langsames Lesen, durch ein Zerkauen der Sätze erschlossen. Die Offenheit in der Struktur der Texte verweist auf den Variantenreichtum des Vor- oder Dargestellten. Die Möglichkeiten sind in multiplen intertextuellen Verknüpfungen angedeutet, damit eröffnet die Autorin Spielarten, lenkt die Aufmerksamkeit auf mögliche interessante Sichtverschiebungen. Die Eindrücke, welche die in den Texten angesprochenen Situationen und Stimmungen erwecken, fächern sich quasi wie eine Farbpalette auf.
Trotzdem gelingt es C.H. Huber ganz auf dem Boden der Realität zu bleiben. Ihre Gedichte sind konstruiert, aber nicht abstrakt. Sie schöpfen aus der Geschichte eines Ortes, aus dem Alltäglichen, sie sind üppig oder exotisch und erwecken dabei doch das ganz Normale zu neuem Leben. Seltsame Typen erscheinen und verschwinden, das Gewöhnliche wird ungewöhnlich besetzt oder bleibt wie es ist, Farben, Gerüche, Temperaturen werden sinnlich wahrnehmbar. Ein Hauch von Erotik, mehr noch von: Leiblichkeit hängt sehr angenehm, weil nicht aufdringlich, in so manchem Text. Die Autorin scheint uns weder etwas weismachen zu wollen, noch sollen wir alles glauben, was sie uns erzählt.
In Summe entsteht der Eindruck, dass es C.H. Huber in erster Linie um die Vermittlung eines Lebensgefühls, einer vagen Anschauung dessen, was im Vorbeigehen zählt und was verzichtbar ist, geht. Dass einzelne Passagen oder Satz-Wort-Reihen gelegentlich beliebig anmuten, dass die Dinge da und dort weder logisch noch bewusst anti-logisch verknüpft zu sein scheinen, fällt in Summe nicht ins Gewicht. Nicht alle Gedichte vermögen in demselben Maß zu überzeugen, doch die meisten halten – sie halten, was sie versprechen, und sie halten die Leserin an der Leine. Wirklich kritisch bemerkt sei nur, dass man die stets an den Schluss gesetzten Titelzeilen (dann, wenn es sich nicht um Ortsangaben oder Widmungen, sondern um inhaltliche Verweise handelt) zu sehr als Pointen liest - man möchte lieber darauf verzichten. Hier wird die Offenheit der Texte oft leider wieder zurückgenommen.
„wohin und zurück“ ist nur vordergründig ein Buch, das von Reisen und Fahrten, von fremden oder vertrauten Orten erzählt. Es geht um die äußere Beweglichkeit und um das innere Bewegtsein, es geht aber auch um das Innehalten in der Bewegung, um den Moment des Schauens, Aufmerkens, Mitnehmens. Was man als Leser mitnimmt sind wie im Gehen aufgesammelte Skizzen mitsamt dem dazu gehörigen Gefühl, dem Schritttempo oder Schlendergang: Ob nun ein „herr sich persiflierend thonetlehnt“ oder Möwen von „bemäntelten hündchen verbellt“ aufflattern, ob man „in die hölle der rolle einer unbegehrten begehrten“ hinabsteigt oder ob es wieder „im kastaniengarten bad ischln tut“ – das Sammelgut ist am Ende sehr bunt. Und die Freude an schönen Wortschöpfungen, klanglichen Leckerbissen und spannenden Sinn-Kombinationen ist durchwegs groß.
Erika Wimmer